The Strategist

Industriepolitik wieder im Trend Auswirkungen der jüngsten Zollrunde auf chinesische Waren

Die Zölle auf chinesische Waren steigen und signalisieren ein Wiederaufleben des Industrieprotektionismus. Die jüngsten Massnahmen der USA und Europas zielen darauf ab, die heimische Industrie zu schützen und deuten auf anhaltende Handelsspannungen hin.

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Autor
Tina Jessop, Senior Economist, LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten
Zölle
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Im Jahr 2018 begann der ehemalige US-Präsident Donald Trump damit, Zölle auf bestimmte chinesische Importe zu erheben. Damit begann die Rückkehr des Protektionismus. Seitdem hat sich die Zahl der Handelsbarrieren weltweit fast versechsfacht und liegt laut Global Trade Alert bei fast 3000 pro Jahr. Nach Jahrzehnten des wachsenden Welthandels und optimierter Lieferketten, die den Wohlstand für viele, aber nicht für alle, erhöht haben, wenden sich politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen nun zunehmend protektionistisch gegen bestimmte Branchen. Allein in den letzten drei Wochen haben die beiden grössten Wirtschaftsregionen, die USA und Europa, mehr und höhere Zölle auf bestimmte chinesische Importe verhängt. 

Auch wenn die Auswirkungen der jüngsten Zölle auf die Gesamtwirtschaft relativ begrenzt sind, erinnern sie doch daran, dass Protektionismus wahrscheinlich ein wichtiges politisches Instrument bleiben wird, um heimische Industrien in kritischen Bereichen zu schützen und auszubauen, sowie die nationale Sicherheit zu gewährleisten.

US-Zölle auf chinesische Importe

Letzten Monat haben die USA neue und höhere Zölle auf Importe aus China im Wert von USD 18 Milliarden verhängt, die hauptsächlich den "Cleantech"-Bereich betreffen. Die Zölle entsprechen nur etwa 5% der jährlichen Einfuhren aus China und weniger als 1% der gesamten US-Importe. Von den betroffenen Produkten waren Elektrofahrzeuge und Solarpaneele bereits in der Vergangenheit von Handelshemmnissen betroffen, und die Importe dieser Produkte sind in der Folge deutlich zurückgegangen. In anderen Bereichen - beispielsweise Lithiumbatterien - signalisieren die USA ihr strategisches Ziel, die Abhängigkeit von China im Laufe der Zeit zu verringern, da die grösste Volkswirtschaft der Welt anstrebt, bei der Produktion wichtiger Güter weitgehend autark zu werden. 

Wichtiger als die eigentlichen Zölle ist jedoch, dass die politischen Massnahmen ein klares Signal für die harte Haltung beider Seiten gegenüber China sind. In den vergangenen vier Jahren hat US-Präsident Joe Biden die unter Präsident Trump eingeführten Handelsbeschränkungen ausgeweitet und verschärft. Dies bedeutet, dass die Handelsspannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China wahrscheinlich anhalten werden, unabhängig vom Ausgang der US-Wahlen im November.

Europas heikler Handelsstreit mit China

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist Europa in einen eigenen Handelsstreit mit China verwickelt. Angesichts der engeren Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und China und der unterschiedlichen Interessen der EU-Länder ist das Thema hier heikler. 

Am 12. Juni kündigte die EU an, dass sie zusätzlich zu den bestehenden Zöllen von 10% weitere Zölle zwischen 17% und 38% auf Elektroauto-Importe aus China erheben wird. Der tatsächliche Zollsatz variiert je nach Markeninhaber und hängt von der Kooperation des Unternehmens während der EU-Antidumpinguntersuchung ab. Dieser Schritt war erwartet worden und stellte eine Reaktion auf die Subventionen der chinesischen Regierung dar, die in wettbewerbsorientierten Märkten allgemein als unfair angesehen werden, da sie die Produktionskosten künstlich senken. Bemerkenswert ist, dass Importe aus China im vergangenen Jahr rund 20% des gesamten Elektroautoabsatzes in der EU ausmachten. Ironischerweise handelt es sich dabei zur Hälfte um europäische oder amerikanische Marken. So werden beispielsweise der Mini Cooper E von BMW, der Kadjar von Renault, der Spring von Dacia und das Model 3 von Tesla in China gebaut und in die EU exportiert. Diese Autos fallen ebenfalls unter die neuen Zollbestimmungen und könnten die Unternehmen dazu veranlassen, ihre Produktion näher an ihr Heimatland zu verlagern.

Im Gegensatz zu den USA, die Zölle von 100% auf chinesische Elektroautoimporte erhoben haben, sind die europäischen Massnahmen jedoch nicht hoch genug, um chinesische Elektroautos wettbewerbsunfähig zu machen. Wir können zwar nicht alles ausschliessen, rechnen aber nicht mit einer grösseren Eskalation des Handelskriegs, auch wenn China wahrscheinlich Vergeltungsmassnahmen ergreifen wird. 

Ökonomische Auswirkungen

Aus Wachstums- und Inflationsperspektive wirken Zölle inflationär und bremsen das Wirtschaftswachstum. Der Handelskrieg zwischen den USA und China im Jahr 2018 hat gezeigt, dass Zölle die Preise der betroffenen Güter erhöhen. Elektrofahrzeuge spielen eine wichtige Rolle bei den ehrgeizigen Dekarbonisierungszielen der EU und belasten die europäischen Verbraucher und Verbraucherinnen, die mit höheren Kosten für die Energiewende rechnen müssen. Darüber hinaus beeinflussen Zölle über Kapital- und Warenströme den Wert von Währungen, was häufig zu einer Aufwertung der Währung des Landes führt, das die Zölle einführt, und zu einer Abwertung des betroffenen Landes.

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