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Anlagestrategien

Dekarbonisierter Stahl - Teil der Lösung statt Teil des Problems?

Stahl ist und bleibt ein Schlüsselmaterial für den Übergang zu einer grüneren Zukunft. Die Dekarbonisierung des Herstellungsprozesses dieser wesentlichen Komponente für die Nutzung zahlreicher erneuerbarer Energiequellen ist daher von zentraler Bedeutung, um die CO2-Emissionen in den Lieferketten zu mindern.

Datum
Autor
Davide Pinna, Senior Equity Analyst, LGT Private Banking
Lesezeit
5 Minuten

Ein Mann mit Schutzausrüstung arbeitet an einer Werkbank in einer Fabrikumgebung. Schweissfunken fliegen bei seiner Arbeit.
Stahl war lange Teil des Emissionsproblems, kann aber auch Teil der Lösung sein - seine rasche Dekarbonisierung ist entscheidend für die grüne Wirtschaft, sagt Davide Pinna von LGT Private Banking. © Shutterstock/Gorodenkoff

Die Reduktion der Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) auf netto null bis Mitte des Jahrhunderts ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Das Ausmass dieser Aufgabe ist beispiellos und betrifft alle wichtigen Bereiche der Gesellschaft. Es geht um nichts Geringeres als eine vollständige Umgestaltung der Art und Weise, wie wir Energie und Güter produzieren, transportieren und verbrauchen.

Die rasche Einführung von Technologien für saubere Energie und die Verbesserung der Energieeffizienz stehen im Zentrum der Netto-Null-Ziele, wie sie von der Internationalen Energieagentur (IEA) beschrieben werden. Nach diesen Plänen werden neue konventionelle Energieprojekte durch vermehrte Investitionen in saubere Energie obsolet. Einige Energieversorger sind allerdings der Auffassung, dass dieser Ansatz nicht der einzige Weg zur Umsetzung des Netto-Null-Ziels bis 2050 ist. Effizientere Technologien zur Emissionsreduktion, die Einführung nachhaltiger Energiequellen sowie Anpassungen des Energieverbrauchsmixes werden die Umstellung ebenfalls beeinflussen.

Stahl ist und bleibt in vielen Bereichen unverzichtbar.

Ungebrochener Anstieg der THG-Emissionen in der Stahlproduktion

Ein Mann in Arbeitskleidung steht auf einem Fabrikgelände, im Hintergrund drehen sich Windturbinen.
Stahlproduzenten erforschen verschiedene Technologien zur Dekarbonisierung, darunter wasserstoffbasierte Direktreduktion, Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sowie den Einsatz von Biomasse. © Patrick Junker/laif

Aktuell trägt die Stahlindustrie erheblich zu den globalen THG-Emissionen bei, insbesondere zum Ausstoss von Kohlendioxid (CO2). Die Produktion von Eisen und Stahl beruht auf kohlenstoffintensiven Brennstoffen wie Kohle und Erdgas, da zum Schmelzen des Rohmaterials sehr hohe Temperaturen erforderlich sind. Weil Stahl jedoch eine entscheidende Rolle bei der Energiewende spielt, arbeiten nachhaltige Energieversorger mit Produzenten zusammen, um kohlenstoffarmen Stahl zu entwickeln und so die Emissionen zu reduzieren.

Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Weltweit ist die durchschnittliche CO2-Emissionsintensität gestiegen, hauptsächlich aufgrund der wachsenden Stahlproduktion in China und Indien. Im Durchschnitt liegt die CO2-Emissionsintensität der weltweiten Rohstahlproduktion bei etwa 1.8 bis 2.0 Tonnen CO2 pro Tonne produziertem Stahl. Zum Vergleich: 85 durchschnittliche Benzinautos, die je 100 Kilometer fahren, produzieren zusammen rund eine Tonne CO2.

Unterschiedliche Emissionsintensität je nach Produktionsverfahren

Die Emissionen in der Stahlindustrie hängen allerdings stark von der eingesetzten Technologie ab. Der Hochofen-Sauerstoff-Aufblaskonverter (BOF) ist die traditionelle Methode zur Erhitzung von Eisenerz in der Stahlherstellung. Dieses Verfahren verwendet hauptsächlich Kokskohle als Brennstoff und emittiert in der Regel etwa 2.0 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl.

Das Elektrolichtbogenofen-Verfahren (EAF) nutzt Strom als Energiequelle, um hauptsächlich recycelten Stahlschrott zu schmelzen, was zu einer geringeren CO2-Bilanz führt als beim BOF-Verfahren. Die Emissionen liegen zwischen 0.4 und 0.7 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl. Sie können sogar noch wesentlich tiefer liegen, wenn erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.

Der Brennstoff bestimmt die Produktionsmethode

Weltweit werden noch über 70 % des Stahls nach dem BOF-Verfahren hergestellt, die restlichen 30 % nach dem EAF-Verfahren. Die Aufteilung nach Regionen unterscheidet sich erheblich: China und Indien produzieren immer noch 90 % ihres Stahls im BOF-Verfahren. Viele Länder in Asien verfügen über grosse Eisenerz- und Kohlevorkommen, was das BOF-Verfahren in diesen Regionen wirtschaftlich rentabler macht. Im Nahen Osten gibt es reichlich und relativ günstiges Erdgas zur Stromerzeugung, wodurch das EAF-Verfahren wettbewerbsfähiger wird. In Afrika tragen die beträchtlichen Wasserkraftressourcen zur Attraktivität des EAF-Prozesses bei.

Neue Technologien zur Dekarbonisierung

Eine Fabrikanlage inmitten einer grünen, hügeligen Landschaft.
ComBio aus Brasilien erzeugt Energie für die Schwerindustrie aus Biomasse. Unterstützt wird das Unternehmen von Lightrock, dem Impact-Investor, der 2022 aus LGT hervorgegangen ist. © ComBio

Um die ehrgeizigen THG-Reduktionsziele bis 2050 zu erreichen, werden in der Stahlindustrie mehrere vielversprechende Technologien zur Dekarbonisierung entwickelt. Dazu gehören:

  • Wasserstoffbasierte Direktreduktion: Eisenerz wird mit Wasserstoffgas anstelle von kohlenstoffbasierten Brennstoffen reduziert, um direkt reduziertes Eisen (DRI) oder heiss brikettiertes Eisen (HBI) herzustellen. Da Wasserstoff aus nachhaltigen Quellen hergestellt werden kann, ermöglicht dieses Verfahren eine erhebliche Verringerung der Kohlenstoffemissionen.
     
  • Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS): Diese Technologien zielen darauf ab, CO2-Emissionen aus Stahlherstellungsprozessen abzuscheiden und unterirdisch zu speichern. CCS lässt sich sowohl in Hochöfen als auch in Direktreduktionsverfahren einsetzen. Das abgeschiedene CO2 kann für die Herstellung von Chemikalien und Materialien oder zur Verbesserung der Ölrückgewinnung eingesetzt werden.
     
  • Biomasse und Bioenergie: Biomasse kann als Ersatz für fossile Brennstoffe in BOF-Verfahren dienen. Auch Bioenergie in Kombination mit CCS ist ein gangbarer Ansatz. Beide Varianten können dazu beitragen, die Kohlenstoffintensität zu verringern.

Recycling und Kreislaufwirtschaft: Das Recycling von Stahlschrott in EAF-Werken erfordert weniger Energie und verursacht geringere CO2-Emissionen als die BOF-Stahlproduktion. Die Optimierung von Produktionsprozessen, die Verbesserung von Wärmerückgewinnungssystemen und der Einsatz fortschrittlicher Steuerungssysteme zur Minimierung von Energieverschwendung können ebenfalls zur Verringerung der Emissionen beitragen.

Diese Technologien befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, ihre breite Einführung erfordert jedoch weitere Forschung, Investitionen und politische Unterstützung.

Stahl bleibt auch in Zukunft entscheidend

Ein Mann in Anzug und Krawatte posiert und lächelt freundlich in die Kamera.
Davide Pinna, LGT Private Banking

Stahl spielt eine entscheidende Rolle bei der Energiewende. Er wird in grossem Umfang für den Bau von Infrastrukturen für erneuerbare Energien wie Windturbinen, Solaranlagen und Wasserkraftwerken verwendet. Stahl ist auch für die Übertragung und Verteilung von Elektrizität insbesondere über grosse Entfernungen unerlässlich und ist zudem ein Schlüsselelement bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen und Ladeinfrastruktur. Als Basismaterial wird er auch für den Bau von CCS- und Wasserstoffanlagen benötigt, einschliesslich Pipelines und Lagertanks.

Bis anhin wurde Stahl ausschliesslich als Teil des TGH-Emissionsproblems eingestuft. Er kann aber auch Teil der Lösung sein. Da viele Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien derzeit ohne Stahl nicht möglich sind, ist es wichtig, die Stahlproduktion so rasch und so weit wie möglich zu dekarbonisieren. Die Stahlindustrie ist somit ein wichtiger und wachstumsträchtiger Teil der neuen grünen Wirtschaft.

Marktinformationen unserer Research-Expertinnen und Experten

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