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Market View & Insights
Vor der Entwicklung und dem Ausbau unserer heutigen globalen Verkehrsnetze wurden nur die kostbarsten Rohstoffe "en gros" gehandelt. Heutzutage befasst sich der Rohstoffhandel mit einer breiten Palette von GĂŒtern - von Getreide und Gold bis hin zu Erdöl und Erdgas.
Bei Rohstoffen oder Commodities handelt es sich um Rohmaterialien, die beispielsweise bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Treibstoffen, Möbeln und KleidungsstĂŒcken verwendet werden. Sie werden in grossen Mengeneinheiten gehandelt und lassen sich unabhĂ€ngig von ihrer Bezugsquelle gegen andere Rohstoffe derselben Art und GĂŒte austauschen. So sind z. B. alle Körner von Chicago-Weizen oder Soft Red Winterweizen identisch und das sogenannte Westen-Spruce-Fichtenholz bezeichnet Hölzer, die sich in wesentlichen Kriterien gleichen. Konsumentinnen und Konsumenten erwerben Weizen oder Fichtenholz nur selten direkt. Abnehmer sind vielmehr die Unternehmen, die Backwaren oder Möbel herstellen. HĂ€ufig versorgen sie sich ĂŒber Rohstoffbörsen.
Im Rohstoffhandel geht es grundsĂ€tzlich um Angebot und Nachfrage: Ist das Angebot knapp, steigen die Preise; Preisanstiege können wiederum die Nachfrage bremsen. Rohstoffbörsen ermöglichen es den Herstellern, ihren aktuellen und zukĂŒnftigen Rohstoffbedarf zu steuern. Wer umgehende Lieferungen benötigt, kauft zum Kassapreis oder Spot Price; wer die Lieferung zu einem spĂ€teren Datum benötigt, zum entsprechenden Terminpreis oder Future Price.
Der Rohstoffhandel begann etwa 8500 bis 9000 v. Chr. mit dem Austausch von landwirtschaftlichen GĂŒtern zwischen verschiedenen Gemeinschaften. Wetter- oder kriegsbedingte Preisschwankungen waren an der Tagesordnung und sorgten dafĂŒr, das das Angebot und somit auch die Preise schliesslich durch Lagerung stabilisiert wurden.
Dies gab den Anstoss fĂŒr die Entwicklung der ersten TermingeschĂ€fte (Forward-Kontrakte). Sie wurden wahrscheinlich im 17. Jahrhundert in Japan erfunden: KĂ€ufer zahlten im Voraus fĂŒr Reislieferungen. Der Reis wurde fĂŒr den spĂ€teren Konsum in LagerhĂ€usen aufbewahrt, sodass ein ganzjĂ€hriges Angebot bestand. Die HĂ€ndler verkauften Quittungen fĂŒr zukĂŒnftige Lieferungen des eingelagerten Reises. Diese Quittungen wurden wie eine informelle WĂ€hrung verwendet; sie sind ein VorlĂ€ufer unserer heutigen Futures.
Knappe Rohstoffe spielten eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Handelsimperien. Gold und Silber, GewĂŒrze, Tee, Kaffee und Kakao wurden zwischen Asien und Europa gehandelt. Immer bessere Verkehrsverbindungen erleichterten diesen Handel entlang der GewĂŒrz- und der Seidenstrasse zu Land und zu Wasser. Von jeher waren die Transportkosten ein erhebliches Problem, bis das Aufkommen der Eisenbahnen und der industriellen Schifffahrt im 19. Jahrhundert eine Wende brachte und die Kosten fĂŒr den Warentransport ĂŒber grosse Entfernungen senkte.
Dennoch beschrĂ€nkte sich der Rohstoffhandel grösstenteils auf landwirtschaftliche GĂŒter und lokale Gemeinschaften - bis zur Eröffnung des Chicago Board of Trade (CBOT) im Jahr 1848. Chicago war dank einer Anbindung an das Kanal- und Eisenbahnnetz zwischen den Great Lakes und dem Mississippi ein zentraler Knotenpunkt fĂŒr den Agrarhandel. Daher war es sinnvoll, hier eine zentrale Getreidebörse zu errichten, von der sowohl die BĂ€uerinnen und Bauern als auch die KĂ€uferinnen und KĂ€ufer profitieren wĂŒrden.
Es folgten weitere Börsen einschliesslich der Chicago Produce Exchange, die zunĂ€chst Kassapreise fĂŒr Eier und Butter festsetzte. Im Jahr 1919 wurde sie zur Chicago Mercantile Exchange, die sich nicht lĂ€nger auf Agrarrohstoffe wie SchweinebĂ€uche und Vieh beschrĂ€nkte, sondern auch Metalle und spĂ€ter auch Financial Futures anbieten sollte. Heute können fast alle Rohstoffe an offiziellen Börsen wie den genannten und ĂŒber globale elektronische Handelsplattformen gehandelt werden.
Rohstoffe lassen sich in zwei Gruppen einteilen: sogenannte "soft commodities" (agrarwirtschaftliche Rohstoffe) und sogenannte "hard commodities" (nicht-landwirtschaftliche Rohstoffe). Zu Ersteren zĂ€hlen angebaute oder gezĂŒchtete Rohstoffe wie Mais, Weizen, Reis, Sojabohnen und Vieh. Letztere werden vor allem unter Tage abgebaut oder mittels Bohrungen an die ErdoberflĂ€che befördert, z. B. Erdgas, Erdöl, Kohle, Aluminium und Gold. Die Risiken und Chancen des Rohstoffhandels sind jedoch fĂŒr beide Gruppen gleich.
Rohstoffe sind physische Vermögenswerte und reagieren daher anders auf konjunkturelle VerĂ€nderungen als Aktien und Anleihen. Rohstoffe profitieren beispielsweise von Teuerungen: Wenn die Preise fĂŒr GĂŒter steigen, steigen auch die Preise fĂŒr die Rohstoffe, aus denen sie hergestellt werden. Daher können Anlagen in Rohstoffen zur Absicherung gegen die Inflation dienen. (Aktien und Anleihen entwickeln sich besser, wenn die Teuerung stabil oder rĂŒcklĂ€ufig ist, da ein Inflationsanstieg den Wert ihrer zukĂŒnftigen DividendenausschĂŒttungen und Couponzahlungen senkt.)
Auch die Wertentwicklung verlÀuft sehr unterschiedlich. Seit 1970 weisen die jÀhrlichen Renditen des breit aufgestellten Bloomberg Commodity Index eine sehr geringe Korrelation mit den Aktienrenditen gemÀss MSCI World Index auf. Ein Vergleich mit globalen Anleihen (Barclays Global Aggregate Index) ergibt eine nahezu inexistente Korrelation. Im Gegensatz dazu korreliert der Bloomberg Commodity Index positiv mit den Inflationsdaten der OECD.
Diese geringen Korrelationen mit traditionellen Anlageklassen sind der Grund, weshalb Rohstoffe zur Portfoliodiversifikation beitragen: Sie können die VolatilitÀt sowie die Risiken des Portfolios senken und die Renditen verbessern.
Diversifikation und Absicherung gegen Inflationseffekte können Anleger aber nicht vor Verlusten schĂŒtzen. Als physische GĂŒter sind Rohstoffe Risiken ausgesetzt, die Finanzwerte nicht direkt tangieren: Der Getreidepreis ist unter anderem wetterabhĂ€ngig, ebenso der Preis von Vieh und Erdgas. Instabile geopolitische VerhĂ€ltnisse wirken sich auf den Wert von Gold und Erdöl aus, und Auseinandersetzungen mit ArbeitskrĂ€ften wie Streiks belasten die Preise von Metallen und Mineralien.
Rohstoffe können auch von politischen, regulatorischen und marktspezifischen Gegebenheiten tangiert werden. Gold wird beispielsweise weltweit als Anlage zum Werterhalt genutzt. In politisch unsicheren Zeiten tendiert der Goldpreis daher nach oben. Regulatorische Ănderungen (einschliesslich Sanktionen) können die Preise fĂŒr Hard Commodities ins Schwanken bringen und das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage rapide verĂ€ndern.
Finanzanlegerinnen und Finanzanleger erwerben nur selten physische Rohstoffe, mit Ausnahme von Gold und Silber, weil sie die Lager-, Versicherungs- und LiquiditÀtskosten scheuen. Stattdessen nutzen sie Exchange Traded Funds (ETFs) oder Futures und Rohstoffindizes. ETFs auf Basis von breiten Rohstoffindizes bieten den umfassendsten Zugang. Typisch sind Engagements im Energiesektor (Erdgas und Rohöl), in Getreide (Weizen, Mais und Soja), landwirtschaftlichen Soft Commodities (Baumwolle, Kakao und Zucker), Industriemetallen (Aluminium, Zink, Kupfer, Nickel und Blei) sowie Edelmetallen (Platin, Gold und Silber).
In den meisten FĂ€llen dominiert der Energiesektor diese Indizes. FĂŒr Anlegerinnen und Anleger, die fossile Brennstoffe vermeiden wollen, sind sie daher ungeeignet. Es gibt jedoch auch Indizes mit engeren Bandbreiten wie Industriemetall-, Edelmetall- oder Soft-Commodity-Indizes. Ein Index enthĂ€lt sogar ausschliesslich Rohstoffe fĂŒr das typische amerikanische FrĂŒhstĂŒck: Bacon, Orangensaft, Weizen, Kaffee und Zucker!
Anlegerinnen und Anleger können auch Aktien oder Futures von Unternehmen erwerben, die Rohstoffe produzieren, verarbeiten oder vertreiben. Rohstoff-Futures werden vor allem von industriellen Herstellern oder spezialisierten professionellen HĂ€ndlern gehandelt; fĂŒr Privatanlegerinnen und Privatanleger sind die mit ihnen verbundenen Risiken zu hoch.
Zum Schluss sei gesagt, dass Rohstoffe Anlagechancen bieten können, unter dem Strich sind sie aber genauso volatil wie Aktien. Daher tun Anlegerinnen und Anleger gut daran, beim Aufbau eines diversifizierten Portfolios neben den Aktien- und Anleihenallokationen nur einen kleinen Prozentsatz in Rohstoffe zu allokieren.