- Home
-
Private banking
-
LGT career
Der britische DeepMind-Gründer und CEO Demis Hassabis bleibt eine bescheidene Figur in einer Welt schriller Tech-Giganten.
15. März 2016, 21. Etage des Four Seasons Hotel in Seoul: Das Gemurmel verstummt langsam, gespannte Stille breitet sich aus. An diesem Tag haben sich Hunderte Menschen in der südkoreanischen Hauptstadt versammelt. Sie verfolgen zusammen mit Millionen weiteren, über einen globalen Livestream zugeschalteten Zuschauerinnen und Zuschauern ein Duell, das zu einem Meilenstein in der Entwicklung der künstlichen Intelligenz werden sollte.
Auf der einen Seite des legendären Wettkampfs: Lee Sedol, der Lokalmatador mit Heimvorteil. Der damals 33-jährige Sedol ist einer der weltbesten Spieler von Go, dieses ausserordentlich komplexen Brettspiels. Ausgetragen wird es mit schwarzen und weissen Steinen auf 19-mal-19 Quadraten, ebenfalls in Schwarz und Weiss. In China ist Go entstanden, vor mehr als 2500 Jahren.
Auf der anderen Seite des Spielbretts: Ein Mann. Doch er ist nur ein Stellvertreter, befolgt Anweisungen auf einem Screen. Und fungiert damit quasi als Arm von AlphaGo, einem maschinellen Lernsystem, das von Forschenden des in London ansässigen KI-Start-ups DeepMind zu einem einzigen Zweck entwickelt worden ist: im Go-Spiel jeden Menschen zu übertrumpfen.
Das Spiel dauert nicht bloss Stunden. Sondern Tage. Sechs, um genau zu sein - so lange duellieren sich Sedol und AlphaGo. Ihr Wettstreit ist deutlich folgenschwerer als der berühmte Schlagabtausch zwischen dem Supercomputer Deep Blue von IBM und dem Schachweltmeister Garry Kasparow in den späten 1990er-Jahren.
Denn Schach ist ein Kinderspiel - im Vergleich zu Go. Beim Schach gibt es für jeden Spielzug im Durchschnitt 35 mögliche Optionen. Bei Go hingegen sind es 250. Diese führen jeweils zu 250 weiteren Zugmöglichkeiten. Daraus resultieren Milliarden von Spielpositionen. Deep Blue konnte im Schachduell mit Kasparow auf die Brute-Force-Methode setzen, also auf die Ermittlung aller Zugmöglichkeiten, um den Spielverlauf zu antizipieren. Auf dem Go-Spielbrett funktioniert dieser Ansatz nicht mehr.
Um Sedol schlagen zu können, muss AlphaGo wie der Spieler denken. Die menschliche Intuition imitieren, dazu eine Datenbank mit Millionen realer menschlicher Spielzüge auswerten. Unmöglich, sagen die meisten. Kaum jemand nimmt im März 2016 an, dass die Maschine gewinnen wird. Sedol selbst rechnet mit einem klaren 5:0-Sieg.
Zur gleichen Zeit in einem separaten Hotelzimmer: Die Entwickler von AlphaGo stehen, sitzen, tigern nervös herum. Sie haben den Raum in das Kontrollzentrum der DeepMind-Mission umgewandelt. Über mehrere Bildschirme - angeschlossen an eine enorme Rechenleistung - flimmern Daten und Grafiken. Derweil beobachtet der heute 47-jährige Demis Hassabis das Gesicht von Sedol, der von Zeit zu Zeit schwer atmet, sich am Kopf kratzt, die Stirne runzelt.
Für Hassabis, eine bescheidene Figur in dieser Welt der sonst so schrillen Tech-Titanen, geht es bei diesem Spiel um viel. Zwei Jahre zuvor hat er sein Start-up für angeblich USD 625 Millionen an Google verkauft. Dies brachte ihm ein nicht beziffertes Vermögen und einen Bekanntheitsgrad ein, der so gar nicht zu seiner natürlichen Reserviertheit passen will.
Es war die Spekulation auf eine baldige Revolution im Bereich der künstlichen Intelligenz, die Google verleitet hatte, zuzugreifen - gepaart mit der Begabung eines Mannes, der in der Frühphase des Artificial-Intelligence-Wettlaufs im Silicon Valley die Nase vorne hatte.
Dieses Go-Spiel war mehr als ein Werbegag: Es war ein "proof of concept". Der Beweis der Machbarkeit. Sollte eine Maschine wirklich einen Menschen beim Go schlagen - wer weiss, was sie dann sonst noch erreichen würde?
Trotz seiner Bescheidenheit beschreibt Demis Hassabis die Arbeit an DeepMind als "Apollo-Programm für das 21. Jahrhundert". Ein Ausdruck seines Ehrgeizes und des geballten Talents seines Teams. Ein Scheitern dieser Aktion hingegen würde die gesamte Unternehmung bedrohen. Was Hassabis im Jahr 2016 - nach AI-Massstäben vor einer halben Ewigkeit - vielleicht noch nicht ganz absehen konnte, waren die Konsequenzen seines Erfolgs und was die von ihm entwickelten Maschinen auslösen würden: Nicht nur Euphorie. Sondern auch Existenzängste.
Demis Hassabis wurde 1976 im Norden Londons geboren. Sein Elternhaus bot nicht unbedingt den Nährboden für technologische Innovationen. Hassabis beschreibt seine Eltern als "unkonventionell". Seine Mutter mit chinesisch-singapurischen Wurzeln arbeitete in einem Kaufhaus, während sein Vater, der griechisch-zypriotischer Abstammung war, "vielen verschiedenen Dinge nachging" - unter anderem Schreiben und Singen. "Keiner von ihnen ist auch nur im geringsten technikaffin, was rückblickend schon recht seltsam ist", gibt Hassabis zu.
Als er mit dem Schachspielen begann, war er vier Jahre alt. So entwickelte er ein Naturtalent für strategisches Denken - und fürs Gewinnen. Als 13-Jähriger wurde er Schachmeister und nahm regelmässig an der Denksport-Olympiade teil. Deren Organisatoren beschrieben den Jungen als den "wahrscheinlich besten Spieler der Geschichte".
Mit seinen ersten Schachpreisgeldern kaufte sich Hassabis einen ZX Spectrum, einen frühen britischen Heimcomputer. "Ich hatte den Eindruck, das sei eine Art Wundermaschine", erinnert er sich. "Wenn ich heute zurückblicke und von der Metapher ausgehe, dass ein Auto eine Maschine zur Steigerung physischer Geschwindigkeit und damit menschlicher Fähigkeiten ist, dann tat mein damaliger Computer genau dasselbe mit meinem Geist. Ich glaube, das habe ich als Kind intuitiv verstanden."
Mit ungefähr acht Jahren kaufte sich Hassabis Bücher, um sich das Programmieren beizubringen. Er besuchte die örtliche Schule, das Lernen fiel ihm leicht und er schloss sie ungewöhnlich früh ab. Deshalb legte man ihm nahe, sich vor dem Beginn eines Informatikstudiums an der Cambridge University ein Jahr Auszeit zu nehmen. Hassabis nutzte diese Zeit, um in die Computerspielbranche einzusteigen. Für Bullfrog Productions im südenglischen Surrey arbeitete er an Computerspielen, die sich millionenfach verkauften - darunter auch an Theme Park, eines der ersten Videospiele mit integrierter AI.
Das Studium in Cambridge, das Demis Hassabis 1997 abschloss, frustrierte ihn oft - vor allem wegen der Behandlung des Themas Künstlicher Intelligenz. Seine Dozenten beurteilten diese junge Technologie aus einem zu engen Blickwinkel, ist er überzeugt. "Ich kann mich noch genau an eine Vorlesung erinnern, bei der ich zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen um mich herum sagte: Wir sollten uns das nicht anhören. Sie unterziehen uns einer Gehirnwäsche", so Hassabis im Jahr 2015. "Ich hatte etwas zu laut gesprochen, weshalb mich der Dozent zur Rede stellte und meinte: Wenn Sie meinen, bereits alles zu wissen, brauchen Sie gar nicht erst hierher zu kommen."
Hassabis verliess den Hörsaal, schloss sein Studium aber trotzdem mit einem Spitzenergebnis ab und kehrte in die Spielebranche zurück. Die Idee für ein Forschungsprojekt und Technologie-Start-up, das spätere DeepMind, hatte er bereits im Hinterkopf, als Hassabis seine eigene Videospielfirma Elixir Studios gründete. Für seine anspruchsvollen Spiele schuf er riesige, von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Welten.
Demis Hassabis hat sich selbst einmal als Menschen beschrieben, dem es schnell langweilig wird - er ist ein moderner Universalgelehrter, der auf ganz unterschiedlichen Gebieten glänzt. Hätte er statt seines Talents für Denksportarten eine Begabung für physischen Sport entdeckt, wäre er Zehnkämpfer geworden, ist er überzeugt. Doch seine absolute Faszination galt schon früh dem menschlichen Gehirn. Deshalb kehrte er bald in die akademische Welt zurück. Seine erste Station führte ihn an das University College London (UCL), wo er 2009 einen Doktortitel in kognitiven Neurowissenschaften erhielt.
Seine Forschungsarbeit über das Gedächtnis stiess auf ein breites Medienecho. Er wurde bald als Gastwissenschaftler an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an die Harvard University eingeladen. Doch Hassabis behielt sein langfristiges Ziel im Auge: Bei all seiner Forschungsarbeit hatte er in der Funktionsweise des Gehirns stets Inspiration gesucht, um die KI-Algorithmen seiner Träume zu entwickeln.
2010 gründete Demis Hassabis zusammen mit Shane Legg und Mustafa Suleyman, zwei anderen AI-Genies und Unternehmern, das Start-up DeepMind in London. Sie machten sich daran, die neuesten Erkenntnisse aus der neurowissenschaftlichen Forschung mit den jüngsten Errungenschaften im Bereich des maschinellen Lernens und der Rechenleistung zu verknüpfen, um lernende Algorithmen zur Erschaffung einer Art allgemeiner künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Ihre Mission: Zuerst das "Intelligenzproblem zu lösen", um mit dieser Intelligenz dann "alles andere zu lösen."
Hassabis nutzte weiterhin die Computerspiel-Technik zur Entwicklung, Überprüfung und Demonstration von Fortschritten in dem sich abzeichnenden Wettlauf unter den grossen Tech-Firmen. Jede von ihnen wollte als erste das volle Potenzial der KI erschliessen.
2013 veröffentlichte DeepMind die Ergebnisse seiner ersten richtungsweisenden Studie. Das Unternehmen hatte ein immer intelligenteres System darin trainiert, sieben klassische Atari-Spiele wie Space Invaders, Boxing und Pong zu spielen. Die Maschine erhielt lediglich die Anweisung, stets höhere Punktzahlen zu erzielen. DeepMind schnitt bei allen Spielen glänzend ab und verblüffte alle, die dabei zusahen, wie die Maschine die Aufgaben intuitiv meisterte.
Einige Wochen nach Veröffentlichung der Testergebnisse griff Google dann zu und brachte seine grösste Übernahme eines europäischen Start-up-Unternehmens unter Dach und Fach. Jetzt war Hassabis plötzlich in aller Munde. Das behagte ihm gar nicht. Einige Tage nach dem Verkauf gab er einer Londoner Zeitung ein Interview: "Die letzten Tage waren der helle Wahnsinn. Das fühlt sich schon etwas seltsam an. Wir möchten einfach nur in aller Ruhe weiterarbeiten."
Google war nicht der erste Tech-Gigant, der DeepMind kaufen wollte. Die Talente des Firmen-Hauptgründers waren einfach zu offensichtlich. Die Beweggründe eines früheren Unterstützers des Start-up-Unternehmens liessen bereits erahnen, mit welchen Turbulenzen der KI-Wettlauf einhergehen würde: Elon Musk hatte Demis Hassabis in seiner Raketenfabrik SpaceX ausserhalb von Los Angeles getroffen. Dort diskutierten die beiden Männer, welches ihrer Projekte das weltweit wichtigste werden würde: Musk pochte auf die von ihm angestrebte interplanetare Kolonialisierung, Hassabis auf die künstliche Superintelligenz, die er gerade entwickelte. Musk argumentierte, dass sich der Mensch möglicherweise eines Tages auf den Mars flüchten müsse, wenn die AI zur Zerstörung der Menschheit ansetze. Hassabis meinte hingegen, die AI würde sich einfach in die Menschheitsgeschichte einreihen und ihren Weg mitgestalten.
Die Männer scherzten miteinander, doch Musk sorgte sich zunehmend über die Konsequenzen des rapiden Fortschritts im KI-Bereich. 2014 sagte er, er habe vor der Übernahme durch Google - und nicht aus finanziellem Interesse - Anteile an DeepMind gekauft, "um die Entwicklung der künstlichen Intelligenz im Auge zu behalten. Ich glaube, dass die Folgen dieser rasanten Entwicklung gefährlich sein könnten." Und weiter: "Wir sollten darauf hinarbeiten, dass diese Folgen gut und nicht schlecht für uns sind."
Musk behauptete später, noch weiter gegangen zu sein und versucht zu haben, Googles Angebot für DeepMind zu überbieten. Ein Jahr später, also 2015, gründete er zusammen mit anderen Akteuren OpenAI, das Forschungslabor und Start-up, das später das ChatGPT-Sprachmodell ins Leben rufen sollte. Musk verliess OpenAI allerdings 2018.
Mit seinen warnenden Äusserungen zur AI war er nicht allein: 2014 hatte der mittlerweile verstorbene britische Physiker Stephen Hawking gesagt, AI sei "das grösste Ereignis in der Geschichte der Menschheit... Es könnte aber leider auch das letzte sein."
In den Monaten nach der Google-Übernahme versuchte Hassabis, diesem Bedrohungsgefühl entgegenzuwirken und den Nutzen der KI herauszustreichen. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind das Science-Fiction-Geschichten", erklärte er 2015 gegenüber der Financial Times. "Zweifellos wird KI eine ungeheuer leistungsfähige Technologie sein. Deshalb befasse ich mich damit. Sie hat das Potenzial, der Menschheit unvorstellbare Fortschritte einzubringen." Und er fügte hinzu: "In unserem Forschungsprogramm gibt es nichts, was mit der Programmierung von Bewusstsein zu tun hat."
Doch Demis Hassabis war nicht naiv. Er hatte in den Verkauf an Google nur unter der Bedingung eingewilligt, dass DeepMind unabhängig und nichtkommerziell blieb. Und später setzte er sich für einen separaten Rechtsstatus des Unternehmens und einen unabhängigen Lenkungsausschuss ein, der die mächtige Technologie überwachen sollte. Interessant dabei: Hassabis hatte DeepMind nicht nur mit dem Apollo-Raumfahrtprogramm verglichen, sondern auch mit dem Manhattan Project aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, das auf die Herstellung der ersten Atomwaffen abgezielt hatte.
Das Gefühl, der Geist sei nun aus der Flasche entwichen, verbreitete sich zunehmend - besonders nach dem grossen Erfolg von ChatGPT im Jahr 2022. Im April dieses Jahres gab Google, das Berichten zufolge vom OpenAI-Coup überrumpelt worden war, die Fusion von DeepMind mit dem Technologielabor Google Brain bekannt. Hassabis verlor seine Unabhängigkeit, gewann aber im Gegenzug als Leiter der neuen Geschäftseinheit Google DeepMind immer mehr Einfluss.
Parallel dazu wurden allerdings noch mehr Warnungen vor den potenziellen Bedrohungen durch KI laut. Viele dieser Äusserungen kamen von wichtigen Innovatoren und Vertreterinnen der Technologie. Sie riefen grossflächig dazu auf, den KI-Fortschritt zu stoppen. Auch Hassabis lässt sich inzwischen auf solche Bedenken ein. Im Mai setzte er seine Unterschrift unter eine Erklärung des Center for AI Safety, die besagt: "Die Eindämmung des Risikos, dass die Menschheit durch KI ausgerottet wird, sollte weltweit Priorität haben - ebenso wie die Minimierung anderer gesellschaftlicher Bedrohungen, etwa durch Pandemien oder einen Atomkrieg."
Lee Sedol gelingt 2016 letztlich nur ein einziger Sieg gegen AlphaGo, womit er mit 4:1 gegen die Maschine verliert. Mit seiner Fassungslosigkeit ist er nicht alleine. "Das hat in mir Zweifel an der menschlichen Kreativität geschürt", sagt er nach dem Spiel in einer Pressekonferenz. "Als ich die Spielzüge von AlphaGo sah, begann ich, an den mir bekannten Go-Zügen zu zweifeln."
AlphaGo hat einen grossen Sieg errungen, doch Demis Hassabis bleibt - seinem Temperament entsprechend - reserviert. Er sagt, Sedol habe wichtige Schwächen von AlphaGo aufgezeigt. Er ist fest entschlossen, die durch den Wettkampf erzeugte Aufmerksamkeit für seine Botschaft zu nutzen. Die Welt sollte wissen, dass die für AlphaGo genutzten Algorithmen "eines Tages dazu dienen könnten, alle Arten von Problemen in verschiedenen Bereichen zu lösen - sowohl im Gesundheitswesen als auch den Wissenschaften."
Dieser Tag kommt schnell. Im November 2020 gibt DeepMind das Projekt AlphaFold bekannt. Der Einsatz von AI in diesem Projekt zielt darauf ab, Proteinstrukturen vorherzusagen und sie der Wissenschaft frei zur Verfügung zu stellen. Im Juli 2022 verkündet DeepMind ausserdem, die Struktur fast aller bekannter Proteine entschlüsselt zu haben - das ermögliche die Entwicklung neuer Technologien und Ansätze zur Bewältigung von Herausforderungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Ernährungsunsicherheit und Krankheitsbekämpfung. Forschende der University of Oxford setzen das Instrument bereits ein, um neue Malariatherapien zu entwickeln.
Im Juni 2023 gibt Hassabis als Reaktion auf den Erfolg von OpenAI mit ChatGPT bekannt, DeepMind arbeite hart an der Entwicklung eines eigenen Sprachmodells namens Gemini. Dieses Modell werde von der Arbeit an AlphaGo profitieren, so Hassabis. Mit der Versprechung "einiger neuer Innovationen, die ziemlich interessant sein werden" wirbt er um globale Aufmerksamkeit.
Mehr als 30 Jahre nach seinem ersten Computer befindet sich Hassabis langjährige, sagenumwobene Karriere, die durch eine seltene Kombination aus Bescheidenheit, bedingungsloser Entschlossenheit und verblüffenden Erfolgen geprägt ist, nun an einem Scheideweg.
Auch nachdem ihn der Verkauf seiner Firma an Google zum Multimillionär gemacht hat, führt er ein relativ normales Leben. 2016 nimmt er immer noch den Zug, um nach der Arbeit in sein Haus im Norden Londons zurückzukehren. Dort lebt er zusammen mit seiner Frau Teresa, einer italienischen Molekularbiologin, und den beiden gemeinsamen Söhnen, die jetzt im Teenageralter sind.
Abgesehen von etwas teureren Brillen und Jacketts und einem Kurzhaarschnitt hat er der Versuchung widerstanden, sich wie andere Tech-Titanen einen "Silicon-Valley-Look" zu geben. Er sieht noch immer aus wie der geniale Computerfreak aus dem Norden Londons, der sich auf dem Schachbrett genauso zu Hause fühlt wie beim Austesten der Grenzen seines ZX Spectrums.
Konfrontiert mit den weitverbreiteten Ängsten, KI könne die uns bekannte Welt auf den Kopf stellen, nutzt Demis Hassabis seine unaufgeregte Weisheit für einen lukrativen Drahtseilakt: den Versuch, uns mit der Botschaft zu beruhigen, die Architekten der KI seien intelligent genug, um die von ihnen erschaffenen Maschinen im Zaum zu halten.
Obwohl er die Erklärung des Center for AI Safety unterzeichnet hat, lehnt er die Forderungen nach einer Drosselung der Forschungstätigkeit im KI-Bereich konsequent ab. Dies sei in der Praxis nicht möglich, sagt er nach der Enthüllung seiner Pläne für das Gemini-Sprachmodell. Das gefährde ausserdem die Vorteile der Technologie, die immer deutlicher zutage treten würden. "Wenn man es richtig anpackt, wird künstliche Intelligenz die nützlichste Technologie in der Menschheitsgeschichte werden", sagt er Anfang des Jahres zum Thema KI. "Wir müssen diesen Dingen mit offenen Augen begegnen - unerschrocken und tapfer."