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Market View & Insights
Seit mehr als 100 Jahren bewegt Öl die Märkte. Besonders turbulent war es in der "Energiekrise" der 2000er Jahre. Wie kam es zum Allzeithoch der Kurse und einer Preisentwicklung, die eine ganze Dekade prägte?
Langfristige Investmenttrends, auch Dekadentrends genannt, können sich vor allem dann gut entwickeln, wenn sie von einer ausreichend niedrigen Basis starten. Von da aus entwickeln sich die Kurse anhaltend nach oben. Für Anleger können sich Chancen eröffnen, wenn sie früh genug einsteigen.
Beim Öl, einem der wichtigsten Rohstoffe der Wirtschaft, tendierten die Kurse in den 1990er Jahren überwiegend abwärts. Im Zuge der Asienkrise im November 1998 erreichte der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) bei rund 11 US Dollar ein langfristiges Tief. Inflationsbereinigt waren das die niedrigsten Preise seit den späten 1940er Jahren.
Nach einer zwischenzeitlichen, leichten Erholung brach mit den Terroranschlägen in New York vom 11. September 2001 die Nachfrage wieder erheblich ein. Auf den ersten Blick sah es nicht nach einer goldenen Dekade rund um den Rohstoff aus. Doch auf den zweiten Blick konnten kundige Anleger erkennen, dass trotz des Kurseinbruchs unter die Marke von 20 US-Dollar das Tief von 1998 nicht annähernd erreicht wurde: Ein klar höheres Tief trotz der verheerenden Nachrichten.
Heute wissen wir: Es war der Anfang eines langanhaltenden Aufwärtstrends der Erdölpreise. Erdöl wurde für Anleger zu einem der bestimmenden Investmenttrends der 2000er Jahre und zu einem Faktor, den man in Fragen der Geldanlage auf der Rechnung haben musste. Lange hatte der Rohstoff im Dornröschenschlaf verweilt. Das sollte sich nun ändern.
Der wichtigste Grund für den Ölpreisanstieg war die immer größere Nachfrage aus China. Erzeugt wurde sie vom anhaltend hohen Wirtschaftswachstum und dem zunehmenden Energiehunger - aus der Industrie, aber auch durch den höheren Wohlstand der Menschen. Das Mehr an Verkehr auf den Straßen und in der Luft erhöhte die Nachfrage nach Öl. Ähnlich, aber auf einem niedrigeren Niveau, verlief die Entwicklung in Indien. Zudem florierte bis zum Jahr 2008 die globale Wirtschaft, wodurch auch in der übrigen Welt der Ölverbrauch stieg.
Neben der hohen und weiter steigenden Nachfrage kamen weitere Faktoren hinzu, die sich auf das Angebot und den Preis auswirkten. Dazu zählte vor allem die ausgeprägte Schwäche des US-Dollars zwischen 2000 und 2008. Da Öl in dieser Währung gehandelt wird, war dies ein prozyklischer Effekt.
Hinzu kamen vorübergehende Preisspitzen infolge verschiedener Probleme und befürchteter Engpässe auf der Angebotsseite. Als ein Beispiel ist der Hurrikan Katrina im Jahr 2005 zu nennen, der die Ölförderung in den USA beeinträchtigte. Ein anderes Beispiel waren die Auseinandersetzungen im mittleren Osten, wie der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon von 2006.
Viele Ölkonzerne konnten vom Dekadentrend beim schwarzen Gold profitieren und für ihre Aktionäre gutes Geld verdienen. Der Kurs der Aktie von Exxon Mobil verdreifachte sich von 1998 bis 2008 in etwa - zuzüglich der üppigen Quartalsdividenden. Im Zuge des Kursanstiegs löste Exxon Mobil im Jahr 2006 sogar General Electric als das gemessen an der Marktkapitalisierung weltweit größte Unternehmen ab. Aber auch andere Ölkonzerne wie Chevron, Total oder BP und Versorger wie Iberdrola, E.ON oder RWE konnten in den 2000er Jahren deutlich profitieren.
Ebenso konnten sich Unternehmen im Umkreis der Ölförderung enorm entwickeln. Die hohen Preise führten auch dazu, dass die teure und vor allem aus Umweltgründen umstrittene Fracking-Methode zur Ölförderung immer wirtschaftlicher wurde. Als dessen Pionier gilt Chesapeake Energy. Nachdem die Aktie im Februar 1999 noch bei rund 140 US-Dollar notierte, stand sie im Juli 2008 in der Spitze beim Hundertfachen: 14 000 US Dollar.
Nicht ganz so extrem, aber dennoch bemerkenswert deutlich profitieren konnte auch PetroChina: Die an der NYSE notierte Aktie des chinesischen Unternehmens stieg von 2000 bis 2007 in der Spitze um mehr als das Fünfzehnfache. Der Kurs wurde von der Euphorie um den Börsengang in Shanghai weiter befeuert. In der Folge lief PetroChina kurzzeitig Exxon Mobil den Rang ab und avancierte im Herbst 2007 zum größten Unternehmen der Welt.
Trotz zunehmender Nachfrage und der immer weiter steigenden Preise wurden die Produktionskapazitäten in den 2000er Jahren nicht entsprechend ausgebaut. Eine Erklärung dafür liefert die Peak-Oil-Theorie: Eine deutliche Angebotsausweitung war nicht möglich, da die Förderkapazitäten nah am Maximum waren. Man sprach aufgrund des gedeckelten Angebots auch von einer Energiekrise.
Im Ergebnis entwickelte sich eine zunehmend steile Preisspirale. Zu Anfang des Jahres 2008 erreichte WTI-Öl erstmals einen Kurs von 100 US Dollar. Damit begann eine Phase der Überhitzung, die nur ein halbes Jahr später, am 11. Juli 2008, im Allzeithoch bei 147 US Dollar gipfelte. Auch inflationsbereinigt notierte Öl zu dieser Zeit deutlich dreistellig und auf höherem Niveau als bei allen früheren Ölkrisen.
Gut möglich, dass noch Preise über 200 US Dollar erreicht worden wären. Doch bereitete die Finanzkrise 2008 der rasanten Entwicklung ein jähes Ende. Die Energiekrise war schnell abgehakt. Der Absturz der Ölpreise erfolgte noch weitaus rasanter als der vorherige Anstieg: In den fünf Monaten bis Weihnachten 2008 fiel der Kurs auf rund 35 US-Dollar. Von Peak Oil sprach jetzt keiner mehr, stattdessen gab es randvolle Lager und einen erheblichen Angebotsüberhang. Viele Ölkonzerne mussten in dieser Zeit deutliche Kursverluste hinnehmen, konnten sich davon aber in den frühen 2010er Jahren zunächst wieder erholen.
Anders als in den eher politischen Ölkrisen der Jahre 1973/74 und 1979/80 handelte es sich in den 2000er Jahren um einen Ölpreis-Boom, bei dem die negativen Effekte auf die Wirtschaft aufgrund der inzwischen geringeren Abhängigkeit vom Öl weniger deutlich waren. Die Preise stiegen eher im Gleichlauf mit der zunehmenden globalen Wirtschaftsdynamik, statt - wie früher - als gegenläufiger Bremsklotz zu wirken.
Die Kurse der einstigen Treiber des Trends konnten meist nicht zu alter Stärke zurückfinden. Im Jahr 2014 gab es einen erneuten, grossen Kurseinbruch beim Ölpreis - mit nur schwacher Erholung in den Jahren danach. Und im Jahr 2020 folgte der Corona-Schock, der den Handel fast zum Erliegen und den inflationsbereinigten Preis für kurze Zeit bis zurück auf das Niveau von 1998 brachte.
Was ist aus den einstigen Speerspitzen des Trends geworden? Für Chesapeake Energy hat die rasante Erfolgsgeschichte jüngst eine tragische Wendung genommen: Im Juni 2020 ging der einstige Liebling der Anleger in Insolvenz. Die Geschichte des Öls bleibt wohl auch in Zukunft volatil.
Neben dem Boom um Erdöl in den 2000er-Jahren haben im Verlauf der Geschichte auch andere langfristige Investment-Trends die Fantasie der Anleger beflügelt. Einige dieser sogenannten Dekadentrends wollen wir hier bei MAG/NET in einer Serie beleuchten. Darunter zum Beispiel folgende:
- Der Boom um eine Reihe von US-Grossunternehmen - den "Nifty Fifty" - in den 60ern
- Gold Ende der 70er-Jahre
- Der Aufstieg der japanischen Wirtschaft und dessen Leitindex Nikkei 225 in den 80ern
- Die Entstehung der Internet-Blase in den 90ern
Anleger sollten beachten, dass direkte Investitionen in Erdöl nur über Futures-Märkte möglich sind. Ein solches Engagement setzt ein erhöhtes technisches Finanzwissen voraus und bringt spezielle Risiken mit sich.
In der Vermögensberatung der LGT spielen langfristige Investment-Trends eine wichtige Rolle. Sind Sie darüber hinaus an aktuellen Entwicklungen der Märkte und der Wirtschaft weltweit interessiert, empfehlen wir Ihnen die Insights unserer Research-Experten.