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Market View & Insights
Warum Investoren langfristig die indische Wirtschaft im Blick behalten sollten - trotz momentaner Unsicherheiten.
Die Covid-19-Pandemie hat unserer Erfahrung nach selbst einfache Wirtschaftsprognosen zu einem schwierigen Unterfangen werden lassen. Die Pandemie rollte in mehreren Wellen über uns hinweg und jede hatte unterschiedliche Auswirkungen. Es mussten neue Variablen in die Finanzanalysen aufgenommen werden, die zuvor keine oder kaum eine Rolle spielten.
Bei langfristigen Vorhersagen können wir allerdings davon ausgehen, dass die Welt die Pandemie und deren Unwägbarkeiten überwunden haben wird. Vor diesem Hintergrund blicken wir in diesem Beitrag auf aktuelle Untersuchungen, welche die langfristige Entwicklung der indischen Wirtschaft zum Thema haben.
Prognosen zum Wirtschaftswachstum und zur Inflation sind wohl für alle die Anleger zentral, die bei ihren Entscheiden auf wirtschaftliche Fundamentaldaten zurückgreifen. Diese Zahlen helfen zu entscheiden, wann, wo und in welcher Höhe Kapital erfolgversprechend eingesetzt werden soll:
Längerfristiges Wachstum in den Schwellenländern hängt, so die überwiegende Meinung in der Wirtschaftswissenschaft, von einer Vielzahl von Faktoren ab. Einige davon sind sehr viel schwieriger zu quantifizieren oder zu bewerten als andere. Das macht sie aber unserer Ansicht nach nicht weniger wichtig.
Ein Beispiel ist die Stabilität, Zuverlässigkeit und Transparenz öffentlicher Institutionen wie der Zentralbank oder des Finanzministeriums. Sie sind entscheidend für das langfristige Vertrauen der Investoren und deren Bereitschaft, Kapital zu investieren. Doch wie lassen sich diese Aspekte berücksichtigen, auch wenn sie nicht direkt messbar sind?
Eine hilfreiche Antwort darauf kann die Messung der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) sein. Dies gilt oft als aussagekräftiger Indikator: Hohe oder steigende Direktinvestitionen aus dem Ausland signalisieren, dass Investoren abseits des Finanzbereichs, zum Beispiel ausländische Unternehmen, attraktive Anlagechancen sehen und bereit sind, langfristig in reale Vermögenswerte wie Fabriken oder andere Projekte zu investieren. Derartige Investitionen zahlen sich oft erst Jahre später aus.
Den von der Deutschen Bank erhobenen Daten zufolge konnte Indien in den Jahren 2020/21 bei den an ausländischen Direktinvestitionen Bruttozuflüsse von mehr als 100 Mrd. USD verzeichnen. Die nachstehende Grafik zeigt, dass diese Investitionen in den indischen Markt deutlich über dem Niveau von vor einem Jahrzehnt liegen.
Bisher floss das Risikokapital besonders in den Dienstleistungssektor und in Technologie-Startups. Das verdeutlicht eindrücklich die wachsende Anzahl an Einhörner. 2021 hat sich Indien für diese jungen Startups, die mit mehr als einer Milliarde US Dollar bewertet werden, zu einem wichtigen Standort entwickelt. Mit 32 Einhörnern (so die Zahlen von Statista für April 2021) zählten nur die USA und China mehr von diesen wertvollen Newcomer-Unternehmen. Andere Auslandsinvestitionen flossen in gewinnbringende Geschäftssektoren wie Versicherungen, Einzelhandel, Kommunikation, Banken und Verteidigung.
Die LGT Experten analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Research-Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.
Nähern wir uns diesem Phänomen von einer anderen Seite. Gerade Schwellenländer treten bei den ausländischen Direktinvestitionen in Wettbewerb zueinander. Sie sehen diese Investments als Unterstützung zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Erhöhung des Lebensstandards. Hier hat sich Indien bereits gut entwickelt und erfolgreich internationales Kapital angezogen. Unserer Ansicht nach ist damit eine solide Grundlage für künftiges Wachstum entstanden, was folgende Punkte unterstreichen:
Sowohl staatliche Institutionen vor Ort als auch indische Bundesstaaten unterstützen die wirtschaftliche Renaissance mit verschiedenen Steueranreizen. So haben indische Regionen vielfach miteinander konkurriert, um neues Risikokapital anzuziehen - insbesondere in der Hoffnung auf neue Arbeitsplätze. Indiens wirtschaftlicher Erfolg hat dabei aber auch zur wirtschaftlichen Stabilisierung insgesamt beigetragen. Unternehmen und Banken haben den Schwung der letzten Jahre genutzt, um Schulden abzubauen.
Wie viele andere Schwellenländer verfügt auch Indien über eine beträchtliche "informelle" Wirtschaft. Die Deutsche Bank prognostiziert, dass sich das indische Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf bis 2030 auf 4 300 USD verdoppeln könnte, wenn mehr Arbeitnehmer in offizielle Arbeitsverhältnisse wechseln.
Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, sind unseres Erachtens eine Reihe rechtlicher und struktureller Reformen erforderlich. Normalerweise bedeutet dies, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren und gleichzeitig stark in die physische Infrastruktur wie Verkehr und Energie zu investieren. Dadurch können Unternehmen einfacher und effizienter wirtschaften.
Indiens Gesetzgeber hat in diesem Zug 1 500 unnötige Gesetze gestrichen und ein modernes Insolvenzrecht sowie eine Mehrwertsteuer verabschiedet. Die Regierung hatte angesichts des Wachstums auch ein Auge auf den sozialen Ausgleich - von direkten Geldleistungen und digitalen Zahlungen bis hin zu Initiativen bei Wohnungsbau, Abwasserentsorgung, Gesundheit, Bildung und Verkehrsinfrastruktur.
Auch in der Landwirtschaft konnten Einkommen und Produktivität gesteigert werden; und Investitionen in die Lagerhaltung und in Verarbeitungskapazitäten haben die Wertschöpfung verbessert, während Investitionen in die ländliche Infrastruktur und die dortigen Wohnverhältnisse auch den Lebensbedingungen auf dem Land zugutekommen.
Sollte sich der oben beschriebene Ausblick bewahrheiten und die Reformen wie skizziert fortgeführt werden, dann könnte sich die Wirtschaft bis 2030 verdoppeln.
Sicherlich hat die Covid-19-Pandemie die Aufmerksamkeit und einen enormen Ressourceneinsatz der Regierungen weltweit gefordert. In einer Zeit nach der Corona-Pandemie werden die Fundamentaldaten wie ausländische Direktinvestitionen oder zielgerichtete strukturelle Reformen jedoch wieder ins Zentrum rücken. Indien könnte ins Rampenlicht der globalen Investoren-Community zurückkehren und - nicht nur im Vergleich zu anderen Schwellenländern - zu einer beliebten Destination für Anleger werden.