The Strategist

Von einem wirtschaftlichen Dreamteam zu einem politischen Projekt: Die Reise von BRIC zu BRICS+

Seit seiner Einführung im Jahr 2001 steht das Akronym BRIC - Brasilien, Russland, Indien und China - für den wachsenden wirtschaftlichen und politischen Einfluss der grossen Schwellenländer. Der von Jim O'Neill geprägte Begriff unterstrich das Potenzial dieser Länder, die Weltpolitik neu zu gestalten. Diese Vorstellung wurde durch spätere Studien untermauert, die voraussagten, dass die BRIC-Volkswirtschaften die etablierten westlichen Wirtschaften überholen könnten. Diese Gruppe, die 2010 um Südafrika zu den BRICS erweitert wurde, symbolisierte nicht nur ein wirtschaftliches Versprechen, sondern auch eine politische Herausforderung für die vom Westen dominierte Weltordnung. Die kontinuierliche Entwicklung dieser Gruppe, die durch ihre Erweiterung zu BRICS+ mit neuen Mitgliedern wie Ägypten und Saudi-Arabien unterstrichen wird, stellt eine strategische Wende zur Förderung einer multipolaren Welt dar, in der die aufstrebenden Volkswirtschaften eine stärkere Stimme in den internationalen Foren erhalten, die traditionell von den westlichen Mächten dominiert werden.

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Autor
Sebastian Petric, LGT Senior FX Strategist
Lesezeit
10 Minuten
BRICS
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Brasilien, Russland, Indien und China bilden das Akronym BRIC, ein Begriff, der 2001 von Jim O'Neill in einem Forschungsbericht von Goldman Sachs geprägt wurde. Die Auswirkungen des Forschungsberichts waren in der Tat enorm, da der Begriff "BRIC" in vielerlei Hinsicht mit den wichtigsten Schwellenländern in Verbindung gebracht wurde. Der Bericht wies insbesondere auf die weltwirtschaftlichen Auswirkungen des Aufstiegs Chinas hin und riet den G7-Staaten (Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Grossbritannien und den USA), der wachsenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der BRIC-Staaten Rechnung zu tragen. Die globale wirtschaftspolitische Koordinierung sollte sich Anfang der 2000er Jahre grundlegend ändern.

Der Aufstieg der BRIC-Staaten

Im Jahr 2003 wurde in einem Forschungsbericht von Dominic Wilson und Roopa Purushothaman von Goldman Sachs die erste langfristige Prognose für die BRIC-Staaten veröffentlicht. Der Bericht prognostizierte, dass die BRIC-Länder die fortgeschrittenen Volkswirtschaften in den kommenden Jahrzehnten überholen würden. Die beiden Forscher stützten ihre Prognosen auf demographische Vorhersagen und ein Modell der Kapitalakkumulation und des Produktivitätswachstums. Allerdings gab es einen Vorbehalt: Die entscheidende Annahme für ihre Prognosen war, dass die BRIC-Länder ihre wachstumsfördernde Politik fortsetzen und Institutionen aufbauen würden, die diese Politik unterstützen.

Natürlich sind langfristige Prognosen mit grossen Unsicherheiten behaftet. So haben sich beispielsweise Vorhersagen, dass die Volkswirtschaften der Union Sozialistischer Sowjetrepubliken (UDSSR) die USA überholen würden, als völlig falsch erwiesen. Dennoch haben die Schwellenländer im Zuge ihrer Entwicklung das Potenzial, durch eine relativ schnelle Kapitalakkumulation und den Einsatz bereits vorhandener Technologien zu den fortgeschritteneren Volkswirtschaften aufzuschliessen.

Von BRIC zu BRICS und weiter

Ursprünglich war kein Land des afrikanischen Kontinents im Akronym BRIC enthalten. Wilson und Purushothaman (2003) stellten in ihrer Forschungsstudie fest, dass Südafrika ausgeschlossen wurde, weil das Land im Vergleich zu den anderen BRIC-Volkswirtschaften als viel kleiner eingeschätzt wurde. Erst 2010, als China Südafrika einlud, sich den BRIC-Ländern anzuschliessen, wurde die Abkürzung BRICS gebildet.

Einige Jahre später veröffentlichten O'Neill et al. (2005) einen Bericht, in dem sie elf weitere Entwicklungsländer mit hohem Potenzial für eine wichtige Rolle in der Weltwirtschaft identifizierten: Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Korea, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Türkei und Vietnam. Wie bereits erwähnt, geht es bei der Geschichte der Schwellenländer nicht nur um den erfolgreichen Wachstumspfad dieser Nationen, sondern auch um ihre Fähigkeit, die grossen Volkswirtschaften hinsichtlich ihres Einflusses auf der Weltbühne herauszufordern.

Das wichtigste Auswahlkriterium für die so genannten "N-11" war, dass sie eine relativ grosse Bevölkerung haben und in der Lage sind, ihr Potenzial in eine Erfolgsgeschichte umzuwandeln. Darüber hinaus handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Ländern, die regional unterschiedlich stark vertreten sind, sich in unterschiedlichen Stadien der Wirtschafts- und Kapitalmarktentwicklung befinden und unterschiedliche Erfahrungen mit der Integration in die Weltpolitik und Weltwirtschaft haben.

BRICS+, eine neue politische Dimension

In einer Ankündigung von 2023 haben die BRICS angekündigt, ihre Mitgliedschaft zu erweitern und ab Anfang nächsten Jahres mehrere neue Länder in ihren Kreis aufzunehmen. Zu den Neulingen gehören zunächst Argentinien (das später aber seine Kandidatur für BRICS+ zurückzog), Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Auf dem BRICS-Gipfel in Johannesburg wurde die wirtschaftliche Macht der fünf derzeitigen Mitglieder deutlich, die nun ein Viertel der Weltwirtschaft und einen beträchtlichen Anteil am globalen BIP in Kaufkraftparitäten repräsentieren. Die Gruppe ist bestrebt, die vom Westen dominierte geopolitische Landschaft herauszufordern und eine Plattform zu schaffen, auf der die Interessen der Entwicklungsländer auf der internationalen Bühne besser vertreten werden.

Einer der Hauptgründe für diese Expansion ist die Wahrnehmung der Schwellenländer, dass sie in globalen Institutionen wie dem IWF, der Weltbank und vor allem dem UN-Sicherheitsrat, in dem Afrika und der Nahe Osten keine ständigen Mitglieder haben, unterrepräsentiert sind. Vor allem Russland und China forderten eine Abkehr von einer unipolaren Welt unter Führung der USA hin zu einer multipolaren Welt, die die Gleichberechtigung der Nationen betont.

Trotz der unterschiedlichen Standpunkte betonte Südafrika als Gastgeber des BRICS-Gipfels, dass BRICS+ dem Westen nicht feindlich gegenüberstehe, sondern sich den Veränderungen der Zeit anpassen wolle. Angesichts der zunehmenden Polarisierung, die nicht nur durch jüngste Ereignisse wie Russlands Einmarsch in die Ukraine, sondern auch durch die seit langem bestehenden Handelskonflikte zwischen den USA und China sowie durch Chinas selbstbewusstes Auftreten in Südostasien ausgelöst wurde, versucht die Gruppe, einen neuen Blick auf das globale Machtgefüge zu werfen.

Die Aufnahme des Irans und der Vereinigten Arabischen Emirate in die BRICS+ verleiht der wirtschaftlichen Institution angesichts ihrer Rolle in der OPEC+ eine zusätzliche politische Dimension. Damit erhöht sich der Einfluss der Gruppe auf wichtige Rohstoffe. Russland mit seinen historischen Beziehungen zum Nahen Osten und Chinas wachsendes Engagement in der Region fungieren als Vermittler und Machtbroker.

Die Entwicklung der BRICS+ stellt eine einzigartige Herausforderung und Chance für Länder dar, die sich in der Mitte zwischen mächtigen Nationen befinden. Die Welt beobachtet, wie diese Dynamik die Zukunft der globalen Geopolitik und der Wirtschaftsbündnisse gestaltet, da die BRICS+ bereit sind, eine grössere Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen. Während die USA die BRICS als geopolitische Rivalen herunterspielen, erkennen sie an, wie wichtig es ist, positive Beziehungen zu den wichtigsten BRICS-Ländern zu unterhalten und sich gleichzeitig den Herausforderungen durch Russland und China zu stellen.

Seit dem 1. Januar 2024 hat BRICS+ fünf neue Mitgliedstaaten aufgenommen: Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate. Ziel der Gruppe ist es, die westliche Dominanz herauszufordern und die Interessen der Entwicklungsländer auf der Weltbühne besser zu vertreten. Zweifellos wird der Westen die Ansichten dieser aufstrebenden Mächte berücksichtigen und sich in ihre Lage versetzen müssen.


Literaturhinweise

O’Neill, J. (2001). "Building Better Global Economic BRICs", Goldman Sachs Global Economics Paper, 30. November.

O’Neill, J., Wilson, D., Purushothaman, R., & Stupnytska, A. (2005). "How Solid are the BRICs?" Goldman Sachs Global Economics Paper, 1. Dezember.

South African Government (2010). "Minister Nkoana-Mashabane on South Africa’s full membership of BRICS" [online], 24 December, available at: https://www.gov.za/minister-nkoana-mashabane-south-africa%E2%80%99s-full-membership-brics [accessed: May 2024].

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