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Finanzwissen

Howard Marks - Meister der notleidenden Kredite

Seine Investment-Memos sind so gut, dass sich sogar Warren Buffett um sie reisst. Was können Anlegerinnen und Anleger von Howard Marks, dem weltweit führenden Investor im Markt für "Distressed Debt", lernen?

Datum
Autor
Wendy Cooper, Gastautorin
Lesezeit
5 Minuten

Ein Mann mit Krawatte steht hinter einem Pult in einem Büro, Dokumente darauf abgelegt, daneben Bildschirme
Unter Howard Marks nutzte Oaktree in den Finanzkrisen von 1998, 2001 und 2008 Marktineffizienzen aus, indem das Unternehmen sich auf notleidende Vermögenswerte konzentrierte und so seine Resilienz unter Beweis stellte sowie aussergewöhnliche Renditen erzielte. © Joshua Bright/NYT/Redux/laif

Unter "Distressed Debt" versteht man Wertpapiere von Unternehmen oder Staaten, die sich in finanziellen oder operativen Schwierigkeiten befinden. Auf Deutsch spricht man von "notleidenden Schuldtiteln".

Das dies ein attraktives Segment sein kann, zeigt der Vermögensverwalter Oaktree Capital Management mit Sitz in Los Angeles: Seine 17 Distressed-Debt-Fonds bescheren Kunden - Pensions- und Staatsfonds sowie Stiftungen - langfristig Netto-Renditen von bis zu 19 Prozent pro Jahr (nach Gebühren).

Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben der grösste Investor in Distressed Debt und verwaltet ein Vermögen von 205 Milliarden US-Dollar, einschliesslich anderer Anlageklassen. Howard Marks war 1995 Mitbegründer und ist mit 78 Jahren noch immer Co-Chairman von Oaktree. Sein Privatvermögen wird auf über 2.2 Milliarden USD geschätzt.

Kein Wunder also, dass die Menschen zuhören, wenn Howard Marks spricht.

Grösster Fan? Warren Buffett!

Ein älterer Mann in Anzug und Krawatte spricht auf einer Bühne, im Hintergrund die US-Flagge.
Treuer Leser von Marks: Warren Buffett © Keystone/AP Photo/Cliff Owen

Der wohl bekannteste grosse Fan von Marks Memos heisst Warren Buffett. Diese Memos werden regelmässig auf der Website von Oaktree veröffentlicht. Und sie bieten weise und oft witzige Einblicke in eine Vielzahl von Anlagethemen und Anlagestrategien. 

"Sie sind jeden Monat meine Lieblingslektüre. Ich lerne immer etwas dazu", schwärmt Buffett, das "Orakel von Omaha".

Was also können wir Normalsterblichen vom aussergewöhnlich scharfsinnigen Anlageprofi Marks lernen?

Risiko verstehen und bewusst steuern 

Die Kunst des Investierens - so Marks - bestehe darin, Risiken zu verstehen und zu kontrollieren. "Nichts Neues", könnte man einwenden. Aber Marks versteht und kontrolliert das Risiko eben viel besser als die meisten anderen. Und seine Oaktree-Memos verraten uns, wie und warum ihm das gelingt.

"Es gibt eine Entscheidung, die im Portfoliomanagement wichtiger ist als alle anderen. Sie sollte die Grundlage für den gesamten Prozess bilden", sagt Marks. Welche Entscheidung meint er? "Die klare Definition der eigenen "Risikoeinstellung", also der Balance zwischen aggressivem und defensivem Vorgehen.

Ein aussergewöhnlich tiefes Verständnis von Marktzyklen, Anlegerpsychologie und Bewertungen.

Fazit: Anlegerinnen und Anleger müssen sich entscheiden, ob sie sich mehr darum sorgen, Geld zu verlieren oder eine gute Chance zu verpassen. Marks hat diese Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen.

Weil er davon überzeugt ist, dass Verluste mehr schaden als Gewinne nützen, hat Marks den Ruf, "Verlierer" zu meiden. "Sobald man die Verlierer aussortiert hat, kümmern sich die Gewinner um sich selbst", erklärte Marks Anfang 2024 auf seinem Youtube-Kanal.

Kein klassischer "Contrarian"

Vor dem Hintergrund solcher Aussagen mag es verwundern, dass Marks seine Erfolge ausgerechnet mit scheinbar hochriskanten notleidenden Wertpapieren erzielt - bis man erkennt, dass er eben kein gewöhnlicher "Contrarian" ist.

S/W-Foto eines Mannes in Anzug und Krawatte; die historische Aufnahme wird durch die Bildqualität deutlich.
Wie Warren Buffett bewundert auch Marks Benjamin Graham. © Keystone/AP/Str

Denn Marks stellt sich nicht einfach gegen Markttrends, sondern zeichnet sich durch ein ungewöhnlich tiefes Verständnis von Marktzyklen, Anlegerpsychologie und insbesondere Bewertungen aus. 

Er bewundert Benjamin Graham, einen Mentor von Warren Buffet - und ist bestens vertraut mit dessen Allegorie "Mr. Market", die in den 1940er Jahren erstmals die Irrationalität der Märkte und die Gefahren des Herdentriebs beschrieb. Ganz in diesem Sinn geht Marks davon aus, dass die Märkte grösstenteils von Emotionen getrieben werden und zwischen den beiden Extremen Optimismus und Pessimismus hin- und herpendeln.  

Für alle, die einen kühlen Kopf bewahren können, bietet dieses Auf und Ab Chancen. Die Frage ist nur, wie man sie erkennen und nutzen kann.

Mit "Second-Level-Thinking" zum Vorsprung

Tiefgründiger und besser zu denken, hilft Marks, die Realität präziser und besser einzuschätzen als der durchschnittliche Marktteilnehmer - "Second-Level-Thinking" nennt er das, "Denken auf der zweiten Ebene".

Er kontrolliert nicht nur seine Emotionen, indem er dem Kreislauf von Gier und Angst widersteht, der sein Urteilsvermögen trüben könnte. Marks bemüht sich auch um eine gewisse intellektuelle Bescheidenheit: Er gesteht sich ein, was er nicht weiss und weiss am Ende doch "mehr als die anderen".

Es kommt nicht darauf an, was man kauft, sondern was man dafür bezahlt.

Howard Marks

Zwei Faktoren erklären, wie er und Oaktree es geschafft haben, gerade in turbulenten Märkten einen Unterschied zu machen: die strenge Disziplin, mit der Marks diese Konzepte auf seine Anlageportfolios anwendet - und sein vertieftes Verständnis.

Während der Finanzkrisen von 1998, 2001 und 2008, als die meisten Anleger in Panik gerieten, nutzte Oaktree die Marktineffizienzen aus und konzentrierte sich auf notleidende Vermögenswerte. Dadurch konnte Oaktree nicht nur Risiken mindern, sondern auch hervorragende Renditen erzielen - was seinen Ruf als widerstandsfähiges Unternehmen erst recht festigte.

Eine Frage des Preises

Drei Herren in Anzug und Krawatte, Studioaufnahme.
Marks (Mitte) mit seinen Geschäftspartnern Bruce Karsh (links) und John Frank. © Oaktree Capital

Der Schlüssel zu Marks’ Erfolg ist letztlich der Preis, den er für seine Anlagen bezahlt. Er hilft ihm, die Risiken notleidender Wertpapiere im Griff zu behalten.

Marks schreibt einem Treffen mit dem legendären Junk-Bond-Investor Michael Milken im Jahr 1978 die Erkenntnis zu, dass "es nicht darauf ankommt, was man kauft, sondern darauf, was man dafür bezahlt."

Damals arbeitete der gebürtige New Yorker Marks bei der Citicorp, nachdem er 1969 an der Booth School of Business der Universität von Chicago einen MBA in Rechnungswesen und Marketing erlangt hatte. Die Bank schickte ihn schliesslich 1980 nach Los Angeles, um einen hochverzinslichen Anleihenfonds ("High-Yield Fund") zu verwalten.

Die Erfahrungen, die er später bei der Verwaltung von hochverzinslichen- und Distressed-Debt-Fonds für andere Finanzdienstleister in Kalifornien, darunter Oaktree, sammelte, überzeugten ihn davon, dass das Gewinn- oder Verlustpotenzial beim Kauf eines Wertpapiers direkt von dessen anfänglicher Bewertung abhängt.

Daraus entstand ein berühmtes Zitat: "Ein grossartiges Unternehmen zu einem exorbitanten Preis ist eine schlechte Investition, aber ein mittelmässiges Unternehmen zu einem Schnäppchenpreis kann eine grossartige Investition sein."

Grosser Einfluss auf die Investmentwelt

Buchdeckel mit der Aufschrift 'Der Finanz-Code' von Autor Howard Marks.
Erschienen 2011 von Marks.

Marks ist vielleicht nicht der grösste Marktakteur. Sein Freund und Bewunderer Warren Buffett ist ein anderes Kaliber. Aber was Marks in der Anlagewelt bewirkt hat, ist bemerkenswert.

Besonders hohe Wellen schlug sein Buch "The Most Important Thing: Uncommon Sense for the Thoughtful Investor". Es erschien 2011 und dient seither unzähligen Anlegerinnen und Anlegern als Leitfaden. Es folgte das Buch "Mastering the Market Cycle: Getting the Odds on Your Side." 2018 veröffentlicht, entwickelte es sich zum Bestseller der "New York Times" und des "Wall Street Journal".

Die wohl wichtigste Lektion, die Marks uns lehrt, besteht darin, für Wertpapiere weniger zu zahlen, als sie wert sind. Das hilft auch dabei, den Erfolg seiner Distressed-Debt-Fonds zu verstehen.

"Hohe Preise bedeuten ein hohes Risiko, tiefe Preise bedeuten ein tiefes Risiko", schrieb Marks in einem seiner berühmten Aphorismen. Damit erinnert er die Leserschaft einmal mehr daran, sich beim Kauf von Vermögenswerten auf den Preis zu konzentrieren. So lässt sich nicht nur das Risiko besser steuern, sondern auch die Chance auf eine attraktive Rendite erhöhen.

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