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Market View & Insights
Nicht von sich ausgehen: Warum kulturelle Sensitivität für den Erfolg entscheidend ist.
Der Unternehmer Thomas Huber aus Zürich stellt Möbel her. Diese produziert er nach Entwürfen in Asien. Soeben hat er einen interessanten Kontakt mit einem indonesischen Produzenten geknüpft. Er beschliesst, dorthin zu fliegen, um die erfolgsversprechende Zusammenarbeit zu regeln. Im Unternehmen wird er von Wayan, dem Inhaber, begrüsst. Dieser zeigt ihm stolz die Produktion und stellt ihn allen Mitarbeitenden vor. Wayan fragt Thomas Huber nach seinem Wohlbefinden, seiner Familie und seinem Werdegang. Thomas Huber wird langsam nervös, denn er möchte zum Abschluss kommen. So beginnt er während des Rundganges zu erklären, wie er sich die Geschäftsbeziehung vorstellt. Wayan nickt, erwidert aber nichts. Als Thomas Huber Forderungen zur Lieferzeit anbringt, sagt Wayan etwas zu seinem Stellvertreter und verlässt die Gruppe. Dieser lässt Thomas Huber wissen, dass Wayan dringend wegmusste. Thomas Huber fliegt verärgert zurück nach Zürich. Erreicht hat er nichts.
Um diese Situation nachzuvollziehen, ist es wichtig, den «Grundmechanismus» der Kultur zu beachten. Denn Kultur beeinflusst massgeblich alles, was wir denken und tun.
Kultur beschreibt die erlernten und geteilten Werte, Glaubenssätze und Normen einer Gruppe interagierender Menschen, die sich in charakteristischen Verhaltensmustern äussern.
Wir alle sind auf eine bestimmte Weise sozialisiert. Unsere verinnerlichten Werte und Normen beeinflussen unbewusst unsere Wahrnehmung, unsere Verhaltens-, Denk- und Kommunikationsweise. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Sozialisierung nehmen Involvierte aus verschiedenen Kulturkreisen dieselbe Situation unterschiedlich wahr. Solange wir uns in unserem eigenen Kulturkreis bewegen, wissen wir, wie die Welt tickt. Treffen wir auf jemanden, der anders sozialisiert ist, funktionieren die gewohnten Ansätze nicht mehr. In dieser Überschneidungssituation liegt das Potenzial zum Erfolg.
Solange wir uns im eigenen Kulturkreis bewegen, befinden wir uns in unserer Komfortzone. Involvierte aus verschiedenen Kulturkreisen hingegen nehmen die genau gleiche Situation basierend auf ihrer Sozialisierung unterschiedlich wahr und handeln basierend darauf anders. Um in diesen Situationen erfolgreich zu sein, müssen wir beginnen, uns aktiv mit der eigenen kulturellen Prägung und derjenigen des Geschäftspartners auseinanderzusetzen.
Aufgrund seiner kulturellen Prägung ist es für den Schweizer grundsätzlich normal, Dinge direkt anzusprechen, um zu einem Resultat zu gelangen. Er kommt aus einer aufgabenorientierten Kultur. Stundenlang in der Produktionshalle herumgeführt zu werden, empfindet er als störend und ineffizient. Demgegenüber gehört Wayan einer beziehungsorientierten Kultur an. Besteht keine Vertrauensbasis, wird kaum ein Geschäft getätigt. Hinzu kommt, dass Wayans Kultur hierarchisch gegliedert ist: Status und Privilegien sind zentral, Menschen definieren sich über ihre hierarchischen Rollen im Unternehmen und in der Familie. In Thomas Hubers Kulturkreis hingegen begegnet man Mitarbeitenden auf Augenhöhe. Dass Thomas Huber seine Ideen in der Produktionshalle vor allen Mitarbeitenden anspricht, ist aus Wayans Perspektive respektlos und unterwandert sein Ansehen. Er verliert sein Gesicht. Damit prallen zwei Welten aufeinander.
Schenkt man dem kulturellen Hintergrund des Gegenübers keine Aufmerksamkeit, vergibt man vielversprechende Businesschancen. Das kann zu massiven finanziellen Verlusten führen. So arbeiteten beispielsweise russische, deutsche und französische Konstrukteure an einem neuen Typ Frachtflugzeug. Das Projekt scheiterte, weil unter anderem den kulturellen Unterschieden zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Der finanzielle Verlust belief sich auf rund 50 Mio. Euro. Dasselbe geschah, als beispielsweise ein Schweizer Unternehmen, das bis dahin teamorientiert und eher demokratisch funktionierte, von einem deutschen Grosskonzern übernommen wurde. Dieser war sehr hierarchisch organisiert und führte in seiner neuen Tochtergesellschaft einheitliche Prozesse ein. Entscheidungen werden top-down getroffen. Das führte bei der einst sehr rentablen Schweizer Tochterfirma zu starken Umsatzrückgängen.
Es ist menschlich, zunächst davon auszugehen, dass sich das Gegenüber ähnlich verhält. Doch im globalen Umfeld kann dieser Ansatz zum Hindernis werden. Auch die digitalisierte Welt ändert daran nichts. Die Digitalisierung bringt wohl neue Kommunikationsmöglichkeiten, doch geht über diese Kanäle der Kontext oftmals verloren. Dadurch gewinnt die Auseinandersetzung mit den kulturellen Aspekten einer Interaktion zusätzlich an Bedeutung. Daher muss man mit unterschiedlichen Kulturen bewusst und aktiv arbeiten. Das ist nichts Naturgegebenes, weil das «Fremde» uns in unserer eigenen kulturellen Identität herausfordert.
Effizientes, kulturübergreifendes Arbeiten erfordert interkulturelle Kompetenz. Darunter versteht man die Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Kulturen wertschätzend, achtsam und reflektiert interagieren und kommunizieren zu können. Viele meinen, weil sie international arbeiten, seien sie interkulturell kompetent. Das ist weit gefehlt. Internationale Erfahrung ist wertvoll, reicht aber nicht aus. Denn interkulturelle Kompetenz erfordert ein Zusammenspiel von Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten und ist ein lebenslanger Entwicklungsprozess.
Was hätten Thomas Huber und Wayan tun können, um diese vielsprechende Chance in eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung umzuwandeln?
Wirksames kulturübergreifendes Arbeiten kann man nicht delegieren. Auch Tipps und Tricks allein – sogenannte "Dos and dont’s" – bewirken wenig. Wer die Ressource Kultur nachhaltig nutzen möchte, um innovativer und erfolgreicher zu werden, muss die eigene interkulturelle Kompetenz entwickeln. Das bedeutet: sich auf einen langfristigen Prozess einlassen und bei sich selbst beginnen.
Dr. Christa Uehlinger ist Inhaberin von christa uehlinger linking people und Dozentin für interkulturelle Kommunikation. Nach ihrer Promotion in Rechtswissenschaften arbeitete sie über zehn Jahre in global tätigen Unternehmen in verschiedenen Branchen. Danach studierte sie interkulturelle Kommunikation am Intercultural Communication Institute in den USA. Ihre Neugier, andere Kulturen und Menschen kennenzulernen, führte sie nach Europa, in die USA, nach Kanada, Australien, Afrika und Asien.
Die LGT hat sich von einer kleinen Regionalbank zu einer internationalen Privatbank mit über 3600 Mitarbeitenden an mehr als 20 Standorten in Europa, Asien, Amerika und dem Mittleren Osten entwickelt. Interkulturelle Kommunikation und Kompetenzen unter Mitarbeitenden und gegenüber Kunden sind bei der LGT daher zentral.