The Strategist

Eine Billion US-Dollar

Nach einer hitzigen Debatte haben sich die Wogen um die Schuldenobergrenze in den USA geglättet. Die Anleger richten ihre Aufmerksamkeit auf andere Themen und scheinen sich kaum dafür zu interessieren, dass das Thema in den nächsten 18 bis 24 Monaten wieder aufkommen wird. In den kommenden Jahren wird die US-Staatsverschuldung von derzeit über 32.5 Billionen US-Dollar auf rund 40 Billionen US-Dollar ansteigen.

Datum
Autor
Thomas Wille
Lesezeit
10 Minuten

US-Dollar
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Trotz der steigenden Verschuldung hat die US-Notenbank (Fed) die Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte auf 5.25% bis 5.50% angehoben. Die gesamte US-Zinskurve (1 bis 30 Jahre) liegt zwischen 3.95% (10 Jahre) und 5.08% (1 Jahr). Von einem Tiefzinsumfeld sind wir damit meilenweit entfernt und die Refinanzierung der oben erwähnten 32.5 Billionen US-Dollar wird immer teurer. Der Schuldendienst ist in den letzten 12 bis 18 Monaten aufgrund des höheren Zinsumfelds stark angestiegen. Laut der «St. Louis Fed» beläuft er sich bereits auf 969 Milliarden US-Dollar (Q2 2023) und dürfte in diesem Quartal erstmals die Marke von einer Billion US-Dollar überschreiten.

Absolut versus relativ

Der absolute Betrag, den die USA pro Jahr an Zinsen zahlen müssen, ist auf den ersten Blick gigantisch, vor allem wenn man ihn in Relation zu etwas «Greifbarem» setzt. Der längste Tunnel der Welt, der Schweizer Gotthard-Basistunnel mit einer Länge von 57 km, hat fast 15 Milliarden US-Dollar gekostet. Im Vergleich dazu sind die jährlichen Zinszahlungen für die US-Staatsschulden 65-mal so hoch. Ist aber der Vergleich mit einem Eisenbahntunnel in den Alpen überhaupt sinnvoll?

Aus meiner Sicht wäre es unprofessionell, die US-Zinszahlungen nicht relativ zu betrachten und mit etwas Sinnvollem zu vergleichen. Oft wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) zur Analyse herangezogen. Setzt man den Betrag der US-Zinszahlungen in Relation zum US-BIP, kommt man nicht einmal auf 4% der US-Wirtschaftsleistung. Historisch betrachtet hatten wir in den 80er Jahren mit 5% höhere Werte.

Erfahrungsgemäss ist ein Vergleich mit den Gesamtausgaben der Regierung sinnvoller, das heisst den Anteil des Schuldendienstes an den gesamten Haushaltsausgaben zu betrachten. Dieser beträgt mit den letzten Zahlen zwar nur 15%, ist aber im Vergleich zu vor der Pandemie um über 50% gestiegen. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre erreichte dieser Anteil mit 22% seinen Höchststand. Bei den heutigen Verhältnissen dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Werte wieder erreicht werden.

Mittel- bis langfristige Implikationen

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass die US-Regierung über ihre Verhältnisse lebt. Ich bin mir sicher, dass im US-Wahlkampf 2024 das Thema Schulden und Zinszahlungen eine wichtige Rolle spielen wird. Die Diskussion um den US-Dollar als Weltreservewährung macht es den USA nicht leichter, ihre Defizite zu finanzieren. Es ist durchaus möglich, dass insbesondere internationale Investoren in Zukunft höhere Renditen für ihr Engagement in US-Staatsanleihen erwarten. In einem Umfeld, in dem der US-Dollar kaufkraftbereinigt teuer bleibt und sich die Verschuldungssituation der USA in den kommenden Jahren nicht verbessern dürfte, wird der Greenback mittel- bis langfristig eher schwächer tendieren. 

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