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Market View & Insights
Dass nur junge Wilde erfolgreiche Startups gründen und führen können, ist ein Mythos. Erfolgreiches Unternehmertum kennt keine Altersvorschriften oder -Obergrenzen.
Nachdem Warren Buffett, Chairman und CEO von Berkshire Hathaway, am 3. August dieses Jahres den Verkauf von knapp der Hälfte der Apple-Aktien im Besitz der Holding-Gesellschaft für 76 Milliarden Dollar bekannt gegeben hatte, werweissten Auguren der Börsenmärkte fieberhaft über den Grund dafür. Dieser liess nicht lange auf sich warten: Zwei Tage drauf brach wegen der Abkehr von "Carry Trade" in Japan sowie schwacher Arbeitsmarktdaten und Rezessionsangst in den USA der Nikkei-Index um 12 % ein. In seinem Sog wurden an internationalen Devisen- und Cryptomärkten laut Bloomberg 6.4 Billionen US-Dollar an Wert vernichtet.
Buffett, der alte Fuchs, so der Konsens, hatte wieder einmal seinen Riecher bewiesen, indem er mit unfehlbarem Timing einen Profit realisierte, den er sodann im Tohuwabohu nach dem Nikkei-Crash für neue, gewinnbringende Investitionen einsetzen konnte. Mit seinen 59 Jahren Erfahrung als Unternehmer (Buffett erwarb 1965 die Aktienmehrheit von Berkshire Hathaway und restrukturierte das Textilunternehmen zur Holding-Gesellschaft, die Ende 2023 Vermögenswerte in der Höhe von 1.069 Billion US-Dollar verwaltete), mit seinem kumulierten Fachwissen und Instinkt hatte das Orakel von Omaha, mit 135 Milliarden Dollar Net-Worth der zehntreichste Weltbürger im Juni 2024, wieder einmal allen gezeigt, wo der Barthel seinen Most holt.
Der Coup des 93-Jährigen hat indes einen Nebeneffekt: Er stellt ein unternehmerisches Klischee in Frage. Demnach sind erfolgreiche Entrepreneure mehrheitlich junge Wilde, die aus der Garage oder dem Keller der Eltern die Geschäftswelt revolutionieren.
Pate steht dieser Idee Startup-Prominenz wie Mark Zuckerberg, der als 20-Jähriger zugunsten von Facebook sein Harvard-Studium abbrach, Bill Gates und Paul Allen sowie Steve Jobs, die ebenfalls mit 20 bzw. 21 Jahren Microsoft bzw. Apple gründeten, oder die 25-jährigen Google-Erfinder Larry Page und Sergey Brin.
Dabei sind solche Überflieger eher die Ausnahme. Gemäss einer Untersuchung der Harvard Business Review aus dem Jahr 2018 liegt das durchschnittliche Alter von erfolgreichen Unternehmensgründerinnen und -gründern bei 45 Jahren. Eine umfassendere Studie von MIT, Northwestern University, der Wharton School of Economics und dem US-Zensus legte das Median-Alter von Gründern und Gründerinnen aller Startups auf 42 Jahre, im Hi-Tech-Sektor auf 43 Jahre, und bei extrem schnell wachsenden Einhorn-also-Milliarden-Unternehmen auf 45 Jahre. Interessant auch die Verteilung: Laut dem Datenanalyse-Unternehmen Statista waren im Jahr 2022 nur 6 % aller Entrepreneure zwischen 20 und 30 Jahre alt, bescheidene 30 % standen in der vierten Dekade ihres Lebens. Demgegenüber hatten 64 % das 40. Lebensjahr bereits überschritten. "Alter kann in der Tat, und sehr genau, Erfolg voraussagen - allerdings in entgegengesetzter Richtung, als viele vorschlagen", schreiben Pierre Azoulay et al., die Autoren der Studie Age and High-Growth Entrepreneurship. "Die höchsten Erfolgsraten im Unternehmertum erzielen Gründer im oder jenseits des mittleren Alters." Erfolgreiches Unternehmertum hat also mehr mit Alter, Erfahrung und Reife zu tun, als wir gemeinhin annehmen.
Die Gründe dafür lassen sich mit ein wenig gesundem Menschenverstand leicht erahnen. Originalität, Kreativität und jugendlicher Überschwang auf der Höhe der physischen Leistungsfähigkeit sind zwar wichtige Zutaten für Unternehmergeist. Aber zentraler noch als intrinsische Motivation sind Erfahrung im Métier und ein erfolgreicher Track Record, das erworbene Spezialwissen in einer Branche sowie Empathie und Sensibilität für Gruppen- und Teamdynamik. All das lernt man nicht über Nacht, sondern während Jahren und Jahrzehnten. "Zentrale unternehmerische Ressourcen wie Human-, Finanz- und Sozialkapital häufen sich im Alter an", ist die simple Konklusion von Azoulay et al. Und wenn die Erfahrungs- und Kapitalmischung erst einmal stimmt, geht es auch mit der Firmengründung leichter von der Hand.
Einiges spricht sogar dafür, dass der gewinnbringende Mix im Laufe eines Geschäftslebens linear anwächst. Das heisst, gegebenenfalls verhalten sich unternehmerische Eignung und Fähigkeiten proportional zum Alter. Was erklären würde, warum Leute wie Warren Buffett (93), aber auch Modelegende Giorgio Armani (90), Robert Greenberg (84), Chef der Sneakerfirma Skechers, oder Bernard Arnault (75), CEO des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH, putzmunter an der Spitze ihrer Unternehmen schalten und walten.
Gewiss, es gibt Grenzen - wie unlängst der wahrscheinlich altersbedingte Rückzug Joe Bidens im Alter von 81 Jahren von der neuerlichen Präsidentschaftskandidatur gezeigt hat.
Aber der Alterungsprozess ist von Mensch zu Mensch und von Fähigkeit zu Fähigkeit verschieden - manch Senior oder Seniorin mag jüngere Semester in spezifischer Hinsicht immer noch locker übertreffen. Dazu kommt, dass in einer Führungsfunktion über Jahrzehnte erlernte und verfeinerte Fertigkeiten wie Wortschatz, Allgemeinbildung, Erfahrung bzw. Sachverstand und Menschenkenntnis gegenüber Alterungsprozessen resistenter sind als reine mentale Leistungskraft, Multitasking oder Geschwindigkeit bei der Informationsverarbeitung, die mit zunehmendem Alter abnehmen. Gerontopsychologen unterscheiden hier zwischen fluider Leistungsfähigkeit und kristalliner Intelligenzleistung. Während Erstere abnimmt, tendiert gemäss den Erforschern der alternden Psyche die kristalline Intelligenz dazu, im Alter erhalten zu bleiben - was eben die Führungs- und Managementqualitäten mancher Eminenz an der Spitze von erfolgreichen Unternehmen auch im hohen Alter erklären mag. Vielleicht sind die Buffetts, Armanis, Arnaults, aber auch die Arianna Huffingtons und Vera Wangs (denn auch Seniorinnen walten weiterhin als Unternehmerinnen, siehe unterhalb) kein Zufall, sondern eine logische Wahl. Gut Ding will eben Weile haben.
Mittlerweile wächst die Einsicht, dass Alterserfahrung und -weisheit eine mindestens so wichtige Ingredienz für erfolgreiches Unternehmertum ist wie jugendlicher Überschwang. Dies lässt sich auch anderweitig erhärten: Eine unlängst in der Neuen Zürcher Zeitung erwähnte Untersuchung eines Schweizer Headhunters legt sogar nahe, dass dem Alter insgesamt zunehmend Respekt gezollt wird. Demzufolge sind die oberen Kader der 100 grössten Arbeitgeber der Schweiz seit 2011 älter geworden. Deren Geschäftsleitungsmitglieder sind heute durchschnittlich 53 Jahre alt - im Vergleich zur runden 50 zu Anfang des untersuchten Zeitraums. CEOs sind durchschnittlich 55 Jahre alt, gegenüber 52 im Jahr 2012. Und Verwaltungsratspräsidenten sind derzeit im Mittel 65 Jahre alt. Ist der Trend nachhaltig, dann kann man durchaus von einer Korrektur altersbezogener Stereotypen in der Unternehmerwelt ausgehen. Für Ageism, also Vorurteile gegenüber älteren Menschen im Arbeitsleben, hat es womöglich immer weniger Platz. Gerade Entrepreneurship zeigt: Die alten Eisen des Unternehmertums glänzen stärker denn je.
Es müssen nicht immer die "30 under 30"- oder "40 under 40"-Listen der nächsten Entrepreneurstars von Forbes, Fortune und Co. sein. In den Pendants "7 über 70" oder "8 über 80" finden sich ebenso viele Beispiele von gestandenen Unternehmern, die noch spät im Leben als Erfolgsentrepreneur tätig waren oder zu einem solchen aufblühten.
Hier machen wir indes für einmal einen Bogen um Warren Buffett (93, Gründer, CEO & Chairman von Berkshire Hathaway), Harland David aka "Colonel" Sanders (der erst mit 65 im Jahr 1952 das Restaurant-Franchise Kentucky Fried Chicken gründete) oder Chaleo Yoovidhya, der 61 Jahre werden musste, um als Miterfinder von Red Bull Berühmtheit zu erlangen. Es müssen ja nicht immer die Männer sein.
Stattdessen hier eine Auswahl an vielleicht weniger bekannten, aber nicht minder eindrücklichen Seniorinnen, Pionierinnen und Wegbereiterinnen, die ebenfalls lieber in der obersten Entrepreneur-Liga mitspielen als an Pensionierung zu denken.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann gründete Marian Ilitch im Jahr 1959 in einem Vorort von Detroit die Pizzeria Little Caesars. Heute ist das Unternehmen die drittgrösste Pizza-Restaurantkette der USA und offizieller Pizza-Sponsor der National Football League. Ilitch selbst ist mit 91 Jahren immer noch die Vorsitzende der Ilitch Holdings, zu deren Imperium u.a. das American-Football- und Baseball-Team aus Detroit gehören. Ihr Vermögen wird mit über 4 Milliarden US-Dollar veranschlagt, was sie gemäss Bloomberg zu einer der sieben reichsten Frauen der Welt macht.
Doris F. Fisher ist Co-Gründerin des internationalen Bekleidungsunternehmens The Gap. Seit dem Launch der Company im Jahr 1969 in San Francisco ist das Unternehmen auf weltweit über 3500 Niederlassungen gewachsen, die einen Jahresumsatz von über 15 Milliarden US-Dollar erzielen. Einen Teil ihres Vermögens investierte die mehrfache Milliardärin in eine Kunstsammlung. Über 1000 Kunstwerke von 185 Künstlern (u.a. Andy Warhol, Ellsworth Kelly oder Richard Serra) sind permanente Leihwerke der Mäzenin und Philanthropin an das San Francisco Museum of Modern Art.
Nach dem Tod ihres Mannes Reinhard im Jahr 2009 übernahm Elisabeth "Liz" Mohn als 68-Jährige das Steuer beim deutschen Medienkonzern Bertelsmann. Sie trat den Vorsitz in der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft an und sass im Exekutiv-Komitee der einflussreichen Bertelsmann-Stiftung. Derweil Liz Mohn auch heute noch bei der Stiftung aktiv ist, hat sie die Leitung des Medienkonzerns, der u.a. mit Buchverlagen, Musikrechten, TV-Stationen und Technologietochterfirmen einen Jahresumsatz von 20 Milliarden erzielt, mittlerweile an die nächste Generation übertragen. Ihr und ihrer Familie Vermögen soll sich laut Bloomberg auf 6.8 Milliarden US-Dollar belaufen.
Mit 55 Jahren schwang sich die gebürtige Athenerin Arianna Huffington zur Queen der Blogosphäre auf und gründete in New York das nach ihr benannte Webzine "The Huffington Post". Mit ihrem schnellen, progressiven Mix aus Journalismus, Video-Reporting und usergenerierten Inhalten setzte die Internet-Nachrichtenseite ab 2005 Massstäbe im digitalen Journalismus der Nullerjahre. 2012 gewann die mittlerweile vom Mediengiganten AOL für 315 Millionen US-Dollar erworbene Huffpo als erstes digitales Medium 2012 einen Pulitzerpreis. TIME Magazine zählte Arianna Huffington zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten den Welt. Huffington verliess ihr Unternehmen 2016, um ihr eigenes Tech-Startup Thrive Global zu gründen. Die Autorin von 15 Büchern verfügt über ein geschätztes Vermögen von über 100 Millionen US-Dollar.
Während ihrer aktiven unternehmerischen Zeit war Johnelle Hunt die Business Managerin ihrer zusammen mit ihrem Ehemann 1961 im Gliedstaat Arkansas gegründeten Firma, deren Entwicklung vom Verpackungs- zu einem der grössten Transport- und Logistikunternehmen der USA sie begleitete. Frau Hunt diente der Firma im Verwaltungsrat bis nach dem Tod ihres Mannes, ihr Vermögen wird auf 3.5 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Nach abgeschlossenem Biochemie-Studium an der University of Berkeley in Kalifornien gründete Alice Schwartz zusammen mit einem Mitstudenten - ihrem späteren Ehemann -das Unternehmen Bio-Rad Laboratories. Als Direktorin und Vorstandsvorsitzende begleitete Schwartz den Aufstieg ihres Unternehmens als eine der ersten Biotech-Firmen in Life Sciences und Klinischer Diagnostik bis ins Jahr 2022 und hält nach wie vor 16 % der Anteile an Bio-Rad. Mit einem Vermögen von 2.5 Milliarden Dollar gilt sie gemäss Forbes als eine der reichsten Frauen Amerikas.
Mit 88 Jahren ist Ernestine Shepherd auch heute noch eine aktive Bodybuilderin und Ernährungsberaterin. Das Guinness Book of Records beschied ihr 2011 und 2012 den Rekord als älteste aktiv an Wettbewerben teilnehmende Bodybuilderin. Ihr Ruf als Muskelfrau verschaffte ihr zudem einen Auftritt im Musical-Film "Black is Beautiful" an der Seite von Beyoncé Knowles.
Model, Köchin, Börsenmaklerin, Journalistin, Buchautorin, Verlegerin, TV-Star, Stil-Ikone, Medienfirma-Empresaria - all diese beruflichen Stationen hat, die in New Jersey geborene Martha Stewart im Laufe ihrer Karriere durchlaufen und zu einer der bekanntesten Unternehmer-Persönlichkeiten der USA eingeköchelt. Stewart und ihre Marke "Martha Stewart Living" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein "household name" in Amerika: Kaum ein Segment von Haushalt, Kulinarik und Backen bis zu Design, Innen-/Aussenarchitektur und Gartenbau, dass sie mit ihren Magazinen und TV-Shows sowie Handels- und Zulieferfirmen nicht abgedeckt hat. Selbst eine aufsehenerregende und medial ausgeschlachtete Verurteilung zu einer 5-monatigen Gefängnisstrafe im Jahr 2005 wegen Insider-Trading steckte Stewart weg. Nachdem sie vor zwei Jahren als ältestes Model aller Zeiten (81) von der Titelseite des Magazins Sports Illustrated lächelte, ist Stewart auch heute noch im Podcast-Sektor sowie mit ihren eigenen Shows auf Roku präsent. Der Net-Worth der 83-Jährigen wird auf rund eine halbe Milliarde US-Dollar geschätzt.