The Strategist

Vorschau auf eine spannende Q2-Berichtssaison

Die Berichtssaison für das zweite Quartal ist immer eine der spannendsten des Jahres. Im ersten Quartal ist es oftmals noch zu früh für die Unternehmen, um eine allfällige Anpassung ihres Ganzjahresausblicks vorzunehmen. Mit dem zweiten Quartal stellt sich allerdings die Frage, ob die Erwartungen an den Ganzjahresausblick soweit erfüllt wurden, dass dieser bestätigt oder gar angehoben werden kann, oder ob Verfehlungen eine Reduktion der Gesamtjahreserwartungen erforderlich machen. 

Datum
Autor
Georg Ruzicka, Head Equity Research LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten
Q2
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Mit Kursgewinnen im laufenden Jahr von rund +17% im globalen Leitindex S&P 500 setzt der Markt klare Signale, wie es um die Erwartungshaltung steht. Die Erwartungen gehen von einem Umsatzwachstum von +4.6% und einer Steigerung des Gewinns pro Aktie von +8.8% gegenüber dem Vorjahr aus. Sollte diese Gewinnwachstumsrate erreicht werden, wäre es das stärkste Gewinnwachstum im S&P 500 seit dem Q1 2022 (damals +8.9%). Interessanterweise hat sich die US-Wirtschaft im Verlauf des zweiten Quartals moderat abgekühlt, während die Erwartungen an das Gewinnwachstum nahezu unverändert blieben. Per 31. März 2024 standen diese für die nun beginnende Berichtssaison bei +9.1%, also nur 30 Basispunkte höher als die aktuellen Schätzungen, was in weniger als 25% der Quartale vorkommt. Das übliche Spiel der Wall Street, kurz vor der Berichtssaison die Erwartungen nach unten zu revidieren, um dann bessere Chancen zu haben, positiv zu überraschen, blieb diesmal aus. Dies wird dahingehend interpretiert, dass sich die Analystinnen und Analysten in ihren Schätzungen überdurchschnittlich sicher fühlen. Dabei sollte man nicht ausser Acht lassen, dass die Vergleichsbasis im Vorjahr, also Q2 2023, mit einem Gewinnrückgang um -5.7% den Tiefpunkt der US-Gewinnrezession markierte. Dies dürfte wesentlich mithelfen, eine tiefe Basis für ein ansprechendes Gewinnwachstum gegenüber Vorjahr zu legen. Bei einer derart tiefen Vorjahresbasis wäre ein Verfehlen der Gewinnerwartungen eine klare Enttäuschung. 

Ein breiter abgestütztes Gewinnwachstum erwartet

Für weiteren Gesprächsstoff dürfte sorgen, wie breit das Gewinnwachstum im zweiten Quartal abgestützt sein wird. In den vergangenen drei Quartalen haben die "glorreichen Sieben" jeweils ein sehr solides Gewinnwachstum erzielt, während der S&P 493 ohne diese Werte ein negatives Gewinnwachstum aufwies. Im vergangenen Quartal war dies für den S&P 493 noch rund -2% gegenüber dem Vorjahr. In der nun anlaufenden Berichtssaison dürfte das Gewinnwachstum der "glorreichen Sieben" von rund +50% im Vorquartal auf schätzungsweise unter +30% in diesem Quartal zurückkommen. Der S&P 493 sollte dafür aber den Turnaround schaffen und ein positives Gewinnwachstum von rund +5% erzielen. Zwangsläufig bietet die aktuelle Ausgangslage somit viel Raum für Überraschungen in beide Richtungen. 

Bereits im ersten Quartal setzte sich die Erkenntnis durch, dass hohe Erwartungen zu asymmetrischen Marktreaktionen führen können. Das Übertreffen der Umsatz- und Gewinnerwartungen wurde mit durchschnittlich +0.9% belohnt, während das Verfehlen im Durchschnitt mit -3.2% quittiert wurde. Nach einer Performance im laufenden Jahr von über +44% sind die Erwartungen an die bisherigen Zugpferde, die "glorreichen Sieben", überdurchschnittlich hoch. Ähnliches gilt für den breiteren US-Technologiesektor, der im Jahresverlauf über +32% zulegen konnte. Hier lassen die Vorschusslorbeeren und erhöhten Bewertungsniveaus wenig Spielraum für Enttäuschungen. Brokerberichten zufolge preisen denn auch Optionen auf die Technologiegiganten in diesem Quartal grosse Reaktionen auf die Quartalsberichte ein. Die gewichtete, implizierte Kursbewegung am Handelstag nach den Zahlen wird für die Technologiegiganten aktuell auf durchschnittlich 4.5% geschätzt. Sollte dies eintreffen, wären es die ausgeprägtesten Marktreaktionen seit 16 Jahren. Diese Erwartungen treffen hingegen nur geringfügig auf den breiten S&P 500 zu. Sollte sich die Verbreitung der Gewinndynamik im Verlauf der Berichtssaison materialisieren, könnten die bisher vernachlässigten Marktsegmente ihr Aufholpotenzial entfalten.

Ein Blick über die laufende Berichtssaison hinaus

Aktuellen Schätzungen zufolge gehen Analysten und Analystinnen gegenwärtig von einem erwarteten Gewinnwachstum gegenüber dem Vorjahr von +8.1% im dritten Quartal, gefolgt von einer Beschleunigung auf +17.3% im vierten Quartal 2024 aus. Damit würde für das Gesamtjahr 2024 ein Gewinnwachstum von +11.2% resultieren, massgeblich geprägt von einer stärkeren zweiten Jahreshälfte. Das vierte Quartal soll aber nur das erste von fünf Quartalen in Folge mit zweistelligem Gewinnwachstum werden. Die aktuellen Konsenserwartungen für das erste Quartal 2025 stehen bei einem Gewinnwachstum von +15.2%, für das zweite Quartal von +15.6%. Die Berichtssaison für das zweite Quartal 2024 wird somit erste wesentliche Indizien liefern, ob die Erwartungen an die kommenden Quartale so bleiben können oder nicht. Wir wünschen eine spannende Berichtssaison.

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