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Wenn aus 10'000'000'000'000'000'000'000’000 Jahren fünf Minuten werden

Kurz vor Weihnachten erregte Google Aufsehen, als das Unternehmen einen Quantencomputer mit dem neuen "Willow"-Chip vorstellte und dessen Überlegenheit gegenüber klassischen Computern demonstrierte. Er führte in weniger als fünf Minuten eine Berechnung durch, für die einer der schnellsten Supercomputer zehn Quadrillionen Jahre - also 10'000'000'000'000'000'000'000’000 Jahre - benötigen würde, was das Alter des Universums bei weitem übertrifft. Dies führte zu einem Hype bei Quantum-Computing-Aktien, deren Performance Nvdia wie Intel aussehen liessen.

Datum
Autor
Chris Burger, CFA, Senior Equity Analyst LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten

Quantum Computing
© Shutterstock

Qubits können unendlich viele Zustände annehmen

Klassische Supercomputer stossen bei extrem komplexen Berechnungen an ihre Grenzen. Während klassische Computer Informationen in Bits mit zwei möglichen Zuständen (0 und 1) verarbeiten, basieren Quantencomputer auf Qubits, die Superpositionen mit unendlich vielen Zuständen (0, 1, alles dazwischen und sogar mehr als eine Möglichkeit gleichzeitig) annehmen können. Dadurch können simultan mehr Daten verarbeitet werden und die Rechenzeit für bestimmte Probleme wird drastisch verkürzt.

Verschiedene Technologien

Zurzeit werden verschiedene Qubit-Technologien verfolgt, die alle ihre Vorteile haben, aber auch vor diversen Herausforderungen stehen. Neben Supraleitenden Qubits - eine Technologie, die auf bei extrem niedrigen Temperaturen supraleitenden Schaltkreisen basiert und von Alphabet/Google, IBM, Rigetti, OQC, AWS/Amazon und DWave verfolgt wird - sind dies Ionenfallen (IonQ, Honeywell und AQT), Photonenbasierte Qubits (Xanadu und PsiQuantum), Quantenpunkte (Intel und SQC) und Neutralatom-Qubits (Pasqal, Atom Computing und I QuEra). Alle haben das Potential die Quanten-Computing-Landschaft zu revolutionieren. Auch wenn zurzeit supraleitente Qubits in den Schlagzeilen stehen, ist heute jedoch noch nicht klar, welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird. Dementsprechend sind Investitionen, insbesondere in Start-Ups, mit hohen Risiken verbunden.

Fehleranfälligkeit als eine der grössten Herausforderungen

Quantencomputer sind von Natur aus störungsanfällig. Kurze Koheränzzeiten und Rauschen führen dazu, dass Qubits ihre Information verlieren, denn ihre Stabilität kann leicht durch äussere und innere Einflüsse wie Strahlung, Lärm, Energie etc. gestört werden. So müssen zum Beispiel supraleitende Qubits auf extrem niedrige Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von rund -273°C gekühlt werden. Eine zuverlässige Fehlerkorrektur ist folglich der entscheidende Faktor für eine praktische Nutzung von Quantencomputern.

Google konnte Fehlerrate exponentiell reduzieren

Noch wichtiger als die Rechenleistung ist also Googles Fortschritt bei der Fehlerkorrektur. Bislang galt nämlich der fatale Umstand, dass mit der Anzahl der verwendeten Qubits auch die Fehlerhäufigkeit anstieg. Google gelang es nun mehrere physikalische Qubits zu einem logischen Qubit zusammenzufassen, das seltener Fehler macht als seine Bestandteile, und konnte so die Fehlerrate exponentiell reduzieren. Dadurch erreicht der Chip höhere Rechenstabilität, mehr Skalierbarkeit und präzisere Ergebnisse, was den praktischen Einsatz von Quantencomputern im realen Umfeld deutlich näherbringt.

Anwendungen in Bereichen, in denen Supercomputer an ihre Grenzen stossen

Ein Quantencomputer eignet sich für komplexe Berechnungen wie Optimierungsaufgaben bei denen traditionelle Supercomputer an ihre Grenzen stossen. Mögliche Anwendungsbereiche sind:

  • Industrie und Logistik: Optimierungsprobleme wie Routenplanung, Lieferkettenoptimierung oder Energieverteilung könnten erheblich verbessert werden.
  • Forschung und Medizin: Simulationen von Molekülen und chemischen Prozessen könnten massiv beschleunigt werden, was die schnellere Entwicklung neuer Materialien, Medikamente oder Impfstoffe sowie Diagnoseverfahren erlauben würde.
  • Künstliche Intelligenz: Muster in grossen Datensätzen könnten rascher erkannt und komplexere Lernprozesse unterstützt werden.
  • Kryptografie und Cybersecurity: Quantencomputer machen bestehende Verschlüsselungsmethoden angreifbar, zugleich ermöglichen sie aber auch neue quantensichere Sicherheitsprotokolle.
  • Nachhaltigkeit und Klimawandel: Quantencomputer ermöglichen präzisere Klimasimulationen und Optimierungen von Energie- und Ressourcennutzung.

Wir denken jedoch, dass Quantencomputer nicht alles schneller machen werden. Ein Quantencomputer eignet sich nicht für normale Aufgaben wie die Nutzung des Internets, Büroarbeiten oder E-Mails, sondern für einige sehr komplexe Berechnungen und Optimierungen, die derzeit für traditionelle Computer nicht lösbar sind. In Zukunft können hybride Systeme entwickelt werden, in denen klassische Hochleistungsrechner mit Quantenprozessoren kombiniert werden. Mit dem Willow-Quantenchip ist man zwar realen Anwendungen einen weiteren Schritt nähergekommen, die kommerzielle Umsetzung könnte jedoch noch Jahre auf sich warten lassen. Dementsprechend werden wir Quantencomputer noch nicht so bald unter dem Weihnachtsbaum finden.

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