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Market View & Insights
Sogenannte Vintage Posters geben Aspekte des täglichen Lebens wieder - und sagen deshalb viel über die Zeit aus, in der sie geschaffen wurden. Das macht sie zu begehrten Sammelobjekten.
Spätes neunzehntes Jahrhundert: Städte wie London und Paris waren grau, trist und schmutzig. Doch dann kam die Farbexplosion: In den 1880er-Jahren tauchten an immer mehr Strassenecken und Hauswänden Plakate auf, bis zu drei Stockwerke hoch. Sie warben für alles Mögliche; von Cabarets und Champagner bis hin zu Zigaretten und Seife. Heute sind sie nicht mehr nur Werbung, sondern auch Kunst.
Damals hinterliessen sie wohl einen bleibenden Eindruck, sagt Angelina Lippert, Chefkuratorin des Poster House, das 2015 als erstes Plakatmuseum der USA gegründet wurde. "War man nicht wohlhabend, hatte man noch nie gedruckte Farben gesehen", sagt sie. "Deshalb fieberten die Leute Enthüllungen neuer Poster auf den Strassen regelrecht entgegen."
Möglich gemacht hat das der Grafiker und Künstler Jules Chéret, der in den 1870er-Jahren einen Weg fand, Farblithografien kostengünstig und schnell zu drucken. Chéret verzichtete auf das traditionelle Verfahren, bei dem ein Handwerker die Entwürfe auf den Lithografiestein übertrug, und arbeitete stattdessen direkt auf dem Stein. Diese technische Innovation gab ihm die Freiheit, geschwungene Linien mit Kreuzschraffuren, Tupfern und kräftigen Farbflächen zu kombinieren. "Plötzlich konnte man Werbeentwürfe machen, deren Farben leuchteten, und die Wort und Bild verbanden", so Lippert.
Es war das "goldene Zeitalter der Plakate", bekannt für die Arbeiten von Künstlern wie Henri de Toulouse-Lautrec und Alphonse Mucha. Die neu geschaffene Kunstform fand von Anfang an Sammlerinnen und Sammler - dank dramatischer Bilder und aussagekräftiger Botschaften, die gewöhnliche Alltagsgegenstände zu Traumobjekten überhöhten.
"Das Tolle an Plakaten ist, dass du immer eines findest, das dich anspricht - egal, wer du bist und was dich interessiert", erklärt Nicholas Lowry, Präsident des New Yorker Auktionshauses Swann und Leiter der Abteilung für Vintage-Plakate.
Viele Plakate, die heute in Galerien oder als Sammelstücke zu Hause hängen, wurden fast sofort nach ihrem Druck zu begehrten Objekten. "In den 1880ern begann die massive Nachfrage", sagt Lippert. Zu den frühen Enthusiasten gehörte Hans Sachs, ein deutscher Zahnarzt, der 1895 eine Sammlung begann, die mit mehr als 12’000 Plakaten die grösste Deutschlands wurde. Oder auch Nando Salce, ein in Treviso geborener Buchhalter, der im späten 19. Jahrhundert das heutige Museo Nazionale Collezione Salce gründete, das mit über 25’000 Plakaten die bedeutendste Werbeplakatsammlung Italiens ist.
Für manche wurde aus einer Leidenschaft ein Beruf. Einer von ihnen ist Kirill Kalinin, aufgewachsen in der ehemaligen Sowjetunion umgeben von russischen Propagandaplakaten. Er ist Gründer von AntikBar, einer Website und Galerie in der Londoner King's Road, die sich auf alte Plakate aus aller Welt spezialisiert, die alles Mögliche darstellen - von Reisen, Sport und Kino bis hin zu Politik und Propaganda.
Kalinin fühlt sich von den kraftvollen Kompositionen und schillernden Farben der Plakate angezogen, aber auch von dem, was sie über die Epoche verraten, in der sie entstanden sind. "Jedes Stück ist ganz eindeutig Teil seiner Zeit", sagt er. "Es ist diese Kombination aus Kunst und Geschichte, die mich immer wieder von Neuem so anzieht."
Auch der in London lebende Bruce Marchant wurde aus Leidenschaft Plakathändler. Der Gründer der Londoner The Reel Poster Gallery war ursprünglich Bildhauer. Doch in den späten 1980er-Jahren entdeckte er Plakate für sich. "Ich bin in den Handel eingestiegen, weil mir das Geld ausging und ich ein paar meiner Kunstwerke wieder verkaufen musste", scherzt er. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das mehr als dreissig Jahre später immer noch tun würde."
Die Sammlerinnen und Sammler sind so unterschiedlich wie die Plakate, die sie anziehen. "Die Leute sammeln Plakate von den Schiffen, mit denen ihre Familien nach Amerika kamen", sagt Lowry. "Sie sammeln Plakate von den Orten, an denen sie ihre Flitterwochen verbracht haben, oder von ihren Hobbys - Golf, Tennis, Autorennen."
Bei Filmplakaten ist die Auswahl sogar noch grösser, denn früher beauftragte jedes Land, in dem ein Film herauskam, einen eigenen Künstler mit der Gestaltung des Plakats. "Das wurde erst in den 1980er-Jahren vereinheitlicht, als man anfing, mehr Fotos zu verwenden", erklärt Marchant. "Aber in den Dreissigern und Vierzigern gab es unglaubliche Künstlerinnen und Künstler, die Filmplakate entwarfen - in England, Frankreich, Deutschland, Spanien, Japan, Italien - alle für denselben Film, alle mit unterschiedlichen Motiven."
Die Plakatkunst erlebte in den einzelnen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten ihren Höhepunkt. "Die japanischen Grafiken aus den 1960er-Jahren waren bemerkenswert", sagt Marchant. "Sie hatten ein echtes Gespür für Typografie und Design."
Der globale Charakter von Filmplakaten, ihre überraschenden Designs und das Interesse an den Filmen führen dazu, dass Filmplakate einige der höchsten Preise auf dem Markt erzielen. Im Jahr 2012 wurde beispielsweise ein Plakat für den Film "Metropolis" von 1927 zusammen mit anderen Hollywood-Sammlerstücken für 1.2 Millionen US-Dollar verkauft.
Ausserhalb der Filmwelt variieren Plakatpreise stark. "Die Mitte des Marktes liegt zwischen 5000 und 50’000 USD", so Lippert, die ein Jahrzehnt lang als Plakatspezialistin in einem New Yorker Auktionshaus tätig war. "Aber natürlich es gibt Plakate für ein paar hundert Dollar und solche, die Hunderttausende von Dollar kosten."
Der Wert hängt auch vom Zustand des Plakats ab. Und es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob das Einbinden in Leinen die beste Konservierungslösung ist. Expertinnen und Experten sind sich jedoch bei einem Punkt einig: Für eine ideale Instandhaltung ist vor allem der Schutz vor Sonnenlicht entscheidend. Am besten werden die Plakate aufgerollt, flach in Schubladen gelegt oder hinter UV-Filterglas eingerahmt.
Insiders betonen auch, wie wichtig es ist, sich von angesehenen und offiziellen Händlerinnen und Händlern beraten zu lassen, zum Beispiel durch Mitglieder der International Vintage Poster Dealers Association (IVPDA).
Sie schielen auf ein Plakat, von dem Sie sich eine starke Wertentwicklung erhoffen? Dann ist Vorsicht geboten, denn die Identifizierung von Plakattrends ist eine komplexe Angelegenheit. Während bestimmte Genres, Epochen und Sujets konstant beliebt bleiben - wie etwa französische Plakate der Jahrhundertwende oder Werbungen für Skigebiete aus den Zwanzigern und Dreissigern - treiben kurzfristige Trends die Preise anderer Stile plötzlich in die Höhe.
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Aber wie bei so vielen Kunstformen ist der Wert eines Posters nicht unbedingt finanzieller Natur. Marchant begann 1986 mit dem Sammeln, nachdem er sich in ein britisches Filmplakat von "The African Queen" verliebt hatte. Es kostete 600 USD und Freunde sagten ihm, er sei verrückt. Ihm war das egal. "Heute ist dieses Plakat 10’000 Dollar wert", sagt er. "Aber eigentlich ist das egal. Denn es bleibt bei mir."
Es mögen zwar keine Posters sein, doch die Fürsten von Liechtenstein sind seit über 400 Jahren leidenschaftliche Kunstsammler. Die Familie hat in diesem Zeitraum eine der bedeutendsten privaten Sammlungen mit Hauptwerken europäischer Kunst aus fünf Jahrhunderten aufgebaut.