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Nachhaltigkeit

Mehr Roboter für mehr erneuerbare Energie

Solarpanels, Windturbinen, Wasserkraftwerke: Erneuerbare Stromerzeugung floriert. Mit ihr wächst auch die Anzahl Betreiber und Dienstleister - oft arbeiten sie mit Robotern. Warum das ein Gamechanger ist.

Datum
Autor
Andrea Valentino, Gastautor
Lesezeit
8 Minuten

Ein Aerones-Roboter wird einem Windturbinen-Rad hinaufgezogen
Was, wenn nachhaltige Energieanlagen wie Windturbinen kaputt gehen? Damit das möglichst selten geschieht, müssen sie konstant gewartet werden. Immer öfter übernehmen Roboter die gefährliche, aufwändige Arbeit - wie die Maschinen von Aerones, einem Startup aus Riga. © Aerones

Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass 35 Prozent des globalen Elektrizitätsangebots bis 2025 aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Für die Branche mag dies eine gute Nachricht sein, doch das Wachstum bringt auch Herausforderungen mit sich: Solarmodule, Windturbinen und Wasserkraftwerke lassen sich nicht einfach austauschen. Stattdessen müssen sie laufend gewartet werden. Die Reinigung von Solarmodulen und der Ersatz von Turbinenschaufeln in Windkraftanlagen kosten Zeit und Geld - nicht zuletzt, weil diese Anlagen an abgelegenen Orten liegen.

Der Markt für den Betrieb und die Wartung solcher Anlagen erlebt deshalb einen regelrechten Boom. Das globale Beratungsunternehmen Tersus Strategy ist nur ein Beispiel: Es hat vor kurzem für den Betrieb und die Wartung von Solaranlagen bis 2030 eine jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate, CAGR) von 12.8 Prozent prognostiziert. Schätzungen der Research-Beratung 24MarketReports zufolge könnte der Markt für den Betrieb und die Wartung von Windkraftanlagen bei einer CAGR von 9 Prozent zwischen 2023 und 2030 auf USD 36 Milliarden im Jahr 2030 anwachsen.

Foto des Unterwasser-Roboters vom The National Robotarium im Meer
Das "National Robotarium" in Edinburgh entwickelt autonome Roboter, die Offshore-Turbinen unter Wasser selbstständig reparieren.

Anbieter von Wartungsdienstleistungen für Anlagen, die erneuerbare Energie produzieren, sind äusserst innovativ: Roboter ersetzen Menschen, um die Leistung der Anlagen kontinuierlich aufrecht zu erhalten, und KI sorgt dafür, dass zur richtigen Zeit am richtigen Ort repariert oder interveniert wird. 

Obwohl Wartungs-Roboter von der Ostsee bis nach Vietnam immer populärer werden, sind die Hürden nach wie vor hoch: Regulatorische Hindernisse und technische Herausforderungen sind nur zwei der Punkte, die potenzielle Investorinnen und Investoren im Auge behalten.

Windturbinen im Meer bei Sonnenaufgang
Wie gelangt man an defekte Kabel von Offshore-Windparks, die bis zu 160 Kilometer von der Küste entfernt verlaufen? © Shutterstock/ShutterDesigner

Die zahlreichen Standorte - von Offshore-Windparks bis hin zu Solaranlagen in der Wüste - machen den Betrieb und die Wartung der Anlagen unglaublich kompliziert. Ausserdem setzt sich der Sektor aus hochgradig diversen und spezialisierten Untersegmenten zusammen: Die Reparatur von beschädigten Solarmodulen erfordert ganz andere Fähigkeiten als der Ersatz eines Getriebes in einer Windturbine. 

Manuelle Wartung: Gefährlich und teuer

Trotz des starken Wachstums und des aktuellen Goldrauschs: Die Wartung der erneuerbaren Energiequellen ist nach wie vor eine Herausforderung. Bei den Offshore-Windparks ist nach Ansicht von Professor Yvan Petillot von der Heriot-Watt University in Edinburgh die geografische Lage das grösste Problem. Um an Kabel heranzukommen, die bis zu 160 Kilometer von der Küste entfernt verlaufen, müssen gegebenenfalls Helikopter, Schiffe und Tiefseetaucherinnen und -taucher eingesetzt werden. Aber auch auf dem Festland lauern Gefahren: Im Jahr 2020 verursachten routinemässige Wartungen britischer Onshore-Windpärke 532 sicherheitsrelevante Zwischenfälle; in sieben Fällen musste zwangsevakuiert werden. 

Arbeiter mit Helm von oben auf einem Dach voller Solarenergiezellen
Gefährliche Arbeit: 2020 verursachten routinemässige Wartungen von Onshore-Windparks in der UK 532 sicherheitsrelevante Zwischenfälle; in sieben Fällen musste zwangsevakuiert werden. © GettyImages/Vithun Khamsong

Obwohl Solaranlagen generell leichter zugänglich sind als Offshore-Windparks können ganz andere Komplikationen auftreten: "Wenn die Anlage sich an einem heissen Standort mitten in der Wüste befindet, wirbelt der Wind sehr viel Sand auf. Wie lassen sich die Module vom Sand befreien?", fragt Dr. Miles Elsden, Leiter des Institute for Safe Autonomy der University of York. Auch in England lauern Probleme: Dr. Elsden verweist auf die vielen beschädigten britischen Solaranlagen - Schuld ist der Vogelkot.

Proilfoto von Karachalios
CEO Perpetual Robotics Kostas Karachalios: "Mangelhafte Wartung kann massive Reparaturkosten nach sich ziehen."

Was sollen Energiequellen-Betreiber also tun? Die langwierigen, gefährlichen, kostspieligen Wartungen herauszögern? Das wäre fatal, warnt Kostas Karachalios, CEO von Perceptual Robotics: "Mangelhafte Wartung kann massive Reparaturkosten nach sich ziehen." Zudem ist für viele der Einsatz von technischem Fachpersonal schlicht unerschwinglich.

Dr. Surender Rangaraju, Experte für Solarmodule und Tech-Unternehmer aus Vietnam, ergänzt: "Die meisten Wartungen erfolgen ungezielt: Die Reinigung oder der Austausch von Panels wird nach einem starren Zeitplan durchgeführt, statt nach dem effektiven Bedarf." 

Auch Schulungen sind ein Thema: Neu eingestelltes Personal auszubilden, kostet. Neu eingestelltes Personal nicht auszubilden, kostet unter Umständen noch mehr: Dr. Rangaraju kennt Fälle, in denen ungeschultes vietnamesisches Personal verschmutzte Solarmodule mit Chemikalien reinigte, und sie so beschädigte.

Bahn frei für die Roboter

Angesichts dieser Tatsachen überrascht es nicht, dass die Branche Betrieb und Wartung durch Menschen mit robotergestützten Lösungen ersetzt. Das in Riga ansässige Unternehmen Aerones ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung: Das 2015 gegründete lettische Startup hat eine Reihe von Systemen entwickelt, dank derer sich die Wartung von Windturbinen rascher, sicherer und effizienter gestalten lässt. 

Foto von Windturbinen an der Meeresküste
Einige Quellen schätzen, dass der Markt der Automatisierung von Windturbinen bis 2032 ein Volumen von USD 40 Milliarden erreichen könnte. © unsplash/Efe Kurnaz

In einem ersten Schritt wird ein Roboterarm mit einem Seilsystem in die Luft gehoben - vergleichbare Arme werden in der Chirurgie eingesetzt. Die Seile sind an Winden befestigt; mit ihrer Hilfe wird der Roboter an der Turbine entlanggeführt. Zugleich überwacht eine Fachperson den ganzen Prozess aus sicherem Abstand.

Aerones-Gründer Dainis Kruze merkt an, dass das System seines Unternehmens bis zu sechsmal rascher arbeitet als eine Technikerin oder ein Techniker. Zudem fallen die Turbinen beim Einsatz von Robotern viel kürzer aus - sie brauchen bis zu zehnmal weniger Zeit. Auch den Investorinnen und Investoren sind diese Vorzüge nicht entgangen. Mit einem neuen Anlagegefäss im Umfang von USD 30 Millionen haben Dainis Kruze und seine Kolleginnen und Kollegen bis heute 8000 Turbinen in 27 Ländern gewartet.

Aerones ist nicht der einzige Anbieter. Das Research-Unternehmen Future Market Insights schätzt, dass der Automatisierungsmarkt bei Windturbinen bis 2032 ein Volumen von USD 40 Milliarden erreichen könnte, mit einer jährlichen Wachstumsrate von 10.2 Prozent. Dutzende von neuen Anbietern drängen derzeit auf den Markt. 


Selbstständige Roboter

Einer von ihnen ist das National Robotarium mit Sitz in Edinburgh. Unter Professor Yvan Petillot entwickelt dieses Innovationszentrum für Robotik und KI autonome Roboter, die Offshore-Turbinen unter Wasser reparieren. Die robusten, wind- und wellenfesten Roboter werden von Schiffen ausgesendet, und navigieren dann selbstständig bis zur gewünschten Stelle, um dort eine Reihe von Wartungsarbeiten auszuführen, Objekte zu greifen oder Ventile nach Bedarf autonom zu öffnen und zu schliessen.

Ein fliegender Roboter von Perceptual Robotics
Wind- und wellenfeste Roboter wie dieser von Perpetual Robotics werden ausgesendet und navigieren dann selbstständig bis zur gewünschten Stelle, um dort eine Reihe von Wartungsarbeiten auszuführen.

Kostas Karachalios und Perceptual Robotics arbeiten mit einem vergleichbaren Ansatz für Onshore-Turbinen, und auch im Solarenergiesektor verbreiten sich analoge Technologien immer stärker. Dr. Surender Rangaraju ist beispielsweise in Vietnam eine Partnerschaft mit lokalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingegangen, um einen Wischroboter mit Bürsten zu entwickeln, der über Solarmodule gleitet und dabei Staub und andere Verunreinigungen ganz ohne schädliche Chemikalien entfernt.

Porträtfoto von Dr. Surender Rangaraju
Dr. Surender Rangaraju haben die Roboter überzeugt.

Dieses System ist nur eines von mehreren Beispielen für Plattformen, die maschinelles Lernen nutzen, um Wartungen gezielt ausführen zu lassen. Dr. Rangaraju erklärt: "Kleinere Defekte sind für Menschen kaum auffindbar. Unsere Roboter dagegen identifizieren nicht nur das Problem, sondern sammeln auch sehr grosse Datenmengen, um eine proaktive Unterstützung zu ermöglichen." 

In Lettland äussert sich Dainis Kruze ganz ähnlich über Aerones: "KI erkennt Probleme im Inneren des Rotorblatts". Wie er weiter anmerkt, sind computergestützte Überprüfungen auch wesentlich weniger zeitintensiv als ihre manuellen Alternativen. 

Chancen über Chancen - nicht ohne Herausforderungen

Die finanziellen Vorteile und die Effizienzgewinne liegen auf der Hand. Deshalb sind einige Analystinnen und Analysten auffallend optimistisch, wenn es um die künftigen Einsätze von Robotern in Betrieb und Wartung geht.

Marta Pyrzyk ist Growth-Investorin bei Lightrock, dem Private-Equity-Unternehmen, das zu den führenden Unternehmen in der 30-Millionen-Dollar-Finanzierungsrunde von Aerones gehört. "In Zukunft", prognostiziert Marta Pyrzyk, "dürften die Investitionen in Wartungsmöglichkeiten für Turbinen aufgrund der Netto-null-Zielvorgaben deutlich zunehmen. Dies gilt vor allem für Impact Investments aufgrund des starken Wachstums der Windenergie."

Ist der Fortschritt also unaufhaltsam? Nicht unbedingt. Die Regulierung ist ein potenzieller Hemmer. Wie Professor Yvan Petillot anmerkt, lässt sich das aktuelle Seerecht nicht ohne weiteres auf autonome Unterwasserroboter anwenden. Auch bei Flugdrohnen stellen sich rechtliche Probleme, insbesondere wenn Flüge über verkehrsreiche Stadtgebiete Konflikte mit Fluglotsen auslösen. 

Lightrock: Eine globale Impact Investing Plattform

Impact-Anlegerinnen und -Anleger berücksichtigen bei der Verwaltung ihres Portfolios neben klassischen Finanzfaktoren vor allem soziale und ökologische Aspekte. Das LGT Partnerunternehmen Lightrock gehört zu den Pionieren im Impact Investing: Seit 2009 investiert Lightrock in nachhaltige und schnell wachsende Firmen in Afrika, Europa, Indien und Lateinamerika, die messbar zum Systemwandel beitragen.

Mehr über Lightrock erfahren

Andererseits sind die Probleme lösbar. Dr. Miles Elsden empfiehlt, Vorschriften aus dem ausgereifteren Erdöl- und Erdgassektor zu übernehmen. Die technologischen Fragen sind damit allerdings noch nicht gelöst. 

Porträtfoto von Dr. Miles Elsden
Dr. Miles Elsden ist Leiter des Institute for Safe Autonomy der University of York.

Wie Professor Yvan Petillot zu seiner eigenen Arbeit anmerkt: "Es ist nicht immer einfach, den Kontakt mit Robotern zu halten, die Dutzende von Metern unter dem Meer arbeiten. Wenn dann noch Satelliten mit Leistungsschwankungen eingesetzt werden..." Hier treten möglicherweise Innovationen wie Starlink auf den Plan. Für Dr. Surender Rangaraju stellt sich ein anderes wesentliches Problem: Massgeschneiderte Lösungen. "Ein einziger Roboter kann nicht alle Problemfälle in sämtlichen Solaranlagen abdecken", sagt er nachdrücklich. Seiner Meinung nach braucht jede Anlage auf einem Hausdach eine massgeschneiderte Lösung, genauso jedes Modul mit einem Neigungswinkel.

Blick auf die Staumauer am Lago Bianco auf dem Berninapas
Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass 35 Prozent des globalen Elektrizitätsangebots bis 2025 aus erneuerbaren Energiequellen stammt. © KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Diese Beispiele legen die Vermutung nahe, dass die zukünftigen Lösungen für Betrieb und Wartung im Bereich der erneuerbaren Energien sich genauso vielfältig gestalten werden wie ihre Abnehmer. Marta Pyrzyk geht davon aus, dass Wartungslösungen auch in Zukunft von hochgradig spezialisierten und äusserst unterschiedlichen Unternehmen erbracht werden. Die Lightrock-Spezialistin rechnet damit, dass mit zunehmender Marktreife zwar mehr konsolidiert würde, nach wie vor aber Unternehmen mit einzigartigen Lösungen auf den Markt drängen. 

Porträtfoto von Prof. Yvan Petillot
Prof. Yvan Petillot von der Heriot-Watt University in Edinburgh

Hier zeigt sich auch die anhaltende Vorliebe für externe Partnerschaften anstelle eines Insourcings des Betriebs und der Wartung. "Für ein Grossunternehmen ist es häufig einfacher, diese Dienstleistungen einzukaufen", sagt Dr. Miles Elsden. "Ein Einkauf bringt Kapitalkosten, Insourcing Betriebskosten."

Marta Pyrzyk sieht das genauso. Aus Umweltschutzgründen könnten einige interne Investitionen in den Betrieb und die Wartung erfolgen. Marta Pyrzyk geht aber davon aus, dass sich für externe Wartungsexperten wie Aerones immer ein Platz findet. Angesichts der Tatsache, dass die Netto-null-Klimaziele vorschreiben, dass wir bis 2050 rund 200’000 Offshore-Turbinen errichten - und Tag für Tag Solaranlagen im Umfang der weltweit grössten solchen Anlage erstellen - ist das auch gut so. 
 

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