The Strategist

Erste Erkenntnisse der Q2-Berichtssaison

Vor Beginn der Unternehmensberichtssaison zum zweiten Quartal haben wir bereits eine Ausgabe von The Strategist über die Erwartungen für den S&P 500 publiziert (The Strategist 15. Juli 2024). Dabei haben wir folgende Faktoren hervorgehoben: 1) die Berichterstattung zum zweiten Quartal ist jeweils eine der Spannendsten im Jahr, 2) es wird eine breiter abgestützte Gewinnerholung erwartet und 3) die Optionsmärkte preisen für ausgewählte Börsengiganten überdurchschnittlich hohe Marktschwankungen für den jeweiligen Handelstag nach den Firmenergebnissen ein - so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr. Aktuell haben 206 Unternehmen aus dem S&P 500 und rund 185 aus dem Stoxx Europe 600 die Ergebnisse für ihr zweites Quartal vorgelegt. Daraus lassen sich erste wichtige Erkenntnisse aus der bisherigen Berichtssaison zusammenfassen.

Datum
Autor
Georg Ruzicka, Head Equity Research LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten
Nasdaq billboard Times Square New York
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S&P 500 vermag insgesamt positiv zu überraschen

Von den Unternehmen, die ihre Q2-Ergebnisse bereits offengelegt haben, vermochten insgesamt 59% auf dem Umsatzwachstum, 73% auf dem Gewinnwachstum pro Aktie und 51% in beiden Disziplinen positiv zu überraschen. Damit haben sich die positiven Überraschungen gegenüber der Vorwoche leicht verbessert, und sind auch stärker als im vorangehenden Quartal. Sprachanalysen aller Transskripte der Unternehmen deuten darauf hin, dass die Zuversicht im Firmensektor nach wie vor robust ist, wenn auch moderat tiefer als im letzten Quartal. Insgesamt vermochten die Unternehmen die Erwartungen betreffend Umsatzwachstum um knapp 2%, jene für das Gewinnwachstum pro Aktie um rund 4-5% zu übertreffen. Dabei scheinen die Preisreaktionen auf die Unternehmenszahlen von Investoren und Investorinnen etwas gnädiger aufgenommen zu werden, als erwartet, nachdem neben dem fundamentalen Gewinnwachstum die jüngst rückläufigen US-Inflationszahlen verbunden mit Erwartungen auf erste Zinssenkungen etwas milder stimmen. Klare Verfehlungen wurden jedoch hart bestraft.

Harziger Start in Europa

In Europa ist der Start in die Berichtssaison bislang deutlich schwieriger verlaufen. Im Vergleich zu den USA vermochte eine sichtlich geringere Anzahl an Unternehmen positiv zu überraschen. Zudem fallen die Reaktionen auf die Q2-Bilanzen im Durchschnitt deutlich schärfer aus. Positive Überraschungen werden mit einer durchschnittlichen Performance von +2% belohnt, während ein Verfehlen der Erwartungen mit durchschnittlich -5% bestraft wird. Dies könnte auf allfällige Sorgen hinsichtlich des Wirtschaftswachstums zurückzuführen sein, nachdem die jüngsten Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und der Eurozone Anzeichen von Schwäche zeigten.

Licht und Schatten auf Sektorenebene

Insgesamt scheint es uns noch verfrüht, um abschliessende Konklusionen zu ziehen. Aber bei zwei Sektoren gibt es unserer Ansicht nach jetzt schon interessante Auffälligkeiten. Erstens im diskretionären Konsumsektor - auch Nicht-Basiskonsum genannt. Nahezu über das ganze Spektrum hat der Sektor im bisherigen Verlauf die Markterwartungen sichtlich verfehlt und einige Unternehmen mussten ihre Ausblicke senken. Am auffälligsten ist dies in der Automobilindustrie oder auch bei Luxusgüterunternehmen. Der gemeinsame Nenner ist oftmals ein schwächer als erwarteter Konsum in China, aber auch amerikanische Verbraucher scheinen insgesamt etwas ausgabebewusster und selektiver zu agieren. Der Nicht-Basiskonsumsektor gehört denn auch zu den drei schwächsten Sektoren über einen Monat und wir halten an einem "Untergewichten" in diesem Sektor fest. Auf der anderen Seite der Skala fällt der Pharmasektor positiv auf. Diverse Pharmaunternehmen haben mit guten Quartalszahlen zu überzeugen vermocht und in diesem Sektor haben wir auch einige Erhöhungen der Ganzjahresschätzungen gesehen. Über den vergangenen Monat vermochte der Gesundheitssektor den Gesamtmarkt entsprechend zu schlagen und über die vergangenen fünf Handelstage hat er das Sektorenranking sogar angeführt. Wir halten an einem "Übergewichten" des Gesundheitssektors fest.

Sorgen um zu hohe Investitionen?

Die Berichterstattung eines der Technologiegiganten, der den sogenannten "glorreichen Sieben" zugeordnet wird, liess aufhorchen. Zuwenig zu investieren, wird aktuell durch das Top Management als das viel höhere Risiko eingestuft, als zu viel zu investieren. Schon im letzten Quartal haben die führenden Technologiegiganten ihre Prognosen für die Kapitalausgaben weitgehend angehoben und sind damit in einen mehrjährigen Investitionszyklus für Künstliche Intelligenz (KI) eingetreten. Insgesamt bewegen sich die Investitionspläne für 2024 für die grössten Technologiegiganten bei schätzungsweise USD 200 Milliarden - eine Erhöhung um rund 34% gegenüber dem Vorjahr. Nun kommen erste Bedenken auf, mit welcher Geschwindigkeit sich diese Investitionen monetarisieren lassen, sprich in Umsatz- und Gewinnwachstum umgemünzt werden können. Die Antwort hierfür steht noch aus. Es ist aber an sich immer so, dass für die Erschliessung neuer Anwendungen zuerst Investitionen notwendig sind. Dank der gesunden Cashflows im Sektor können sich die Technologiegiganten höhere Investitionen grundsätzlich leisten, ohne sich dafür Verschulden zu müssen. Wer schlussendlich wieviel KI als Geschäftsmodell erfolgreich monetarisieren wird, muss sich aber noch zeigen. Unsere Einstufung auf dem "sportlich bewerteten" Technologiesektor ist aktuell "Neutral".

Aktuelle Erwartungen

In der laufenden Berichtswoche werden jedenfalls vier weitere Unternehmen der "glorreichen Sieben" ihre Ergebnisse und Gedanken zum Geschäftsverlauf wie auch den Aussichten offenlegen. Wir gehen weiterhin von einem gesunden Gewinnwachstum dieser Gruppe von Technologieunternehmen in der Grössenordnung von 30% aus, wenn dies auch eine sequenzielle Verlangsamung gegenüber dem Vorquartal (+50%) darstellt. Andererseits erwarten wir nach wie vor eine Verbreiterung des zugrundeliegenden Gewinnwachstums im Markt, sprich dass der S&P 493 den Turnaround schafft und ein positives Gewinnwachstum in der Grössenordnung von 5% erzielen dürfte. Es ist unter anderem diese Verbreiterung des Gewinnwachstums im S&P 500, die auch zu einer Rotation innerhalb der Sektoren im Markt beitragen dürfte. Rotationen sind per se nichts Schlechtes, sie werden zeitweise sogar auch als das Lebenselixier eines Bullenmarktes betrachtet. Neben der üblichen Saisonalität in US-Wahljahren könnten starke Rotationen die Volatilität in den Aktien im zweiten Halbjahr aber zusätzlich erhöhen. Aktuell halten wir für den US-Aktienmarkt ein "Übergewichten". 

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