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Anlagestrategien

2024: Wachstumsherausforderungen inmitten von Unsicherheit

Die Finanzmärkte werden sich 2024 auf die Frage konzentrieren, ob das Wirtschaftswachstum die Talsohle erreicht hat. Die zunehmend komplexe geopolitische Situation und die wegweisenden Wahlen, die in den USA anstehen, sorgen für anhaltende Unsicherheit. Für Anlegerinnen und Anleger bleibt es eine Schlüsselstrategie, ihre Anlagen zu diversifizieren.

Datum
Autor
Gérald Moser, CIO & Head Investment Services Europe
Lesezeit
5 Minuten

Eine Brücke überspannt das Wasser in einer hügeligen Landschaft am Meer
Der Blick auf das Jahr 2024 zeigt, dass mehr denn je eine intelligente Diversifikation über den Erfolg eines Portfolios entscheidet, sagt Gérald Moser, CIO & Head Investment Services EMEA, LGT Private Banking. © Shutterstock/Denis Belitsky

Wir blicken auf ein herausforderndes Jahr 2023 zurück, das durch volatile Märkte und eine stark schwankende Risikobereitschaft gekennzeichnet war. Während die Marktteilnehmer im Jahr 2023 vor allem den Inflationszyklus und die Frage, ob die Teuerung ihren Höhepunkt erreicht hat, diskutierten, werden sich die Diskussionen im Jahr 2024 wahrscheinlich um den Wachstumszyklus drehen - bzw. um die Frage, ob das Wachstum auf dem Tiefpunkt angelangt ist. Dies deutet darauf hin, dass die Marktvolatilität 2024 anhalten dürfte, da Anlegerinnen und Anleger auf aktuelle Wirtschaftsnachrichten reagieren.Geopolitische Faktoren, insbesondere die bevorstehenden US-Präsidentschafts- und Kongresswahlen, werden die Unsicherheit weiter erhöhen.

Unser makroökonomisches Basisszenario geht von einer sanften Landung der Weltwirtschaft aus, bei der eine tiefe Rezession vermieden wird. Faktoren wie die robusten Arbeitsmärkte und die überschaubare Staatsverschuldung in den Industrieländern deuten eher auf eine zyklische Anpassung als auf eine schwere Rezession wie in den Jahren 2008-2009 hin. Es ist jedoch möglich, dass die Märkte irgendwann ein düstereres Ergebnis einpreisen als in unserem Basisszenario angenommen.

Das Wachstum wird die Inflation als Hauptfaktor ablösen

Von aussen ein weisses Gebäude in klassizistischer Architektur, gekrönt von einem Adler. Auf dem Gebäude weht eine US-Fahne.
Die US-Wirtschaft blieb von der für 2023 prognostizierten Rezession verschont. Die LGT geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum für die Entwicklung von Risikoanlagen, insbesondere Aktien, eine grössere Rolle spielen wird als die Renditen. © Melissa Golden/Redux/laif

2023 war das Anlageumfeld trotz hohen Wirtschaftswachstums von Inflationssorgen geprägt. An der Schwelle zum Jahr 2024 rechnen wir nun damit, dass nicht mehr die Inflation, sondern das Wirtschaftswachstum bei Anlageentscheidungen im Fokus stehen wird. Unsere fünf Prognosen für 2024 lauten wie folgt:

  1. Das Wirtschaftswachstum wird die Renditen als Haupttreiber bei Risikoanlagen ablösen: Der heftige Inflationsanstieg führte zu steigenden Renditen, was sich negativ auf die Kurse von Risikoanlagen wie Aktien auswirkte. Da die Inflation jedoch allmählich zurückgeht, könnte sich der Fokus der Märkte nun verstärkt auf eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums richten. Im Jahr 2023 blieb die US-Wirtschaft dank eines stärker als erwarteten Wirtschaftswachstums von der prognostizierten Rezession verschont, aber wir gehen davon aus, dass 2024 der Blick auf das Wirtschaftswachstum eine grössere Rolle für die Entwicklung von Risikoanlagen und insbesondere Aktien spielen wird als die Renditen. 
  2. Chancen im Aktiensegment: In einem wachstumsschwachen Umfeld werden Unternehmen, die ihren Wachstumskurs fortsetzen können, 2024 zu den Gewinnern zählen. Ausserdem könnten sogenannte "Bond Proxies" oder defensive Aktien wieder an Popularität gewinnen. Sie entwickeln sich oft gut, wenn die Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer eine Rezession und eine Lockerung der Geldpolitik erwarten. Aufgrund ihrer attraktiven Bewertungen stellen diese Papiere interessante Anlagen dar.

    Frachtcontainer in einem Hafen, zur Hälfte mit US-amerikanischer und chinesischer Flagge bemalt
    Geopolitische Ereignisse wie der Brexit, der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie der Krieg in der Ukraine prägen weiterhin die Finanzmärkte. © istock/narvikk

  3. Die Anleihenmärkte verlagern den Fokus auf das Wachstum: Die Anleihenmärkte entwickelten sich 2023 vor allem aufgrund der Zinssteigerungen schwach. Da sich der Fokus nun von der Inflation auf das Wachstum verlagert, dürften anstelle der Durationsrisiken (bzw. Zinsrisiken) nun die Kreditrisiken in den Mittelpunkt rücken. Langlaufende Staatsanleihen bleiben sowohl unter Diversifikations- als auch Ertragsgesichtspunkten interessant. Und da das Renditeniveau noch immer attraktiv ist, bieten kurzlaufende, qualitativ hochwertige Anleihen attraktive Anlagechancen.
  4. Die Geopolitik steht weiter im Rampenlicht: Geopolitische Ereignisse haben sich in den letzten Jahren immer stärker auf die Finanzmärkte ausgewirkt. Ihr Einfluss ist zwar in der Regel vorübergehend, aber sie sind nach wie vor von Bedeutung. Der Brexit, der Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie der Krieg in der Ukraine prägen weiterhin die Finanzmärkte. Der Wandel von einer globalisierten zu einer multipolaren Welt bringt zusätzliche geopolitische Unsicherheiten mit sich.
  5. Diversifikation in einer sich wandelnden Landschaft: Auf Diversifikation zu setzen, ist eine umsichtige Strategie, die auch 2024 wichtig bleibt. Die Beimischung unkorrelierter Anlagen in einem Portfolio, insbesondere solcher, die andere Performancetreiber aufweisen als traditionelle Aktien und Anleihen, hilft Anlegerinnen und Anlegern in einem sich ständig verändernden Anlageumfeld Risiken zu minimieren und Chancen zu nutzen. 

Die Aktienperformance steht auf Messers Schneide und hängt vom Wirtschaftswachstum ab

Menschen in einem Einkaufszentrum gehen an einem geschmückten Weihnachtsbaum vorbei
Die nach wie vor hohen, aber nicht mehr steigenden Zinsen und die langsam sinkende Inflation dürften das Wirtschaftswachstum weiter bremsen, was wiederum für einen vorsichtigen Anlageansatz im Aktienbereich spricht. © Shutterstock/Csaba Peterdi

Zum Jahresende 2023 rechnen wir damit, dass die Gravitationskraft, die von den gestiegenen Zinsen ausgeht, die Aktienmarktentwicklung auch im kommenden Jahr entscheidend beeinflussen wird. Die nach wie vor hohen, aber nicht mehr steigenden Zinsen und die langsam sinkende Inflation dürften das Wirtschaftswachstum weiter bremsen. Dieses Szenario spricht für einen vorsichtigen Anlageansatz im Aktienbereich.

  1. Herausforderungen bei der Erzielung von Gewinnwachstum: Angesichts der rückläufigen Inflation, des sinkenden Wirtschaftswachstums und des durch Lieferengpässe verursachten Nachfragerückgangs wird es 2024 schwieriger werden, Gewinnwachstum zu erzielen. Unternehmen, die trotz dieser Widrigkeiten Umsatz- und Ertragswachstum erwirtschaften können, winken potenziell Aktienkursgewinne.
  2. Hohe Bewertungsniveaus: Im Vergleich zu Anleihen sind Aktien nach wie vor hoch bewertet, und die Risikoprämie für Aktien ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Demnach könnten Anlegerinnen und Anleger den Eindruck gewinnen, für die Aktienrisiken, die sie übernehmen - im Vergleich zu den Anleihenrisiken - nicht angemessen entschädigt zu werden.

2024 wird der Erfolg von Aktienanlagen von zwei Schlüsselfaktoren abhängen: dem Gewinnwachstum und der Veränderung der Bewertungskennzahlen. Wir haben zwei Strategien identifiziert, die potenziell von Kursgewinnen profitieren könnten:

  1. Gewinnwachstum in einem wachstumsschwachen Umfeld: Es wird weiter mit einem schwachen Wirtschaftswachstum sowie mit einem Rückgang der Inflation und der Preissetzungsmacht gerechnet. Wer als Unternehmen in der Lage ist, diese Herausforderungen zu meistern und Umsatz- sowie Gewinnwachstum zu erzielen, verfügt über gute Voraussetzungen für Aktienkursgewinne. 
  2. Neubewertungspotenzial bei den "Bond Proxies": Stabile, defensive Aktien, die wegen ihrer anleihenähnlichen Eigenschaften auch als "Bond Proxies" bezeichnet werden, könnten von steigenden Bewertungen profitieren. Insbesondere bei leicht sinkenden Zinsen erscheinen diese Papiere als attraktive Anlagemöglichkeiten.

Potenzial für bessere Performance im Anleihenbereich

Ein Sportler hebt in einem Fitnessstudio eine Hantel mit Gewichten vom Boden ab
Bei Anleihen: die "Barbell-Strategie" © Shutterstock/Succesful_project

Der intensive Zinserhöhungszyklus hat 2023 erneut zu einer enttäuschenden Performance in den meisten Anleihensegmenten geführt. Für 2024 erwarten wir, dass die Zentralbanken ihre Massnahmen stärker auf die Unterstützung der Wirtschaft ausrichten werden. 

Dadurch dürfte sich der Fokus von den Zins- und Durationsrisiken auf die Kreditrisiken verlagern. Dass sich das Performancepotenzial in den meisten Anleihensegmenten verbessert hat, liegt an mehreren Faktoren:

  1. Zinsentwicklung am Höhepunkt: Die optimistischeren Aussichten beruhen vor allem auf der Annahme, dass die Zinsen einen Höchststand erreicht haben. Wir erwarten nicht, dass die grossen Zentralbanken 2024 weitere Zinserhöhungen vornehmen werden. Stattdessen dürften sie vorsichtige, graduelle Zinssenkungen in Erwägung ziehen. 
  2. Normalisierung der Zinsstrukturkurven: Für die Zinsstrukturkurve sowohl im US-Dollar als auch im Euro erwarten wir 2024 eine Normalisierung, wobei Laufzeitrisiken mit einer Prämie vergütet werden dürften. Faktoren wie die Tragfähigkeit des US-Staatshaushalts könnten Aufwärtsdruck auf die langfristigen Zinsen ausüben. Es wird indes erwartet, dass sich die negative Laufzeitprämie auflöst. 
  3. Fokusverlagerung auf die Kreditrisiken: Kreditrisiken dürften 2024 in den Vordergrund rücken und unterstreichen damit die Bedeutung der individuellen Anleihenauswahl. Während wir im Bereich der Unternehmensanleihen mit guter Bonität vor allem am kurzen Ende noch Anlagechancen sehen, ist bei länger laufenden Unternehmensanleihen auf dem aktuellen Bewertungsniveau Vorsicht geboten. 
  4. "Barbell-Strategie" favorisieren: Kurzlaufende Investment-Grade-Anleihen stellen attraktive Anlagechancen dar. Derweil könnten US-Staatsanleihen mit sieben- bis zehnjähriger Laufzeit von einer unerwartet starken Konjunkturabschwächung profitieren. Das Investieren in Anlagen an beiden Enden des Laufzeitenspektrums wird als Barbell-Strategie bezeichnet.

Verschiebung des Narrativs beeinflusst den EUR/USD-Wechselkurs

Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar im Sommer 2023 an Wert verloren. Zurückzuführen war dies auf das schwache Wirtschaftswachstum im Euroraum, eine unerwartet langsame Erholung in China sowie die robuste Verfassung der US-Wirtschaft. Ein weiterer Faktor war die Ausweitung des Realzinsgefälles zwischen den USA und anderen bedeutenden Regionen. 

US-Dollarnoten werden in einer Druckerei hergestellt
Sollte es in den USA zu einer leichten Rezession kommen, könnte dies zu einer Abwertung des US-Dollars führen. © Shutterstock/Angel Soler Gollonet

Für eine nachhaltige Erholung des Euro bedarf es jedoch eines Katalysators für eine Aufwärtsbewegung. Das wahrscheinlichste Szenario hierfür wäre eine Konjunkturabschwächung in den USA, die sich negativ auf den Greenback auswirken könnte. Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist die Risikostimmung. Der US-Dollar wird als "sicherer Hafen" angesehen und profitiert von einer Verschlechterung der Risikowahrnehmung. Folgende Szenarien sind möglich:

  1. Zurückhaltende US-Notenbank in einem Konjunkturabschwung: Sollte es in den USA zu einer leichten Rezession kommen, könnte dies zu einer Neubewertung sämtlicher Anlageklassen und in der Folge zu einem Kursrückgang des US-Dollars führen. 
  2. Auswirkungen der Risikostimmung auf den US-Dollar: Der US-Dollar wird zwar als sicherer Hafen betrachtet. Eine zurückhaltende Haltung der US-Notenbank und eine Verschlechterung der Risikostimmung könnten aber im Lauf des Jahres 2024 zu einer Aufwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar führen.

Durch geopolitische Turbulenzen navigieren

Die Geopolitik hat sich mittlerweile zu einer Hauptsorge an den Märkten entwickelt, was dort zu Volatilität führt. An der Schwelle zum Jahr 2024 werfen politische bzw. geopolitische Ereignisse ihre Schatten voraus - insbesondere die US-Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November 2024. Die Ergebnisse dieser Wahlen werden sich nicht nur auf die US-Innenpolitik auswirken, sondern auch weitreichende globale Folgen haben und Ereignisse sowie Entscheidungen auf der ganzen Welt beeinflussen.

Ein Mann in Anzug und Krawatte in einer Büroumgebung lächelt freundlich in die Kamera
Gérald Moser, CIO & Head Investment Services Europe, LGT Private Banking

Geopolitische Spannungen wie Russlands Einmarsch in der Ukraine und die jüngst wieder ausgebrochenen Konflikte im Nahen Osten unterstreichen die Komplexität der globalen Geopolitik. Neben diesen Ereignissen, die unsere Schlagzeilen beherrschen, beobachten wir einen Wandel weg von einer integrierten, globalisierten Welt hin zu einem multipolaren, "slowbalisierten" globalen Umfeld, das durch ein rückläufiges Wachstum im grenzüberschreitenden Handel gekennzeichnet ist.

Die jüngsten geopolitischen Spannungen haben uns die Anfälligkeit der Lieferketten vor Augen geführt. Ressourcensicherheit hat mittlerweile oberste Priorität. Deshalb wird auf Diversifikation gesetzt, um die Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffquellen und Transportrouten zu verringern. Ausserdem sollen Unternehmen dazu bewegt werden, die Rückverlagerung kritischer Komponenten zu beschleunigen, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Diese Aktivitäten wirken sich sowohl auf die Volkswirtschaften als auch auf die Unternehmensergebnisse aus.

Am Übergang ins Jahr 2024 ist klar: Sich in der komplexen geopolitischen Landschaft zurechtzufinden und die Auswirkungen auf die globalen Märkte zu verstehen, wird sowohl für die Anlegerinnen und Anleger als auch für die Politik entscheidend sein. Mehr denn je wird eine intelligente Diversifikation über den Erfolg eines Portfolios entscheiden.
 

Marktinformationen unserer Research-Experten

So sehen wir die Märkte

Die LGT Experten analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Research-Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.

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