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Market View & Insights
Statt auf Infotainment setzt diese Publikation auf hochstehende Information.
Namen können täuschen. Das "neu" der "Neuen Zürcher Zeitung" stammt aus dem Jahr 1821. Damals wurde das 1780 als "Zürcher Zeitung" gegründete Blatt neu lanciert und hiess danach "Neue Zürcher Zeitung" – Zürcher immer ohne "i". 241 Jahre alt ist die Zeitung mittlerweile. Es ist die älteste, noch existierende Zeitung der Schweiz und sie verfolgt immer noch dasselbe Credo: hochstehende Information für freiheitlich denkende Bürger. Nur dass inzwischen auch Bürgerinnen zum Zielpublikum gehören.
Nach ihrer Gründung 1780 erschien die NZZ zweimal wöchentlich, am Mittwoch und am Samstag. Ab 1843 erschien sie täglich und das meint: sieben Mal die Woche. Schon Ende des 19. Jahrhunderts war das der NZZ zu wenig, weil die Nachrichtenlage sich schneller veränderte. Die Zeitung steigerte ihre Frequenz: Von 1894 bis 1969 erschien sie in drei Ausgaben pro Tag und konnte so auch Breaking News vom Nachmittag noch in die Abendausgabe rücken.
1974 gab die Zeitung die Sonntagsausgabe auf, nur um 30 Jahre später wieder darauf zurückzukommen und die "NZZ am Sonntag" zu gründen. Seit 1997 bedient die Zeitung ihre Leserinnen und Leser wieder wie Ende des 19. Jahrhunderts, den ganzen Tag über mit Nachrichten – jetzt natürlich online.
Schon Ende des 18. Jahrhunderts galt die NZZ als liberales Kampfblatt. Die Zeitung trat gegen die Zensur und gegen den sich in der Schweiz anbahnenden Religionskrieg an. Damals war es normal, dass Zeitungen eine bestimmte Haltung vertraten, ja sogar einer Partei gehörten.
Mittlerweile sehen sich die meisten Medien der Neutralität verpflichtet. Sie verstehen sich als "Forumszeitungen", die allen Meinungen Raum geben. Nicht so die NZZ: Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod spricht von einem "Grundbekenntnis zum Liberalismus und zur Verfassung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Freiheit". Eine Haltung, welche der heutige Chefredaktor Eric Gujer zuweilen mit kaum zu überbietender Deutlichkeit zu vertreten pflegt, insbesondere, wenn es um die deutsche Politik geht.
Während andere Medien ihr Geld längst mit elektronischen Zusatzangeboten und Onlineplattformen für Gebrauchtwagen und Bekanntschaften verdienen, fokussiert die NZZ nach wie vor auf die Publizistik. "Verlässliche, gut recherchierte und glaubwürdige Informationen sind heute wichtiger denn je", schrieb Verwaltungsratspräsident Jornod 2018. Das gilt auch drei Jahre später noch.
Jornod sieht die NZZ als "exklusives Produkt für eine exklusive Kundschaft". Deshalb ist das Blatt wohl auch die mit Abstand teuerste Zeitung der Schweiz. Gedacht ist sie für Menschen, die Artikel auch dann lesen, wenn sie nicht illustriert sind – und sprachlich anspruchsvoller sind als die Texte für das erste Lesealter in den meisten anderen Zeitungen.
In einem Arbeitsvertrag für den Chefredaktor aus dem Jahr 1849 steht: "Die Redaktion soll in freisinnigem Geist und würdiger Sprache die Tagesangelegenheiten der Schweiz und des Auslandes besprechen." Das gilt bis heute. Der "freisinnige Geist" ist dabei politisch gemeint: Die Zeitung steht der Schweizer FDP nahe, jener Partei also, die für eine liberale Politik kämpft und sich in der Schweiz rechts der Mitte als Wirtschaftspartei einen Namen gemacht hat. Im Parteiprogramm der FDP steht, dass sie einsteht für "Selbstverantwortung, Wettbewerb und gesunde Staatsfinanzen" und "Bevormundung, Bürokratie und einen aufgeblähten Staat" bekämpft – das beschreibt auch die NZZ sehr gut.
Dieses Credo löst die NZZ ein mit ausserordentlicher Qualität in der Auslandberichterstattung und der Berichterstattung über Wirtschaft und Kultur – also genau jenen Themen, die in den meisten anderen Tageszeitungen am schlechtesten gelesen sind.
Die Auslandberichterstattung profitiert von einem grossen, ab 1870 aufgebauten Korrespondentennetz. Der Kulturteil der NZZ heisst immer noch "Feuilleton" und wird diesem Namen auch gerecht mit Beiträgen von Kulturschaffenden aus der ganzen Welt. Und die Wirtschaftsberichterstattung spielt, was Umfang und Qualität angeht, bei der NZZ die Rolle, die bei anderen Zeitungen der Sportteil spielt.
So liberal die Haltung der NZZ in Politik und Wirtschaft ist, so konservativ ist die Zeitung, wenn es um ihren eigenen Auftritt, die Gestaltung und die Sprache geht. Lange galt die Regel, dass in Titeln kein Verb auftreten durfte. Die NZZ berichtete also nicht hektisch darüber dass der Aktienkurs eines Unternehmens "einbricht" oder dass eine Firma "abschmiert", sondern über den "Rückgang" des Aktienkurses und einen "Verlust" im Jahresabschluss. Wer dort arbeitete, war nicht Redaktor, er war "Redaktor NZZ" – und so stand es auch im Telefonbuch. Es war eine Gilde für sich.
Es ist noch nicht lange her, da druckte das Blatt, wenn überhaupt, nur Fotos in Schwarzweiss. Als sie auf Farbbilder umstellte, waren viele Redakteure überzeugt, dass das der Anfang vom Ende der Zeitung war. Selbst in Sachen Werbung war die Zeitung zurückhaltend. Noch heute erzählt man sich, dass Feuilletonchef Martin Meyer einst beurteilen musste, ob ein Sex-Inserat mit dem sittlichen Empfinden des Zürcher Bürgertums vereinbar war.
Wer die Zeitung in einem Wort beschreiben muss, greift vielleicht zu jenem Adjektiv, das wie kein Zweites für die ganze Schweizer Wirtschaft steht: "solide". Die Zeitung wird von ihrer Konkurrenz deshalb auch gerne als "alte Tante" verspottet. Früher sagten böse Zungen, man solle die NZZ nicht in die Manteltasche stecken, weil einem sonst das Bein einschlafe. Tempi passati: Die NZZ ist nicht nur die älteste politische Tageszeitung der Schweiz, sondern nach wie vor auch die einzige von Weltgeltung. Das ist ihr, im besten Sinne, anzumerken.
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