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Finanzmärkte

Die US-Zwischenwahlen 2022 werfen Schatten voraus

Stimmungstest für die aktuelle Regierung und Orientierung für den Finanzmarkt: ein Zwischenstand zu den Midterm Elections 2022 in den USA.

Datum
Autor
Tina Haldner
Lesezeit
4 Minuten

Die US-Zwischenwahlen 2022 werfen Schatten voraus

Die vergangenen Wochen haben neue Bewegung in den Machtkampf um den amerikanischen Kongress gebracht. Noch rund fünf Monate dauert es bis zu den US-Zwischenwahlen, die am 8. November 2022 stattfinden. Dabei ist die Ausgangslage für die Demokraten, die derzeit eine knappe Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments halten, äusserst schwierig. US-Präsident Joe Biden ist derzeit so unpopulär wie nie und steht mit einer Zustimmungsrate von 40.6% so schlecht da wie kein anderer Präsident vor ihm. Umso mehr erhofft sich die Regierungspartei, dass sie von der hitzigen Debatte um das Grundrecht auf einen Schwangerschaftsabbruch profitieren kann. Der jüngste Stimmungstest im US-Bundesstaat Texas fällt allerdings ernüchternd aus.

Doch es geht im November nicht nur darum, welche Partei in den kommenden zwei Jahren die Kontrolle über das Repräsentantenhaus, den Senat und die Gouverneursposten in den Bundesstaaten hat. Die Zwischenwahlen werden auch Aufschluss darüber geben, wie die Chancen von Donald Trump stehen, sich als Präsidentschaftskandidat für 2024 ins Spiel zu bringen. 

US-Zwischenwahlen 2022: Weckruf für die Demokraten?

Für Furore sorgte anfangs Mai ein Dokument, das dem US-Nachrichtenportal "Politico" zugespielt wurde. Darin schreibt Samuel Alito, Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten: "Wir sind der Meinung, dass Roe und Casey aufgehoben werden müssen". Zur Diskussion steht damit nichts Geringeres als das Grundrecht auf einen Schwangerschaftsabbruch, das der Supreme Court durch die Präzedenzfälle Roe vs. Wade (1973) und Casey (1992) verfassungsmässig festgehalten hat.

Der Vorfall ist einmalig: Noch nie in der Geschichte des Supreme Courts ist eine Stellungnahme vor der offiziell geplanten Publikation an die Öffentlichkeit gelangt - tatsächlich war die Veröffentlichung erst per Ende Juni vorgesehen. Nun erhoffen sich die Demokraten von der Debatte um das Abtreibungsrecht Rückenwind für ihre Wahlkampagne, denn die Aufhebung von Roe vs. Wade wäre eine Zäsur.

Die Mehrheit der Amerikaner ist für das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Je nach Umfrage sprechen sich 85 bis 90% dafür aus, dass Abtreibungen wenigstens unter gewissen Umständen legal sein sollen, wie eine Zusammenstellung der Datenplattform FiveThirtyEight zeigt.

Wahlschilder USA
Wähler vor einem Wahllokal am Texas Primary Election Day am Dienstag, 1. März 2022 in Austin, Texas. © Jay Janner/Austin American-Statesman via AP

Doch dass das Thema kein Selbstläufer ist, verdeutlichen die Vorwahlen im 28. Kongresswahlbezirk von Texas, der tief im Süden des Bundesstaats liegt und sich von San Antonio bis an die mexikanische Grenze zieht. Seit 17 Jahren vertritt der erzkonservative Demokrat Henry Cuellar diesen Distrikt in Washington. Cuellar ist der einzige demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, der dagegen ist, das Abtreibungsrecht gesetzlich zu verankern.

Ende Mai wurde er nun von seiner Parteikollegin Jessica Cisneros herausgefordert, die zum progressiven Lager zählt und sich insbesondere für die Gesundheitsfürsorge für Frauen einsetzt. Noch ist das Ergebnis der Wahl offen, doch es zeichnet sich ab, dass sich Cuellar trotz seiner kontroversen Positionierung hauchdünn durchsetzen dürfte.

Das Beispiel verdeutlicht einmal mehr die Kluft, die auch innerhalb der demokratischen Partei besteht: Obschon sich die Demokraten von der Abtreibungsdebatte Zulauf versprechen, konnte sich die Parteispitze nicht dazu durchringen, die Herausforderin zu unterstützen. Die Thematik dürfte Ende Juni noch einmal an Schwung gewinnen, wenn der Supreme Court die endgültige Stellungnahme veröffentlicht.

Was die Amerikaner wirklich belastet

Zweifellos würde die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung die US-Gesellschaft fundamental verändern. Doch im Alltag haben die Amerikaner derzeit zahlreiche andere Probleme, die sie beschäftigen. Ganz oben auf dem Sorgenbarometer steht die hohe Teuerung. 70 Prozent der Bürger bezeichnen den rasanten Preisanstieg als sehr grosses Problem, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center zeigt.

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Joe Biden
US-Präsident Joe Biden bemüht sich, die Sorgen der Bürger zu adressieren. © Keystone/AFP/Brendan Smialowski

Dies schürt Verunsicherung und Unzufriedenheit. So ist der Anteil der Menschen, der befürchtet, Rechnungen nicht mehr zahlen zu können oder den Lebensstandard senken zu müssen, gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Für die Demokraten sind die hohen Inflationszahlen ein Desaster, denn die Wähler dürften die Zwischenwahlen nutzen, um ihren Unmut kundzutun. Zwar bemüht sich US-Präsident Joe Biden, die Sorgen der Bürger zu adressieren. Es sei seine oberste Priorität, die hohe Teuerung einzudämmen. Doch an konkreten und weitreichenden Massnahmen mangelt es bislang. Es bleibt daher hauptsächlich beim Versuch, einen Schuldigen für die Misere zu präsentieren. "Putins Preisanstieg beeinflusst weiterhin die Lebensmittel- und Energiepreise", kommentierte Biden denn auch die jüngsten Inflationsdaten vom April.

Dagegen lassen die Republikaner keine Gelegenheit aus, die Demokraten für das Preiswachstum verantwortlich zu machen: Unter dem Schlagwort "Biden-flation" verweisen sie auf das Stimuluspaket von USD 1.9 Billionen, das die Partei 2021 im Alleingang durchgesetzt hat und nun die Inflation anfachen soll.

Comeback von Trump?

Donald Trump
Former U.S. President Donald Trump makes a speech during a rally ahead of this year's midterm elections. © Keystone/AP Kydpl Kyodo

Während Biden gegen schlechte Umfragewerte kämpft, nutzt sein ehemaliger republikanischer Widersacher Donald Trump die "Midterms", um seine Chancen für eine weitere Amtszeit im Weissen Haus auszuloten. Tatsächlich gelten die Zwischenwahlen als inoffizieller Startschuss für die Präsidentschaftswahlen 2024.

In verschiedenen Vorwahlen landesweit hat Trump in den vergangenen Wochen Kandidaten unterstützt, die unter anderem seine Erzählung von den gestohlenen Wahlen 2020 teilen. Die Erfolgsbilanz des ehemaligen Präsidenten ist bislang allerdings durchzogen und insbesondere der jüngste Stimmungstest im US-Bundesstaat Georgia Ende Mai fiel vernichtend aus. Gleich zwei Republikaner des Establishments haben sich hier in den sogenannten "Primaries" durchgesetzt, nämlich Brian Kemp, der amtierende Gouverneur von Georgia und Brad Raffensperger, der amtierende Secretary of State.

Trump macht die beiden Männer direkt verantwortlich für seine Niederlage in den Präsidentschaftswahlen 2020, da sie Bidens knappen Sieg im umkämpften Südstaat anerkannt hatten. In den diesjährigen Vorwahlen unterstützte er daher zwei Herausforderer, die allerdings chancenlos waren. Besonders bitter ist die Schlappe auch deshalb, weil sein ehemaliger Vizepräsident Mike Pence die Kampagne von Kemp unterstützt hat.

Trumps Flop in Georgia könnte dem arg gebeutelten Establishment der "Grand Old Party" nun neues Leben einhauchen. Derweil dürfte Trump in den kommenden Monaten weiterhin durch die USA touren und seine Anhänger mobilisieren - bei der Parteibasis zählt er noch immer zu den beliebtesten Politikern.

 

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