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Nachhaltigkeit

Prinz Max von und zu Liechtenstein: "Wir brauchen eine ganzheitliche Perspektive"

S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein, Chairman LGT, über Werte, seine Einschätzung nachhaltiger Anlagen und mehr Transparenz. 
 

Datum
Autor
Flurina Ammann
Lesezeit
10 Minuten

Prinz Max vor einem Wald
"Die besten Unternehmen werden die Megatrends nutzen und sich nach ihnen ausrichten. Andere werden sie nicht erkennen und Chancen verpassen", so S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein, Chairman LGT. © Roland Korner

Nachhaltiges Denken und Handeln haben seit jeher einen hohen Stellenwert für die Fürstliche Familie. Aus welchen Gründen?
S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein: Unser Familienerbe hat uns sicherlich beeinflusst. Ein Grossteil dessen, was wir als Familie heute wertschätzen, ist das Ergebnis ganzheitlich orientierter, langfristig ausgerichteter Überlegungen und Massnahmen unserer Vorfahrinnen und Vorfahren. Langlebige Werte zu schaffen und zu erhalten sowie generationenübergreifende Beziehungen aufzubauen hat sich in meiner Familie bewährt – und ist daher tief in unserer DNA verankert. Aus diesem Grund ist uns auch daran gelegen, dass diese Werte in unseren Unternehmen gepflegt werden. Viele der dringlichsten globalen Probleme sind auf kurzfristiges Denken und Egoismus zurückzuführen. Daher sind wir der festen Überzeugung, dass das geschäftliche und politische Vorgehen und Verhalten, aber auch der private Konsum sehr viel holistischer und langfristiger ausgerichtet werden müssen.

Die Finanzbranche kann in bedeutendem Ausmass zum Klimaschutz beitragen - beispielsweise durch die Umleitung von Kapitalflüssen oder eine direkte Einflussnahme bei Unternehmen. Welche Veränderungen sehen Sie auf diesem Gebiet?
Derzeit gewinnt die Einsicht an Boden, dass unser historischer Ansatz in Business, Politik und Konsum zu begrenzt war. Und dass langfristige Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft vernachlässigt wurden.

Dies hat zu Verhaltensweisen geführt, die enorme Umweltschäden, Staatsverschuldungen und Polarisierungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene nach sich gezogen haben. Im Geschäftsleben dominierte in den letzten 40 Jahren einzig und allein die Maximierung des Shareholder Value - häufig mit einer sehr kurzfristigen Ausrichtung. Diese Einstellung ist nicht nur einer der Gründe für die massiven aktuellen Herausforderungen auf Umwelt- und Gesellschaftsebene, sondern auch ein Auslöser für ein heute weit verbreitetes und ziemlich schädliches egoistisches Gedankengut.

Die Finanzbranche scheint zum Glück langsam aus Fehlern zu lernen, sodass ich nun öfters einen holistischeren Anlageansatz beobachte, der Unternehmen auch anhand ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt beurteilt. Wir glauben an diesen holistischen Ansatz, da wir uns sicher sind, dass er langfristig eine höhere Wertschöpfung erzielt. Diese Überzeugung ist angesichts der enormen weltweiten Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, nicht länger eine reine Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern auch eine Frage der Moral.

Welche Entwicklungen erwarten Sie künftig und wo sollten Ihrer Meinung nach Finanzinstitute sowie Anlegerinnen und Anleger beim Klimaschutz ansetzen?
Wenn wir unseren Kampf gegen den Klimawandel gewinnen wollen, müssen wir zwei Aufgaben bewältigen: 

  1. Erstens müssen wir unsere Volkswirtschaften so weit dekarbonisieren wie irgend möglich.
  2. Zweitens müssen wir die natürlichen Kohlenstoffsenken unseres Planeten erhalten und wiederherstellen. Diese Senken sind in unsere Meeres- und Landökosysteme eingebettet; ihre Anzahl ist jedoch rückläufig.

Wie können Banken, aber auch Anlegerinnen und Anleger etwas bewirken?
Es gibt vier grosse Hebelpunkte, an denen sie aktiv ansetzen können:

  • Wir müssen überdurchschnittlich effiziente Technologien und Geschäftsmodelle skalieren. Zu diesem Zweck haben wir Lightrock gegründet. Auf Impact bedachte Anlagen in Venture- und Wachstumskapital sind ein äusserst wichtiger Vektor für den Fortschritt. 
  • Wenn wir in reife Unternehmen investieren, müssen wir im Stewardship aktiv werden und die betreffenden Firmen zur Dekarbonisierung sowie zur Entwicklung und Umsetzung eines nachhaltigeren Geschäftsmodells bewegen.
  • Auch müssen wir unseren Konsum und unsere Ressourcennutzung nachhaltiger ausrichten - dies gilt für Private genauso wie für Firmen.
  • Wir müssen uns für die Einführung wirksamerer politischer Strategien und Massnahmen auf nationaler und globaler Ebene einsetzen, indem wir vermehrt politisch aktiv werden. Es gehört zu den Grundverantwortungen einer jeden Regierung, Vorschriften und Regelungen zu erlassen, die das nachhaltige Wohlergehen ihrer Bürgerinnen und Bürger fördern. Hier gibt es noch viel zu tun. Zu glauben, dass wir den notwendigen Wandel unserer Volkswirtschaften ohne entsprechende politische Unterstützung vollziehen können, ist schlicht und einfach naiv.

Prinz Max in einem Sitzungszimmer
"Zu viel Perfektion ist die Feindin des Fortschritts." © Roland Korner

Häufig hört man, dass nachhaltige Anlagen nicht ausreichend quantifizierbar oder zu wenig transparent seien. Was ist Ihre Meinung?
Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt. Sie ist aber auch gefährlich, da sie als Vorwand dient, den alten Modus operandi beizubehalten, der sich nicht bewährt hat. Wer übermässig auf Perfektion bedacht ist, verpasst nicht selten den Fortschritt. Es gibt Kennzahlen zu nachhaltigen Anlagen, und selbst wenn diese noch nicht perfekt transparent sind, reicht das vorhandene Wissen meiner Meinung nach aus, um sich sehr wirksam zu engagieren. Auch begrüsse ich eine umfassendere Standardisierung bei der Evaluation der Auswirkungen von Unternehmen auf die Gesellschaft und die Umwelt - wobei ich mir allerdings bewusst bin, dass es nie ein perfektes Messverfahren geben wird.

Das Problem bei der Messung und Evaluation beschränkt sich nicht auf die Auswirkungen - es existiert auch im Risikobereich: Moody’s und S&P tun sich oft schwer, das Risikoprofil von Unternehmen und festverzinslichen Wertpapieren zu beurteilen. Zwar wissen wir alle, dass Ratingagenturen sich manchmal täuschen können, doch wir haben gelernt, dass ihre Risikobeurteilungen hilfreich sind und unsere Kapitalallokationsprozesse verbessern. Ich hoffe, dass wir uns alle in Bälde darauf einigen werden, dass nachvollziehbare Beurteilungen der Auswirkungen von Unternehmen dazu beitragen, unsere Kapitalallokationsprozesse nachhaltiger zu gestalten.

Ein konsistent nachhaltiger Ansatz ist eine Herausforderung für jedes Unternehmen. Wie geht die LGT mit diesem Aspekt um?
Die Neuausrichtung eines Unternehmens auf einen Megatrend ist sowohl mit Chancen als auch mit Risiken verbunden. Die besten Unternehmen wissen Megatrends zu nutzen und verstehen es, von den positiven Effekten solcher Trends zu profitieren. Andere übersehen Megatrends und verpassen Chancen. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die sich gegen einen Megatrend sträuben. Kurzfristig kann diese Haltung Erfolg haben, doch langfristig ist sie in den meisten Fällen ein Fehlschlag.

Hier bei der LGT haben wir uns ganz selbstverständlich schon früh auf den Megatrend Nachhaltigkeit ausgerichtet, da wir uns auf die langfristige und ganzheitliche Perspektive unserer Geschäftstätigkeit fokussieren. So haben wir im Jahr 2010 einen gruppenweiten Nachhaltigkeitsausschuss ins Leben gerufen, nachdem wir bereits einige ganz gezielte Initiativen lanciert hatten - die wir im Anschluss erfolgreich skaliert und verfeinert haben. 2007 gründete ich die LGT Venture Philanthropy, wodurch es 2009 zu unserem ersten Impact Investment kam. Das entsprechende, auf der LGT Venture Philanthropy beruhende Portfolio bildete dann die Grundlage für Lightrock. Lightrock und LGT Venture Philanthropy sind weiterhin sehr wirksame Initiativen, die einen nahezu einzigartigen Zugang zu Anlagen und ebensolchen Erkenntnissen bieten. Parallel haben wir nach und nach alle unsere grösseren Leistungen auf Impact ausgerichtet.

Das Streben nach einem möglichst umfassenden Impact erschöpft sich natürlich nie, da immer modernere Technologien und Lösungen zur Verfügung stehen. Und wir selbst laufend dazulernen und neue Einsichten gewinnen.

Entrepreneurs aus Tradition

Die Fürstenfamilie von Liechtenstein, Eigentümerin der LGT, ist seit Jahrhunderten erfolgreich unternehmerisch tätig. Neben Unternehmertum ist deshalb auch nachhaltiges Denken und Handeln fest in der DNA der LGT verankert. Dazu gehört auch das Engagement bei Lightrock, einem Pionier des Impact Investing. Impact Investorinnen und Investoren berücksichtigen bei der Auswahl von Wertpapieren und der Verwaltung ihrer Portfolios sowohl finanzielle Faktoren als auch soziale und ökologische Aspekte.

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