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Entwicklung der französischen Schuldensituation: Statusverlust als "Safe Haven Investment"?

Französische Anleihen geraten wieder ins Rampenlicht und werden zum ersten Mal seit 2007 an den Kapitalmärkten als riskanter eingestuft als spanische Staatsanleihen - obwohl Spanien ein um drei Stufen schlechteres Kreditrating ausweist. Gleichzeitig hat sich der Zinsaufschlag gegenüber deutschen Anleihen von rund 50 Basispunkten im Juni auf 80 Basispunkte ausgeweitet. Doch wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen? Um dies besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Ereignisse des Frühsommers 2024.

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Autor
Simon Weiss, Head Fixed Income Strategy LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten

The Strategist Frankreich Zinsen
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Politische Instabilität und ihre Folgen

Nach einem Rechtsruck bei den Wahlen zum Europaparlament stand Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unter Druck: Seine Allianz erlitt deutliche Verluste und als Reaktion darauf löste Macron überraschend die Nationalversammlung auf und setzte Neuwahlen an. Dieser Schritt, mit dem er sich mehr Unterstützung für die verbleibenden drei Jahre seiner Amtszeit sichern wollte, erwies sich jedoch als Fehleinschätzung. Die daraus resultierende politische Unsicherheit, beunruhigte die Finanzmärkte und lenkte die Aufmerksamkeit erneut auf die Staatsverschuldung Frankreichs.

Für zusätzlichen Druck sorgte die Ratingagentur Standard & Poor’s, die die Bonität französischer Staatsanleihen auf "AA-" herabstufte. Grund dafür war der erwartete Anstieg des Haushaltsdefizits in den kommenden Jahren. Diese Herabstufung liess die Zinsdifferenz zwischen französischen und deutschen Bundesanleihen auf ein Niveau steigen, das seit der Eurokrise 2010 nicht mehr erreicht wurde. 

Sommerliche Ruhe und erneute Schwierigkeiten

In den vergleichsweise ruhigen Sommermonaten traten die politischen Spannungen in Frankreich vorübergehend in den Hintergrund. Die Olympischen Sommerspiele in Paris trugen zusätzlich zur Entspannung bei. Doch mit der Ernennung der neuen Regierung unter Premierminister Michel Barnier letzten Monat kehren politische und wirtschaftliche Themen wieder in den Mittelpunkt zurück.

Die Neuwahlen brachten keine klaren Mehrheitsverhältnisse, und die neue Regierung besteht aus einer Koalition von Macronisten, ihren Verbündeten sowie Mitgliedern der konservativen Partei Les Républicains. Obwohl die Regierung politisch nach rechts gerückt ist, hat sie keine Mehrheit im Parlament. Um Gesetzesvorhaben durchzusetzen, ist sie auf wechselnde Allianzen angewiesen - entweder mit dem linken Bündnis oder den Rechtspopulisten. Diese fragile Situation birgt das Risiko, dass die Regierung jederzeit durch ein gemeinsames Misstrauensvotum gestürzt werden könnte. Gleichzeitig zeigt die französische Wirtschaft seit Jahresbeginn deutliche Anzeichen einer Stagnation, besonders im verarbeitenden Gewerbe. Dies wird zu einem Rückgang der Steuereinnahmen führen und das Haushaltsdefizit voraussichtlich höher ausfallen lassen als bisher prognostiziert. 

Künftige Herausforderungen und Ausblick 

Frankreich steht somit vor der schwierigen Aufgabe, seine Schuldenproblematik und das wachsende Defizit in einem Umfeld politischer Instabilität und schwächerer Wirtschaftskraft zu bewältigen. Ein Scheitern könnte nicht nur Sanktionen seitens der EU zur Folge haben, die auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien drängt, sondern auch eine weitere Herabstufung durch die Ratingagenturen. In diesem Fall wären steigende Risikoaufschläge gegenüber deutschen Anleihen und damit höhere Finanzierungskosten unvermeidlich.

Langfristig besteht jedoch Hoffnung: Die französische Wirtschaft ist breit diversifiziert, und führende Unternehmen in verschiedenen Sektoren haben das Potenzial, sich von Rückschlägen zu erholen. Damit dieses Potenzial jedoch nicht ungenutzt bleibt, sind jedoch entscheidende Strukturreformen und politische Stabilität notwendig. Andernfalls ist nicht auszuschliessen, dass Frankreich seinen Status als "sicherer Hafen" verliert und langfristig in die finanzielle Peripherie der Eurozone abrutscht - mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen.

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