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Market View & Insights
Karina Tosch von der LGT Österreich über den Wiener Schmäh, Trachten und Ballkleider - und die Eigenheiten der Wiener Kellner.
Grantig und warmherzig, pompös-elegant und heimelig-bequem, ur-österreichisch und multikulti: Wien ist eine Metropole der Gegensätze. Während eines Spaziergangs mit Karina Tosch von der LGT Bank Österreich entdecken wir, warum die Stadt an der Donau auch jenseits touristischer Pfade einen Besuch wert ist.
"Nach Wien kam ich mit 20 Jahren. Und was muss man als Erstes lernen, wenn man in dieser Stadt ankommt? Walzern.
Ich weiss es noch wie heute: Ein Freund lud mich spontan auf einen der unzähligen Bälle ein. Ich meinte nur lapidar, da müsse ich mir erst ein Ballkleid kaufen. Er starrte mich entsetzt an: 'Wie, du hast kein Ballkleid?'
Damit gab ich mich gleich als Fremde zu erkennen. Die Wiener Kindheit endet mit dem Kauf der ersten Ballgarderobe mit 16 Jahren - in den Augen meines Freundes war ich ein echter Spätzünder.
Mein Ballkleid war eine richtige und wichtige Investition. Denn ich brauche es andauernd. Sonst könnte ich nicht an die Sommernachtskonzerte im Mai in Schönbrunn, wo alle draussen auf ihrer Picknickdecke sitzen, Konzerten lauschen und dann Walzer tanzen, und ich könnte auch nicht mit meinen Freunden Silvester feiern - dann geht man in der Altstadt von Konzert zu Konzert, und um Mitternacht walzt man gemeinsam in ein neues Jahr.
Ein weiteres Kleidungsstück, das alle Wiener zu Hause im Schrank haben: Trachten. Wie die Ballkleider tragen wir sie zu einem bestimmten Brauch zu einer bestimmten Zeit. Zum Beispiel während der Weinwandertage im Oktober, während der wir durch die Rebberge Wiens schlendern. Innerhalb des Stadtgebiets wachsen einige der besten Weine Österreichs. Die trinken wir direkt bei den Winzern: In unzähligen Buschenschanken - kleinen Schenken unter dem Himmel - direkt am Weinberg, wo der eben erst gekelterte Wein - wir nennen ihn Sturm - in dicken Krügen ausgeschenkt wird. Dazu essen wir Faschierte - Laibchen aus Rind- und Schweinefleisch - und Brettljause - aufgeschnittenen Käse und Wurst, serviert auf einem Holzbrett.
Ja, das Essen. Die Wiener lieben ihre deftige Küche. Wenn Sie hier in Wien sind, versuchen Sie doch mal, auf Wienerisch zu bestellen. Am Würschtlstand fragen Sie nach 'A Eitrige mit an Buckl' - das mag unappetitlich klingen, ist es aber nicht: Sie erhalten dann einen Käsekrainer, also eine Wurst mit Käse. Dazu passt ein 'Sechzehnerblech' - ein Wiener Bier.
Wenn Sie statt Bier lieber Kaffee mögen, sind Sie hier auch richtig. Wir sind stolz auf unsere gemütlich-elegante Wiener Kaffeekultur, und am Freitag treffen Sie die Wiener bei einer Wiener Mélange, oder einem verlängerten Schwarzen, oder einem kleinen Braunen. Immer auf dem Silbertablett und immer mit einem Glass Wasser serviert, versteht sich.
Für einen Happen zwischendurch gehen Sie am besten ins 'Zum Schwarzen Kameel', da treffen auch wir uns auf einen 'Pfiff' - ein schmales Glas Bier, das Sie in einem Schluck austrinken können - oder einen Aperol nach der Arbeit, und es hat nicht so viele Touristen wie bei Trzesniewski, obwohl die Brötchen dort auch lecker sind. Im Kameel schwatzen wir immer mit dem Maître des Hauses. Seine Redseligkeit ist genauso legendär wie sein Backenbart.
Überhaupt, die Wiener Kellner! Letztens habe ich in einem Lokal Gulasch bestellt, habe aber die Sünde begangen, statt Spätzle nach Kartoffelpüree zu fragen. Unser Kellner bestrafte mich mit einem missbilligenden Blick: 'Das schwimmt dann so in der Sauce rum, das bring ich dir nicht.' Das Urteil muss man dann akzeptieren. Und die Spätzle aufessen.
Eine Lieblingsbeschäftigung der Wiener ist 'motschgern', wir nennen es auch 'sudern'. Die Wiener sudern andauernd - sie beschweren sich übers Wetter, über den Weg zur Arbeit, über die Leute, über das Leben. Wenn sie fertig sind, finden sie einen neuen Grund. Verstehen Sie das aber nicht falsch - das bedeutet nicht, dass sie schlecht gelaunt sind. Sie beschweren sich einfach gern.
Das merkt man auch in den Wiener Kabaretts. Einheimische gehen gerne dorthin, vor allem in den kälteren Wintermonaten. Jeder Stadtbezirk hat seine eigene Kabarettbühne - der Rabenhof, das Simpl, das Metropol… Dort sitzen wir dann an unseren Tischen mit einem Glas Wein.
Zum Wiener Schmäh passt auch die einmalige Faszination für Makabres. Seien Sie auf der Hut, wenn ein Wiener Sie 'mitn Anasiebzga fahrn' schickt - die 71er Strassenbahn fährt Richtung Zentralfriedhof - oder empfiehlt, 'si de Erdöpfe vo unten ozschaugn' - also sich die Kartoffeln von unten anzuschauen. In Wien gibt es viele Bezeichnungen fürs Sterben.
Ein Spaziergang auf dem Wiener Zentralfriedhof lohnt sich trotzdem. Er ist wunderschön, voller Jugendstil-Mausoleen, alten Alleen, Blumen. Unter zweieinhalb Quadratkilometern Erde liegen rund drei Millionen Tote. Einer von ihnen ist Falco, Rocker und Lebemann, 1957 in Wien geboren und 1998 in Puerto Plata verstorben, Sänger von 'Rock Me Amadeus', dem einzigen deutschsprachigen Song, der es auf Platz eins der US-amerikanischen Charts schaffte.
Dafür lieben ihn die Wiener noch heute. Auf seinem Grab finden Sie Zigarettenpäckchen und Weinflaschen - hinterlegt von treuen Fans, damit er sich auch im Jenseits noch vergnügen kann. Wiener Schmäh eben."
If you're going to Vienna, be sure to…
... sing: "Rock me Amadeus" von Falco
... drink: Statt normalen Wein Sturm (Achtung! "Schädelweh" vorprogrammiert), statt normales Bier Pfiff oder Kaffee in allen Variationen
... say: "Heute schon gesudert?"
... know: Schmäh - den typischen Wiener Sarkasmus. Nehmen Sie also nicht alles zu ernst
... depending on the season: Im Sommer gehen Sie zum Wakeboard-Lift, wo Sie ein Glas nehmen und bei einem herrlichen Sonnenuntergang die waghalsigen Sprünge beobachten. Im Herbst wandern Sie während den Weintagen durch die Rebberge. Winter ist Ballsaison - informieren Sie sich vorher, welchen Sie besuchen wollen. Sie können auch in ein Kabarett oder an den gemütlichen Weihnachtsmarkt am Spittelberg. Im Frühling spazieren Sie durch den Wiener Zentralfriedhof. Das ganze Jahr hindurch spannend bleiben die berühmten Museen, aber auch die weniger bekannten wie das Weltmuseum Wien; und Bücherwürmer sollen zur Hauptuni, dort gibt es eine alte, wunderschöne Bibliothek. Sie ist öffentlich zugänglich und erinnert mich immer an Harry Potter.
Bilder: Stephan Huger