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Market View & Insights
Die Modeindustrie hat mit ihrem immensen CO2-Fussabdruck zu kämpfen. Ein Blick nach Hongkong, wo Startups und NGOs Wege in eine nachhaltigere Modewelt aufzeigen.
Hongkong, einer der wichtigsten Finanzplätze der Welt, war einmal eine globale Textil-Grossmacht. Die Betonung liegt auf "war einmal": Heute werden in der Stadt kaum noch Textilien und Kleidungsstücke hergestellt; die Produktion hat sich schon vor Jahrzehnten an kostengünstigere Standorte verlagert - unter anderem nach Festlandchina und Vietnam.
Dennoch bewahrt Hongkong seinen Status als Zentrum der Bekleidungsindustrie; viele Branchenorganisationen haben nach wie vor ihren Hauptsitz in der Stadt. Und nun scheint eine neue Entwicklung ihren Anfang zu nehmen: Die chinesische Sonderverwaltungsregion (SVR) widmet sich zunehmend der katastrophalen Auswirkungen der Mode auf die Umwelt.
Der UN zufolge ist die Bekleidungs- und Textilindustrie für schätzungsweise 2% bis 8% der weltweiten Treibhausgasemissionen sowie rund 9% der Mikroplastikverschmutzung der Ozeane verantwortlich, und verbraucht jährlich rund 215 Billionen Liter Wasser.
Im Lauf der Jahre ist eine Reihe von Initiativen für mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche aus Hongkong hervorgegangen. Dazu zählen beispielsweise das im Jahr 2008 gegründete Sustainable Fashion Business Consortium des Textilverbands Hongkong, die Sustainable Fashion Apparel Association (SFAA), deren Mission darin besteht, die Nachhaltigkeit der Hongkonger Mode zu fördern, sowie Redress, eine auf Asien ausgerichtete NGO, die sich dafür einsetzt, "den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in der Mode durch Aufklärung und Stärkung der Designerinnen und Designer sowie der Konsumentinnen und Konsumenten zu beschleunigen, um die negativen Auswirkungen der Bekleidung auf die Umwelt zu verringern". Einige Hongkonger Hochschulen für Design, darunter die Hong Kong Polytechnic University, bieten zudem Lehrgänge im Bereich nachhaltige Mode an.
Teil dieses Ökosystems ist The Mills Fabrica. In erster Linie fördert und finanziert die Organisation nachhaltige Innovatorinnen und Innovatoren in der Textil- und Bekleidungsindustrie. The Mills Fabrica arbeitet mit allen genannten Gruppen aus Hongkong zusammen, um eine nachhaltigere Modeindustrie zu fördern. Cintia Nunes, The Mills Geschäftsführerin und Leiterin Asien, illustriert die Auswirkungen der Modeindustrie am Beispiel eines Kleidungsstücks, das in jedem Kleiderschrank zu finden ist: Jeans. Jeansstoff - oder Denim - ist ein äusserst umweltschädliches Gewebe, erklärt sie: Der konventionelle Baumwollanbau verschlingt grosse Mengen an Wasser, Pflanzenschutz und Anbauflächen; das typische Jeansblau benötigt tonnenweise Wasser. Hinzu kommen Techniken wie das Sandstrahlen und das sogenannte Whiskering - das Erzeugen von Querfalteneffekten in der Schritt-, Oberschenkel- und Kniegegend.
"Diese Effekte sehen Sie ziemlich sicher an Ihrer eigenen Jeans", sagt Cintia Nunes. "Sie sind nicht auf natürliche Weise entstanden, sondern ganz offensichtlich eingearbeitet. Und Denim ist selbst einer der umweltschädlichsten Stoffe, wenn er aus konventionell erzeugter Baumwolle besteht."
The Mills Fabrica arbeitet mit einigen wenigen Jeansproduzenten zusammen - darunter Advance Denim, Lenzing und Stella Blu - die weniger wasserintensive Technologien nutzen, nachhaltigere Stoffe und Färbeverfahren einsetzen. Ein Teil der Arbeit von Fabrica besteht in der Förderung von Nachwuchsdesignerinnen und -designern, wobei es nicht nur um deren finanzielle Unterstützung geht, sondern auch um das Vernetzen mit Mentorinnen, Mentoren und Fachleuten innerhalb der Branche. So fördert die Organisation nachhaltige Mode von Grund auf, indem sie angehende Designerinnen und Designer dabei unterstützt, mit Stoffen zu arbeiten, die umweltfreundlich hergestellt wurden. In gewisser Weise geht sie so die mit der Überproduktion und der sogenannten Fast Fashion verbundenen Probleme an, wie dem Wegwerfen unverkaufter oder unmodisch gewordener Kleidungsstücke.
"Um echte Lösungen für mehr Nachhaltigkeit zu finden, müssen wir beim Design ansetzen. Alles steht und fällt mit den Designerinnen und Designern, ihren Entscheidungen für Produktionsverfahren, bestimmte Stoffarten und Ausgangsprodukte. Auch bei den Farbstoffen müssen sie umdenken - und das sind nur einige wenige Beispiele", sagt Cintia Nunes. "Wenn wir hier also zu Beginn des Berufswegs der Designerinnen und Designer eingreifen können, werden hoffentlich immer mehr von ihnen nachhaltigere Designs entwerfen."
Die Programme von The Mills Fabrica sind vielzählig: Ihr Venture Fonds ermöglicht Investitionen in Technologien für die Textil-, die Nahrungsmittel- und Landwirtschaftsbranche, sie betreiben eine Co-Working-Infrastruktur und einen Eventraum, unter anderem für Modeschauen der Studierenden, sowie ein Labor, in dem Prototypen erschaffen und getestet werden. Es gibt Flächen für den Detailhandel und gemeinnützige Initiativen, die pädagogische Workshops für Kinder und Weiterbildungen für ältere Menschen anbieten, sowie wirkungsorientierte Initiativen wie Studenten-Wettbewerbe für nachhaltige Modedesigns. Den Gewinnerinnen und Gewinnern winken Bildungsaufenthalte in Hongkong oder London, seit The Mills Fabrica dort 2021 eine Niederlassung eröffnet hat und eine Partnerschaft mit Central Saint Martins, der Hochschule für Kunst und Design, eingegangen ist.
Der Name der Organisation leitet sich von ihrem Standort ab: einer seit Langem stillgelegten Baumwollspinnerei, die von ihrem Eigentümer, der Nan Fung Group, neu belebt wurde. Die ursprünglich als Textilunternehmen gegründete Gruppe ist heute in der Entwicklung und Bewirtschaftung von Immobilien, im Asset- und Facility-Management sowie im Anlagegeschäft tätig. "Heute sind wir, d.h. unser Mutterhaus, gar nicht mehr im Textil- oder Modegeschäft aktiv", sagt Cintia Nunes und betont, dass The Mills Fabrica bei der Zusammenarbeit mit Designerinnen, Designern und Stoffherstellern keine eigenen Interessen verfolgt. Vor Ort in der alten Spinnerei finden sich auch Ladengeschäfte, Restaurants und Bars, ein Textilmuseum und eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen. "Ein Grossteil der Arbeit von The Mills Fabrica findet sozusagen hinter den Kulissen statt, da wir abseits der Öffentlichkeit mit Investorinnen und Investoren sowie mit Startups zusammenarbeiten", ergänzt Cintia Nunes.
Die Impact-Strategie von Mills Fabrica basiert auf dem Planetary Boundaries Framework, einem wissenschaftlichen Ansatz, der neun kritische Grenzen identifiziert, die, einmal überschritten, irreversible Umweltveränderungen auslösen können. Seit ihrer Gründung im Jahr 2018 hat die Arbeit von Fabrica zu greifbaren Ergebnissen geführt: Um den Klimawandel, eine der neun Grenzen, anzugehen, haben sie beispielsweise in Circ investiert, dessen hydrothermale Verarbeitungstechnologie Polycotton-Textilien wieder in ihre ursprünglichen Rohstoffe zurückverwandelt. Allein im Jahr 2022 wurden durch diese Innovation 66 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart, was neue Möglichkeiten in der vorgelagerten Lieferkette für Techstyle-Textilien eröffnet.
In ähnlicher Weise hat Colorifix das weltweit erste biologische Verfahren zur Herstellung, Ablagerung und Fixierung von Pigmenten auf Textilien in industriellem Massstab entwickelt und bietet damit eine Lösung, die im Vergleich zu herkömmlichen Färbemethoden 31% weniger kohlenstoffintensiv ist.
Auch im Bereich des Wassersparens sticht die Technologie von Colorifix hervor, da sie 79% des Wassers einspart, das bei herkömmlichen Färbeverfahren verwendet wird. Ein weiterer Beitrag: die von unspun™ entwickelte 3D-Bodyscanning-Technologie zur Herstellung massgeschneiderter Jeans. Diese Innovation kann in Verbindung mit der resortecs®Smart Stitch Technologie bis zu 98% Wasser einsparen, wenn ein Paar unspun™ Jeans zu einem neuen Paar recycelt wird.
Innovative Stoffe, die aus den Inkubationen von Fabrica hervorgegangen sind, wurden von Marken wie Stella McCartney, GANNI, Zara, United Arrows, Mara Hoffman, Pangaia und Walmart verwendet.
Redress, die Hongkonger Nachhaltigkeits-NGO, befasst sich mit der anderen Seite der Umweltauswirkungen der Modeindustrie: Weggeworfene Kleidung. Sie hat in der ganzen Stadt Boxen aufgestellt, in die die Menschen ihre Altkleider zum Recycling einwerfen, und bietet ein Programm an, das die Menschen dazu einlädt, sich zu beteiligen und die Textilabfälle zu sortieren. "Es geht um Aufklärung und darum, der Öffentlichkeit das Ende der Lieferkette zu zeigen", so Nunes.
Die Organisation arbeitet auch mit Designerinnen und Designern zusammen und zeigt ihnen, wie sie verantwortungsbewusster produzieren können. Ihr jährlicher Redress Design Award ist der weltweit grösste Wettbewerb für von Nachwuchstalenten entworfene, nachhaltige Modedesigns. Der in Paris ansässige Kevin Germainier, der 2015 den ersten Preis gewann, als er noch Student am Central Saint Martins war, hat die Kostüme für die Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2024 in Paris entworfen. Als Redress-Gewinner verbrachte Germainier mehrere Monate in Hongkong, um eine Kapselkollektion für ein grosses Einzelhandelsunternehmen zu entwerfen - eine Erfahrung, die er als augenöffnend bezeichnet.
Diese Hongkonger Lobbyisten für nachhaltige Mode arbeiten mit dem Bildungssystem, der Öffentlichkeit, Investorinnen und Investoren, Startups, Marken, dem Detailhandel, der Produktion und der Forschung. "Dieses ganze Ökosystem ist die Grundlage: Wir müssen die richtigen Netzwerke schaffen, um die von uns gewünschte Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit und Impact in der Textilindustrie voranzutreiben", betont Cintia Nunes.
Mit anderen Worten: Trotz vieler bereits bestehender Bemühungen ist der Fussabdruck der Modeindustrie immer noch immens, und es muss noch viel mehr getan werden, um sie nachhaltiger zu machen, von den Designerinnen und Designern über die Produktion und die Lieferketten bis hin zu den Entscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Hongkong hat sich schon lange von seiner industriellen Vergangenheit gelöst und in eine moderne, informationsbasierte Gesellschaft verwandelt. Genauso sind diese Initiativen ein Versuch, die Bekleidungsindustrie in eine nachhaltige Gegenwart zu überführen.
Nachhaltiges Denken und Handeln mag manchen als Modetrend erscheinen; bei der Eigentümerin der LGT ist jedoch beides seit Generationen verankert. Die Fürstliche Familie verkörperte in vergangenen Jahrhunderten das Ideal der "adeligen Landbesitzer": Da ihre Einnahmen einst auf der Land- und Forstwirtschaft beruhten, war die nachhaltige Ausrichtung ihrer Landwirtschaftsunternehmen oberstes Gebot - und der wahrscheinlich wichtigste Faktor für den generationenübergreifenden Erfolg der unternehmerischen Familie.
Das langfristige Denken bildet den Kern ihrer Unternehmen - sei das im Weinbau oder in der Forstwirtschaft. Der LGT fällt dabei eine besondere Rolle zu: Als Bank kann sie nicht nur den eigenen Ressourcenverbrauch beeinflussen, sondern auch die nachhaltige Ausrichtung ihrer Anlagen.