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Nachhaltigkeit

Kohlenstoff: Auf dem Weg zur meistgehandelten Anlageklasse der Welt?

Michael Azlen, Gründer und CEO von Carbon Cap Management, beleuchtet die Rolle der Kohlenstoffmärkte bei der Gestaltung globaler Klimaabkommen und gibt Einblicke in innovative Investitionsstrategien und Risikomanagementansätze.

Datum
Autor
Alastair Turner, CEO, Aspectus Group
Lesezeit
5 Minuten

Ein Mann mittleren Alters mit dunkelgrauen Haaren, dunklem Anzug, weissem Hemd und hellblauer Krawatte
"Durch seine Investitionstätigkeit zielt der World Carbon Fund direkt auf die Reduktion der globalen CO2-Emissionen ab", sagt Mike Azlen von Carbon Cap Management. © LGT/Oreste Schaller

Herr Azlen, Ihr Unternehmen hat sich auf die Bepreisung von CO2 und den Emissionshandel spezialisiert. Wie funktioniert das?

Michael Azlen: Carbon Cap Management LLP verwaltet derzeit den weltweit grössten Multi-Market Carbon Fund, den World Carbon Fund. Dieser Fonds investiert weltweit in liquide und regulierte Kohlenstoffmärkte, indem er börsengehandelte Futures und Optionen sowie physische Kohlenstoffzertifikate nutzt. Das Ziel ist es, absolute Renditen mit geringer Korrelation zu traditionellen Anlageklassen zu erzielen und einen direkten Einfluss auf den Klimawandel zu nehmen.

Cap-and-Trade-Systeme - oft auch als Emissionshandelssysteme (EHS) bezeichnet - sind regulierte, liquide (der gehandelte Wert beträgt derzeit ca. USD 65 Milliarden pro Monat) und transparente Märkte. EHS legen Emissionsobergrenzen fest, die jährlich abgesenkt werden, um im Laufe der Zeit ein politisch festgelegtes Ziel zu erreichen. Diese marktorientierte Lösung bietet ökologische Sicherheit in Bezug auf die Menge der erzeugten Emissionen, während der Markt den Preis bestimmt. Die den Emissionshöchstmengen entsprechenden Emissionszertifikate werden dann entweder an die emittierenden Unternehmen zugeteilt oder versteigert, die wiederum diese Zertifikate untereinander handeln können. 

Der Handel mit Zertifikaten ist ein entscheidender Vorteil des ETS, da er Anreize zur kostengünstigsten Emissionsreduktion schafft, indem Unternehmen mit niedrigen Vermeidungskosten ihre Zertifikate an Unternehmen mit höheren Vermeidungskosten verkaufen. ETS bieten den Unternehmen auch zeitliche Flexibilität, indem es ihnen erlaubt, Zertifikate zu "sammeln" und für die Verwendung in zukünftigen Verpflichtungsperioden zu verwenden. Dieser Mechanismus der Emissionsbegrenzung und des Emissionshandels ist heute weltweit eines der bevorzugten politischen Instrumente.

Welches sind die Hauptrisiken bei Investitionen in verpflichtende Emissionszertifikate?

Politische und technologische Risiken sind die beiden wesentlichen Risikofaktoren, die Investitionen in Emissionshandelsmärkte beeinflussen können. Als Teil des disziplinierten Investitionsprozesses von Carbon Cap überwacht das Investitionskomitee aktiv sowohl die politischen Perspektiven als auch bevorstehende Gesetzesänderungen in allen CO2-Emissionshandelsmärkten. Das Komitee beobachtet auch die technologischen Entwicklungen bei den Unternehmen, die sich an die CO2-Gesetzgebung halten, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, wie z. B. die Kosten pro Tonne CO2-Abscheidung und andere Technologien, die sich auf die verfügbaren Reduzierungsoptionen auswirken können.

Wie lassen sich diese Risiken abmildern?

Die Korrelationen zwischen den Kohlenstoffmärkten sind eher gering. Wenn man Positionen in mehreren Märkten hält, kann man den Einfluss von politischen Schocks oder technologischen Entwicklungen, die für einen bestimmten Markt spezifisch sind, durch ein diversifiziertes Portfolio reduzieren. Darüber hinaus kann der World Carbon Fund das Risiko mindern, indem er die Konvexität reduziert, um Abwärtsbewegungen abzufedern. Gleichzeitig partizipiert er an Preisbewegungen, indem er das Risiko in einem bestimmten Markt reduziert oder schliesst und gegebenenfalls Short-Positionen einnimmt und damit von Marktrückgängen profitiert.

Welche Strategien wendet Carbon Cap Management an, um sicherzustellen, dass seine Investitionen effektiv zur Reduktion von CO2-Emissionen beitragen?

Der World Carbon Fund investiert in regulierte Kohlenstoff- und Umweltmärkte, wobei alle gehandelten Instrumente auf die Reduktion von CO2-Emissionen abzielen. Auch ist der Fonds als Artikel-9-Fonds gemäss der EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) klassifiziert und zielt durch seine Investitionstätigkeit direkt auf die Reduktion der globalen CO2-Emissionen ab. 

Die Bepreisung von CO2-Emissionen ist die effektivste Klimapolitik, die jemals umgesetzt wurde.

Darüber hinaus hat sich Carbon Cap verpflichtet, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen, indem 20 % der vom Fonds erwirtschafteten Performancegebühren für den Kauf und die dauerhafte Stilllegung von Emissionszertifikaten sowie für andere Initiativen und Aktivitäten zur Reduktion von CO2-Emissionen verwendet werden. Neben diesem quantitativen Engagement für Nachhaltigkeit und die Reduzierung von CO2Emissionen konzentrieren wir uns auch auf die Zusammenarbeit mit unseren Stakeholdern und die Sensibilisierung der Vermögensverwaltungsbranche für die Probleme des Klimawandels. Dazu gehört auch die Aufklärung über die wichtige Rolle der CO2-Märkte als effektives politisches Instrument mit nachgewiesener Erfolgsbilanz.

Ein Mann mittleren Alters in dunklem Anzug und weissem Hemd steht in einem abgedunkelten Raum an einem Rednerpult
"Politische und technologische Risiken sind die beiden wesentlichen Risikofaktoren, die Investitionen in Emissionshandelsmärkte beeinflussen können," sagt Michael Azlen. © LGT

Kritiker argumentieren, dass der Emissionshandel nicht ausreicht, um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, und dass direkte Regulierungsmassnahmen erforderlich sind. Was ist Ihre Meinung?

Der Emissionshandel ist eine ordnungspolitische Massnahme und kann zusammen mit der CO2-Besteuerung als "CO2-Bepreisung" betrachtet werden. Die Bepreisung von CO2-Emissionen ist die effektivste Klimapolitik, die jemals umgesetzt wurde. Derzeit werden nur etwa 25 % der weltweiten Emissionen mit einem Preis versehen, aber dieser Anteil wird in den kommenden Jahren erheblich steigen, da viele Länder planen, regulierte Kohlenstoffmärkte oder CO2-Steuern einzuführen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Kohlenstoffmanagements und -handels, insbesondere im Zusammenhang mit den globalen Klimavereinbarungen?

Die Umsetzung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) durch die EU wird in vielen weiteren Ländern dazu führen, dass Klimaziele und CO2-Preise festgelegt werden. Mit dem CBAM wird auf alle importierten Waren eine CO2-Abgabe erhoben, die auf dem CO2-Fussabdruck des jeweiligen Produkts basiert. Dies schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Hersteller, die dem CO2-Preis des EU-Emissionshandelssystems unterliegen. Damit entsteht zudem ein starker Anreiz für Exportländer, die CO2Abgabe im eigenen Land zu erheben und die Einnahmen zu behalten, anstatt sie an die Europäische Kommission in Brüssel abzuführen. Wenn mehr grosse Länder den Emissionshandel einführen, werden die regionalen Märkte zusammenwachsen. Letztendlich wird es einen globalen CO2-Preis geben, das dürfte aber noch zehn bis 20 Jahre dauern. Als Anlageklasse hat sich Kohlenstoff von einem monatlichen Handelsvolumen von USD zehn Milliarden vor fünf Jahren auf heute USD 60 Milliarden pro Monat entwickelt. Wir gehen davon aus, dass dieser Wert innerhalb von zehn Jahren auf über USD 500 Milliarden pro Monat ansteigen wird.

Zur Person

Ein Mann mittleren Alters mit leicht grau meliertem dunklem Haar, in blauem Anzug, hellblauem Hemd
© Photo courtesy of Carbon Cap Management LLP

Michael Azlen ist Gründer, CEO und CIO von Carbon Cap Management, einer alternativen Vermögensverwaltungsgesellschaft, die sich auf globale Kohlenstoff- und Umweltmärkte spezialisiert hat. Seit Anfang 2018 widmet er sich intensiv der Forschung im Bereich Klimawandel und Umweltinvestitionen, wobei sein besonderes Augenmerk auf regulierten Kohlenstoffmärkten liegt. Diese Forschung mündete in einer umfassenden wissenschaftlichen Arbeit, die Kohlenstoff als liquide und investierbare Anlageklasse beleuchtet. Auf Basis dieser Erkenntnisse gründete Michael Carbon Cap Management LLP und lancierte im Februar 2020 den World Carbon Fund. Der Fonds investiert in verschiedene liquide und regulierte Kohlenstoffmärkte. Heute ist er der weltweit grösste Multi-Market Carbon Fund. Der Fonds zeichnet sich durch starke, unkorrelierte Renditen aus und trägt massgeblich zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen bei.

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