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Finanzmärkte

Rohstoffhandel unter der Lupe Die erste Anlageklasse aller Zeiten

Vor der Entwicklung und dem Ausbau unserer heutigen globalen Verkehrsnetze wurden nur die kostbarsten Rohstoffe "en gros" gehandelt. Heutzutage befasst sich der Rohstoffhandel mit einer breiten Palette von Gütern - von Getreide und Gold bis hin zu Erdöl und Erdgas.

Datum
Autor
Maggie Elliott, Gastautorin
Lesezeit
4 Minuten

Eine fotografische Komposition aus Mais, Bohnen, Kaffee und Gold
Vom Wetter bis zur Geopolitik: Der Preis von Mais, Gold und anderen Rohstoffen hängt von einer Vielzahl politischer, regulatorischer und marktspezifischer Faktoren ab.

Bei Rohstoffen oder Commodities handelt es sich um Rohmaterialien, die beispielsweise bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Treibstoffen, Möbeln und Kleidungsstücken verwendet werden. Sie werden in grossen Mengeneinheiten gehandelt und lassen sich unabhängig von ihrer Bezugsquelle gegen andere Rohstoffe derselben Art und Güte austauschen. So sind z. B. alle Körner von Chicago-Weizen oder Soft Red Winterweizen identisch und das sogenannte Westen-Spruce-Fichtenholz bezeichnet Hölzer, die sich in wesentlichen Kriterien gleichen. Konsumentinnen und Konsumenten erwerben Weizen oder Fichtenholz nur selten direkt. Abnehmer sind vielmehr die Unternehmen, die Backwaren oder Möbel herstellen. Häufig versorgen sie sich über Rohstoffbörsen.

Im Rohstoffhandel geht es grundsätzlich um Angebot und Nachfrage: Ist das Angebot knapp, steigen die Preise; Preisanstiege können wiederum die Nachfrage bremsen. Rohstoffbörsen ermöglichen es den Herstellern, ihren aktuellen und zukünftigen Rohstoffbedarf zu steuern. Wer umgehende Lieferungen benötigt, kauft zum Kassapreis oder Spot Price; wer die Lieferung zu einem späteren Datum benötigt, zum entsprechenden Terminpreis oder Future Price.

Lagergesteuertes Angebot

Eine Person mit einem geflochtenen Sonnenhut erntet Reis in einem Reisfeld
Quittungen für zukünftige Reislieferungen im Japan des 17. Jahrhunderts waren die ersten Termingeschäfte. © istock/ti-ja

Der Rohstoffhandel begann etwa 8500 bis 9000 v. Chr. mit dem Austausch von landwirtschaftlichen GĂĽtern zwischen verschiedenen Gemeinschaften. Wetter- oder kriegsbedingte Preisschwankungen waren an der Tagesordnung und sorgten dafĂĽr, das das Angebot und somit auch die Preise schliesslich durch Lagerung stabilisiert wurden.

Dies gab den Anstoss für die Entwicklung der ersten Termingeschäfte (Forward-Kontrakte). Sie wurden wahrscheinlich im 17. Jahrhundert in Japan erfunden: Käufer zahlten im Voraus für Reislieferungen. Der Reis wurde für den späteren Konsum in Lagerhäusen aufbewahrt, sodass ein ganzjähriges Angebot bestand. Die Händler verkauften Quittungen für zukünftige Lieferungen des eingelagerten Reises. Diese Quittungen wurden wie eine informelle Währung verwendet; sie sind ein Vorläufer unserer heutigen Futures.

Handelsimperien

Knappe Rohstoffe spielten eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Handelsimperien. Gold und Silber, GewĂĽrze, Tee, Kaffee und Kakao wurden zwischen Asien und Europa gehandelt. Immer bessere Verkehrsverbindungen erleichterten diesen Handel entlang der GewĂĽrz- und der Seidenstrasse zu Land und zu Wasser. Von jeher waren die Transportkosten ein erhebliches Problem, bis das Aufkommen der Eisenbahnen und der industriellen Schifffahrt im 19. Jahrhundert eine Wende brachte und die Kosten fĂĽr den Warentransport ĂĽber grosse Entfernungen senkte.

Die Fassade eines beflaggten Gebäudes in einer Grossstadt
Chicago: Dank der Anbindung an das Kanal- und Eisenbahnnetz zwischen den Great Lakes und dem Mississippi entstand hier der erste moderne Futures-Markt. © Stefan Falke/laif

Dennoch beschränkte sich der Rohstoffhandel grösstenteils auf landwirtschaftliche Güter und lokale Gemeinschaften - bis zur Eröffnung des Chicago Board of Trade (CBOT) im Jahr 1848. Chicago war dank einer Anbindung an das Kanal- und Eisenbahnnetz zwischen den Great Lakes und dem Mississippi ein zentraler Knotenpunkt für den Agrarhandel. Daher war es sinnvoll, hier eine zentrale Getreidebörse zu errichten, von der sowohl die Bäuerinnen und Bauern als auch die Käuferinnen und Käufer profitieren würden.

Es folgten weitere Börsen einschliesslich der Chicago Produce Exchange, die zunächst Kassapreise für Eier und Butter festsetzte. Im Jahr 1919 wurde sie zur Chicago Mercantile Exchange, die sich nicht länger auf Agrarrohstoffe wie Schweinebäuche und Vieh beschränkte, sondern auch Metalle und später auch Financial Futures anbieten sollte. Heute können fast alle Rohstoffe an offiziellen Börsen wie den genannten und über globale elektronische Handelsplattformen gehandelt werden.

Inflation fĂĽr Rohstoffanlegerinnen und Rohstoffanleger vorteilhaft

Rohstoffe lassen sich in zwei Gruppen einteilen: sogenannte "soft commodities" (agrarwirtschaftliche Rohstoffe) und sogenannte "hard commodities" (nicht-landwirtschaftliche Rohstoffe). Zu Ersteren zählen angebaute oder gezüchtete Rohstoffe wie Mais, Weizen, Reis, Sojabohnen und Vieh. Letztere werden vor allem unter Tage abgebaut oder mittels Bohrungen an die Erdoberfläche befördert, z. B. Erdgas, Erdöl, Kohle, Aluminium und Gold. Die Risiken und Chancen des Rohstoffhandels sind jedoch für beide Gruppen gleich.

Rohstoffe sind physische Vermögenswerte und reagieren daher anders auf konjunkturelle Veränderungen als Aktien und Anleihen. Rohstoffe profitieren beispielsweise von Teuerungen: Wenn die Preise für Güter steigen, steigen auch die Preise für die Rohstoffe, aus denen sie hergestellt werden. Daher können Anlagen in Rohstoffen zur Absicherung gegen die Inflation dienen. (Aktien und Anleihen entwickeln sich besser, wenn die Teuerung stabil oder rückläufig ist, da ein Inflationsanstieg den Wert ihrer zukünftigen Dividendenausschüttungen und Couponzahlungen senkt.)

Geringe Korrelation mit traditionellen Anlageklassen

Auch die Wertentwicklung verläuft sehr unterschiedlich. Seit 1970 weisen die jährlichen Renditen des breit aufgestellten Bloomberg Commodity Index eine sehr geringe Korrelation mit den Aktienrenditen gemäss MSCI World Index auf. Ein Vergleich mit globalen Anleihen (Barclays Global Aggregate Index) ergibt eine nahezu inexistente Korrelation. Im Gegensatz dazu korreliert der Bloomberg Commodity Index positiv mit den Inflationsdaten der OECD.

Gold wird in einer Raffinerie zu Barren gegossen
Als defensivste aller Anlageklassen glänzt Gold - hier beim Barrenguss in einer Raffinerie - in Zeiten geopolitischer Unsicherheit. © Getty Images/Andrew Rudakov/Bloomberg

Diese geringen Korrelationen mit traditionellen Anlageklassen sind der Grund, weshalb Rohstoffe zur Portfoliodiversifikation beitragen: Sie können die Volatilität sowie die Risiken des Portfolios senken und die Renditen verbessern.

Anfällig für bestimmte Risiken

Diversifikation und Absicherung gegen Inflationseffekte können Anleger aber nicht vor Verlusten schützen. Als physische Güter sind Rohstoffe Risiken ausgesetzt, die Finanzwerte nicht direkt tangieren: Der Getreidepreis ist unter anderem wetterabhängig, ebenso der Preis von Vieh und Erdgas. Instabile geopolitische Verhältnisse wirken sich auf den Wert von Gold und Erdöl aus, und Auseinandersetzungen mit Arbeitskräften wie Streiks belasten die Preise von Metallen und Mineralien.

Rohstoffe können auch von politischen, regulatorischen und marktspezifischen Gegebenheiten tangiert werden. Gold wird beispielsweise weltweit als Anlage zum Werterhalt genutzt. In politisch unsicheren Zeiten tendiert der Goldpreis daher nach oben. Regulatorische Änderungen (einschliesslich Sanktionen) können die Preise für Hard Commodities ins Schwanken bringen und das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage rapide verändern.

Viele verschiedene Anlagemöglichkeiten

Ein typisch amerikanisches FrĂĽhstĂĽck mit Eiern, Speck, Pfannkuchen und Kaffee aus der Vogelperspektive
Statt physische Rohstoffe zu kaufen, erwerben Finanzinvestoren in der Regel börsengehandelte Fonds (ETFs) oder Rohstoff-Futures und -Indizes - oder sogar einen Index, der das typische amerikanische Frühstück abbildet. © Getty Images/Alexander Spatari

Finanzanlegerinnen und Finanzanleger erwerben nur selten physische Rohstoffe, mit Ausnahme von Gold und Silber, weil sie die Lager-, Versicherungs- und Liquiditätskosten scheuen. Stattdessen nutzen sie Exchange Traded Funds (ETFs) oder Futures und Rohstoffindizes. ETFs auf Basis von breiten Rohstoffindizes bieten den umfassendsten Zugang. Typisch sind Engagements im Energiesektor (Erdgas und Rohöl), in Getreide (Weizen, Mais und Soja), landwirtschaftlichen Soft Commodities (Baumwolle, Kakao und Zucker), Industriemetallen (Aluminium, Zink, Kupfer, Nickel und Blei) sowie Edelmetallen (Platin, Gold und Silber).

In den meisten Fällen dominiert der Energiesektor diese Indizes. Für Anlegerinnen und Anleger, die fossile Brennstoffe vermeiden wollen, sind sie daher ungeeignet. Es gibt jedoch auch Indizes mit engeren Bandbreiten wie Industriemetall-, Edelmetall- oder Soft-Commodity-Indizes. Ein Index enthält sogar ausschliesslich Rohstoffe für das typische amerikanische Frühstück: Bacon, Orangensaft, Weizen, Kaffee und Zucker!

Nicht alle Eier in einen Korb legen

Anlegerinnen und Anleger können auch Aktien oder Futures von Unternehmen erwerben, die Rohstoffe produzieren, verarbeiten oder vertreiben. Rohstoff-Futures werden vor allem von industriellen Herstellern oder spezialisierten professionellen Händlern gehandelt; für Privatanlegerinnen und Privatanleger sind die mit ihnen verbundenen Risiken zu hoch.

Zum Schluss sei gesagt, dass Rohstoffe Anlagechancen bieten können, unter dem Strich sind sie aber genauso volatil wie Aktien. Daher tun Anlegerinnen und Anleger gut daran, beim Aufbau eines diversifizierten Portfolios neben den Aktien- und Anleihenallokationen nur einen kleinen Prozentsatz in Rohstoffe zu allokieren.

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