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Ambitionierter Klimaschutz oder 180°-Wende - Was die US-Wahl für das Weltklima bedeuten könnte

In einer Woche entscheiden die Bürgerinnen und Bürger der USA erneut darüber, wer für die nächsten vier Jahre die Geschicke des Landes leiten wird. Nachdem Präsident Joe Biden im Juli seinen Rückzug als Kandidat der Demokraten ankündigte, brachte Kamala Harris neuen Schwung in das Rennen um den Einzug ins Weisse Haus. Mit ihr könnte erstmals eine Frau das oberste Amt in den USA antreten. Doch was bedeutet die Wahl am 5. November für die Klimapolitik des Landes? Wofür stehen die beiden Kandidaten und welche Auswirkungen könnte ihre jeweilige Präsidentschaft auf die globalen Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele haben? Diese Wahl könnte im Kampf gegen den Klimawandel richtungsweisend sein. 

Datum
Autor
Cedric Baur, Equity Analyst, LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten

Trump Harris Climate
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"Drill, baby, drill"

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der den Klimawandel regelmässig als Schwindel (engl.: hoax) bezeichnet und während seiner ersten Amtszeit 2017 den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen in die Wege leitete (die USA traten letztlich nicht aus), zeigt generell wenig Interesse am Klimaschutz. So enthält die aktuelle Agenda des Ex-Präsidenten keinerlei Massnahmen, um Emissionen überhaupt zu reduzieren. Im aktuellen Wahlkampf wird zudem wiederholt kommuniziert, bestehende Regulierungen und Gesetze, wie z.B. den Inflation Reduction Act (IRA), wieder rückgängig zu machen. Trump betont, dass unter seiner Führung keine neuen Gelder mehr für "neue grüne Betrugsideen" ausgegeben werden sollen. Er möchte aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen und die Förderung fossiler Brennstoffe ankurbeln, um die Energiepreise niedrig zu halten. Ganz nach dem Motto: "drill, baby, drill", wie es im Wahlprogramm der Republikaner heisst. Auch Subventionen für Elektroautos will Trump bereits ab dem ersten Tag seiner Amtszeit wieder einstellen. Einfuhrzölle auf in China produzierte Elektroautos sollen bei mindestens 100% bleiben, könnten aber noch ausgeweitet werden und auch in Mexiko hergestellte Elektrofahrzeuge betreffen. Die Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) wird wohl, wie bereits in Trumps erster Amtszeit, in ihrer Tätigkeit beschränkt werden und ein deutlich geringeres Budget erhalten, was ihre Arbeit in Bezug auf Umweltstandards und Regulatorik einschränken würde. Auch die Berichterstattung börsennotierter Unternehmen zu Klimafaktoren dürfte zurückgenommen werden, was die Arbeit der Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) betrifft. Sollten die Unternehmen in der Folge eine freiwillige Berichterstattung nicht fortsetzen, wäre eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse von Investorenseite nur noch schwer durchführbar. 


Im Falle einer Wiederwahl Trumps dürften vor allem fossile Energieunternehmen von einer Abschwächung der Klimapolitik profitieren, da mit einer grosszügigeren Vergabe von Bohrgenehmigungen für Öl- und Gasprojekte, sowie einer Lockerung von Umweltauflagen zu rechnen ist. Auch die US-Automobilhersteller dürften besser dastehen, da sie weniger Restriktionen bei Emissionsgrenzwerten zu befürchten hätten und weiterhin Verbrennungsmotoren produzieren könnten. Etwas ungemütlicher könnte es für Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien werden, vor allem für jene, die auf chinesische Zulieferer angewiesen sind. Eine Aufhebung des IRA ist aber eher nicht zu erwarten. Dazu bräuchte Trump eine Mehrheit sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus, was nach aktuellen Umfragen unwahrscheinlich bleibt. Zudem fliesst ein Grossteil der IRA-Mittel bislang in republikanisch regierte Bundesstaaten, die einen Verlust von Steuergeldern und Arbeitsplätzen wohl vermeiden wollen. Unter einem Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen dürfte aber die internationale Kooperation für mehr Klimaschutz leiden, da ein zentraler Partner im Kampf um globale Emissionsreduktionen für mindestens vier Jahre ausfallen würde. Möglicherweise könnten China und andere BRICS-Staaten diese Lücke füllen und für mehr Energieunabhängigkeit, auch von fossilen Energieträgern, werben. Allerdings würden einige US-Bundesstaaten ihre eigenen Klimaschutzagenden weiterverfolgen. Speziell die Ambitionen von Staaten wie Kalifornien oder New York sollte man nicht unterschätzen. Diese dürften ihre Klimapolitik auch bei einer Wiederwahl Trumps fortführen (wie bereits während seiner ersten Amtszeit), weshalb erneuerbare Energien dort weiter auf dem Vormarsch sein dürften. Bleibt der IRA grösstenteils erhalten dürfte dies auch bundesweit gelten. Laut dem Think Tank "Carbon Brief" könnten die Emissionen der USA dadurch bis 2050 zwar leicht sinken, insgesamt würden die Klimaziele aber mit einer neuen Energiepolitik deutlich verfehlt. Global gesehen wäre das Pariser Klimaziel (+2.0°C über dem vorindustriellen Niveau, wenn möglich +1.5°C) unter einer erneuten Trump-Präsidentschaft nicht mehr erreichbar. In Zeiten zunehmender Umweltkatastrophen wäre dies ein fatales Signal.

Die Uhr tickt nicht, sie schlägt

Im Gegensatz zu ihrem Konkurrenten ist Kamala Harris keine Klimaskeptikerin und nimmt die Gefahren des Klimawandels sowie die notwendigen Veränderungen sehr ernst. Nicht zuletzt war sie 2022 die entscheidende Stimme im Senat für die Verabschiedung des IRA. Die bisherige Klimapolitik Bidens dürfte unter Kamala Harris als Präsidentin weitgehend fortgeführt werden, da sie auch als Vizepräsidentin eine Verfechterin seiner Klimapolitik war. Zudem sehen die Demokraten den Klimawandel als reale Bedrohung und nicht als möglichen Schwindel. Die Klimaziele der USA dürften daher bestätigt oder sogar noch erhöht werden, was im internationalen Kontext als deutlich positives Zeichen zu werten wäre. So warb Harris im vergangenen Jahr auf der Klimakonferenz in Dubai für ambitionierten Klimaschutz, da die Uhr nicht "tickt" sondern "schlägt". Sie erkennt damit an, dass uns die Zeit zur Eindämmung der Erderwärmung davonläuft. Die CO2-Emissionen könnten daher wie beschlossen bis 2030 um 50-52% (Basis: 2005) sinken und bis 2050 netto Null erreichen. Der IRA dürfte ein wichtiges Instrument der Politik von Harris bleiben, da die Steuergutschriften mindestens bis Ende 2032 zur Verfügung stehen. Ein Grossteil der Mittel für Unternehmen kann also noch abgerufen werden. Dennoch wird der IRA allein nicht ausreichen, um die Pariser Klimaziele vollständig zu erreichen. Weitere Anstrengungen auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene werden notwendig sein. Programme wie der IRA könnten verlängert, erweitert oder ergänzt werden. Dafür würde Harris aber eine Mehrheit in beiden Kammern, dem Repräsentantenhaus und Senat, benötigen, was aktuell nicht absehbar ist. Ob es eine parteiübergreifende (bi-partisan) Zustimmung für neue Programme gibt, ist bislang noch unsicher. Harris könnte mit ihrer Agenda aber dennoch die Energietransformation bis 2029 zementieren, da der IRA nicht rückgängig gemacht oder gross angepasst würde. Danach wäre eine Umkehr nur noch sehr schwer möglich. Zusätzliche Massnahmen dürften auf eine Stärkung der EPA abzielen, etwa durch strengere Vorschriften bezüglich sauberer Luft, Standards für mehr Energieeffizienz, und Methanemissionen. Auch Subventionen für Elektrofahrzeuge und ein Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren dürften weiter vorangetrieben werden. Ebenso die Modernisierung des Stromnetzes und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, um erneuerbare Energien auszubauen und mit Hilfe einer modernen Infrastruktur über das Land zu verteilen. Durch eine zunehmende Elektrifizierung, dem beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien sowie der Netzinfrastruktur dürfte das Stromnetz unter Harris bereits bis 2030 CO2-neutral ausgestaltet werden, Biden hatte dafür noch das Jahr 2035 angepeilt. Dennoch wäre Harris keine reine Klima-Präsidentin, so hat sie sich beispielsweise für Fracking-Gas als günstige Energiequelle ausgesprochen, was ihr Stimmen bei Wechselwählern bringen könnte. 

Mit Kamala Harris als Präsidentin dürften die USA ein verlässlicher Partner in der internationalen Klimapolitik bleiben. Vor allem auf Klimakonferenzen dürften sie weiterhin eine gewichtige Rolle spielen und sowohl China als auch Entwicklungsländer zu mehr Klimaschutz bewegen, um den Temperaturanstieg so gering wie möglich zu halten. Das +1.5°C-Ziel wird wahrscheinlich nicht mehr zu erreichen sein, dennoch sollten alle Anstrengungen unternommen werden, die Erderwärmung so weit wie möglich zu beschränken. Dazu braucht es entsprechende internationale Kooperationen und ambitionierte, umsetzbare Pläne. Mit Harris dürften Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien sowie der dafür benötigten Infrastruktur weiterhin profitieren und den Netzausbau über die nächsten Jahre begleiten. Die Steuergutschriften aus dem IRA werden dies unterstützen. Autohersteller dürften ihre Pläne betreffend Elektroautos weiter vorantreiben und sich wohl endgültig vom Verbrennungsmotor verabschieden. Durch entsprechende Zölle, die Präsident Biden bereits eingeführt hat, dürften die Hersteller vor chinesischer Konkurrenz geschützt sein. Für Unternehmen im Energiesektor wäre es wichtig, die eigene Transformation deutlich ambitionierter anzugehen. Erdgas hingegen dürfte aber auch für Harris ein wichtiger Energieträger als Ergänzung zu erneuerbaren Energien bleiben. Neue Bohrgenehmigungen und Flächenausweise könnten aber deutlich zurückhaltender vergeben werden. Sollte Harris nach vier Jahren wiedergewählt werden, hätte sie insgesamt acht Jahre zur Verfügung, um die nachhaltige Entwicklung der USA entscheidend mitzugestalten und sich gegenüber internationaler Konkurrenz zu behaupten. Die ersten vier Jahre dieser Mammutaufgabe könnten schon bald beginnen. 

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