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COP 29: Zu wenig, zu spät

Die Weltgemeinschaft konnte bei der 29. Klimakonferenz in Baku lediglich einen Minimalkonsens erzielen. Die Ergebnisse bleiben somit weit hinter den Erwartungen zurück. Während die Erde auf das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen zusteuert und die 1.5°C-Grenze höchstwahrscheinlich überschreiten wird, stockt der Fortschritt bei den dringend benötigten Klimaschutzmassnahmen.

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Cedric Baur, Equity Analyst, LGT Private Banking
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10 Minuten

The Strategist COP29
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Mit rund 35 Stunden Verspätung hat sich die Weltgemeinschaft bei der 29. Klimakonferenz in Baku (Aserbaidschan) doch noch auf einen gemeinsamen Abschlusstext geeinigt. Damit wurden ein diplomatisches Desaster und ein Scheitern der Konferenz am vergangenen Sonntag in letzter Sekunde abgewendet. Viele Fragen blieben jedoch offen und wurden, wie fast schon üblich, auf das nächste Jahr vertagt. Das Ergebnis der Klimakonferenz ist ein ambitionsloser Minimalkonsens, gegen den sich vor allem die ärmeren Länder vehement gewehrt hatten. So wurden auch neun Jahre nach dem Pariser Abkommen keine Fortschritte erzielt, um dessen Ziel, die Erderwärmung auf +1.5°C zu begrenzen, doch noch zu erreichen. Während der Klimawandel vor unseren Augen bereits weltweit verheerende Katastrophen verursacht, wurde mit der COP 29 auch in diesem Jahr eine weitere Chance vertan.

2024 wird voraussichtlich erstmals die 1.5°C-Grenze überschritten

Dabei sind die Vorzeichen, wohin die Welt steuert, zunehmend eindeutig: Nach den Daten des Erdbeobachtungsdienstes "Copernicus" der EU ist das Jahr 2024 auf dem besten Weg, das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen (1850) zu werden. Ein Trend, der sich fortsetzt, nachdem der Rekord bereits seit den letzten 10 Jahren jährlich gebrochen wird. 2024 wird wahrscheinlich sogar die +1.5°C-Marke gegenüber der vorindustriellen Zeit (1850-1900) überschreiten. Die Welt hat das Ziel des Pariser Abkommens somit beinahe mit Sicherheit bereits verfehlt. Dies ist nicht überraschend, da die globalen Treibhausgasemissionen neue Höchststände erreichen. Im Jahr 2023 stiegen die Emissionen um +1.3% gegenüber dem Vorjahr, während die durchschnittliche Wachstumsrate zwischen 2010 und 2019 noch bei +0.8% lag. Die stärksten Treiber sind dabei die fossilen Energieträger. Wenn die Länder Anstrengungen zur Erreichung ihrer erklärten Ziele nicht massiv beschleunigen, wird sich die Erde laut dem "Emissions Gap Report" der Vereinten Nationen (UN) bis 2100 um +2.6-3.1°C erwärmen. Die weltweiten Unwetter dieses Jahres waren ein Vorgeschmack auf das, was noch folgen dürfte.

Schritte zu Finanzierungszielen weiterhin offen

Zwar konnte sich die Klimakonferenz trotz anhaltender geopolitischer Konflikte auf eine Aufstockung der Finanzmittel für Entwicklungsländer von USD 100 Milliarden auf USD 300 Milliarden pro Jahr einigen. Allerdings liegt dieser Betrag deutlich unter den geforderten USD 1.3 Billionen und soll auch erst bis 2035 erreicht werden. Damit ist den Ländern des Südens bei der grundlegenden Transformation weg von Öl und Gas und bei der Anpassung der Infrastruktur an zunehmende Wetterextreme kaum geholfen. Die Verdreifachung der Mittel steht zudem lediglich auf dem Papier, denn die Summe ist nicht inflationsbereinigt. Auch ist die Formulierung im Abschlusstext recht vage, denn das Geld soll aus "einer Vielzahl von öffentlichen und privaten, bilateralen und multilateralen sowie alternativen Quellen" kommen. Das bisherige Ziel wurde 2009 beschlossen, aber erst 2022 erreicht, zwei Jahre nach Ablauf der Frist. Der Weg zu den USD 1.3 Billionen soll erst nächstes Jahr auf der COP 30 in Brasilien ausgearbeitet werden. Grosse Emittenten wie China oder Saudi-Arabien werden nach dem Gründungsjahr der Klimakonferenzen 1992 noch als Entwicklungsländer eingestuft und leisten keine oder nur freiwillige Beiträge. Es ist daher äusserst fraglich, ob die zugesagten Beträge überhaupt erreicht werden. Die Industrieländer hingegen sind ihrer historischen Verantwortung bisher nicht gerecht geworden. Im nächsten Jahr dürfte es nicht einfacher werden, da die USA als verlässlicher Partner unter Präsident Trump wohl gänzlich ausfallen dürften. 

Der Minimalkonsens zur Finanzierung muss also dennoch als kleiner Erfolg gewertet werden. Immerhin werden Mittel für die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder bereitgestellt. Positiv ist zudem, dass es keinen Rückschritt bei der Formulierung zur "Abkehr von Öl und Gas" und beim Ausbau der erneuerbaren Energien gegeben hat. Der Umbau der Energieerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien oder der Infrastruktur ist in vielen Ländern bereits im Gange und kaum mehr aufzuhalten. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet in einem konservativen Szenario, dass sich der globale Strombedarf bis 2050 verdoppeln wird. Ein wesentlicher Teil davon wird durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Zwar wird sich die Kapazität der erneuerbaren Energien nicht verdreifachen, wie im letzten Jahr auf der COP 28 in Dubai formuliert, aber voraussichtlich um den Faktor 2.4 wachsen. 

Private Investitionen bleiben zentral für die globale Dekarbonisierung. Die Entwicklungsländer dürfen dabei aber nicht aussen vor bleiben, denn auch sie müssen ihre Treibhausgasemissionen senken und sich an die neue Klimarealität anpassen. Ob der Durchbruch für die Mobilisierung der notwendigen Mittel auf zukünftigen Klimakonferenzen gelingen kann, ist allerdings fraglich. Vermutlich müssen sich die Industrieländer ausserhalb der Konferenzen bilateral oder multilateral um substanzielle Unterstützung bemühen, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Die ersten Rechnungen für versäumte Investitionen zahlen wir bereits heute. In Zukunft könnten sie noch viel höher ausfallen.

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