Mit der zunehmenden Alterung der Weltbevölkerung benötigen Rentnerinnen und Rentner bessere Gesundheits- und Sozialleistungen, mehr betreutes Wohnen und flexible Rentenlösungen. Gute Nachrichten für Anlegerinnen und Anleger.
Wir werden immer älter und auch immer reicher, zumindest in den Industrieländern. In den letzten 75 Jahren ist die Weltbevölkerung explodiert: Bestand sie 1950 noch aus 2.5 Milliarden Menschen, so sind es heute mehr als acht Milliarden. Bis 2080 könnten es 10.4 Milliarden sein.
Das Bevölkerungswachstum verläuft aber keineswegs einheitlich, obwohl die Sterblichkeit weltweit abgenommen hat. In Teilen Asiens und Afrikas sind die Geburtenraten nach wie vor hoch und somit auch die Bevölkerung deutlich jünger. In Europa, Nordamerika und Japan hingegen sind die Geburtenraten eingebrochen, und die Bevölkerung altert unaufhaltsam.
2050 wird die Zahl der weltweit über 65-Jährigen voraussichtlich mehr als doppelt so hoch sein wie die Zahl der unter Fünfjährigen. Dr. Tilman Dumrese, Senior Equity Analyst bei der LGT, veranschaulicht die Entwicklung mit einem Vergleich: "Stellen Sie sich eine Lawine vor, die sich in Zeitlupe zu Tal bewegt."
Gesundheitsbedürfnisse im hohen Alter
Die Bevölkerungsalterung stellt Regierungen und Unternehmen vor gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen. Wer länger lebt, leidet mit höherer Wahrscheinlichkeit an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Herzkrankheiten oder Krebs. Ein längeres Leben bedeutet auch einen längeren Ruhestand, und damit bessere Altersvorsorge und altersgerechtere Wohnungen.
Unternehmen vieler Branchen stellen sich auf diese Herausforderungen ein. Ein Beispiel ist die Pharmaindustrie: Wissenschaftliche Fortschritte, insbesondere in der Genomik, veranlassen die Medikamentenhersteller, neue Diagnosetests und Therapien zu entwickeln, die konkret zur Personalisierung der Medizin beitragen.
Eine der bis anhin erfolgreichsten Entwicklungen: Wenn sich jemand einer Krebstherapie unterzieht, kann man neuerdings vor der Behandlung vorhersagen, wie hoch die Erfolgschancen für diese Person sind - statt ihre Wirkung durch Trial und Error auszuprobieren. Für Betroffene, Pharmaunternehmen, Gesundheitsversorger und Krankenversicherer ist diese Analyse angesichts der hohen Gesundheitskosten natürlich ein massiver Vorteil.
Die "Silver Society" ist zunehmend mit gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert.
Nicht nur bei Medikamenten und Diagnostika gibt es riesige Fortschritte, sagt Dr. Dumrese. Hersteller medizinischer Geräte, einschliesslich solcher, welche die Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten wie Herz- und Augenkrankheiten unterstützen, arbeiten an der Entwicklung von Behandlungen, die mit Hilfe von Softwarelösungen und künstlicher Intelligenz skaliert werden können. Der Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz von Technologien zur Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderungen, mit denen die sogenannte "Silver Society" zunehmend konfrontiert ist.
Mit der Entwicklung neuer und besserer Möglichkeiten zur Förderung der langfristigen Lebensqualität steigen auf Seiten der Gesundheitsversorger die entsprechenden Kosten immer weiter. In den Industrieländern rechnet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) damit, dass die Gesundheitsausgaben rascher zunehmen als das BIP. Nichtstaatliche Gesundheitsversorgung und Pflegeeinrichtungen dürften von dieser Entwicklung profitieren.
Automatisierung und Robotik auf dem Vormarsch
Im Gesundheitswesen herrscht bereits heute Fachkräftemangel. Die Alterspyramide stellt sich allmählich auf ihre Spitze, da immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter immer mehr Rentnerinnen und Rentnern gegenüberstehen, sodass sich dieser Trend noch verschärft. Damit steigt auch die Nachfrage nach Robotern und künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen und in zahlreichen weiteren Branchen - eine strukturelle Veränderung, die vor allem Unternehmen mit automatisierten Arbeitsprozessen zugutekommt.
Die Alterung der Erwerbsbevölkerung stellt die Politik vor besondere Herausforderungen. Wenn weniger junge Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, müssen immer mehr Branchen Wege finden, wo möglich repetitive und schwere Arbeit zu ersetzen. Die Robotik bietet eine Alternative zu oft stärker umstrittenen Lösungen wie der Förderung der Zuwanderung oder der Anhebung des Rentenalters. Der Weltmarkt für Industrie- und Serviceroboter wird 2030 voraussichtlich über USD 500 Milliarden betragen, verglichen mit USD 45.3 Milliarden im Jahr 2020. Industrieunternehmen mit einem klaren Schwerpunkt im Maschinenbau dürften davon profitieren.
Ein gesunder Lebensstil hat seinen Preis
Das wachsende Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil begünstigt weiterhin das Marktwachstum von Produkten, die diesen Trend unterstützen. Medikamente gegen Fettleibigkeit sind seit der Pandemie eine Erfolgsgeschichte. Und der Weltmarkt für Bio-Lebensmittel und -Getränke soll bis 2030 um durchschnittlich 13 Prozent wachsen, ausgehend von derzeit USD 200 Milliarden. Auch Nahrungsergänzungsmittel dürften von einem beschleunigten Wachstum profitieren.
Sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern verfügen die Rentnerinnen und Rentner zunehmend über mehr Freizeit und häufig auch über wachsende Vermögen. Für die von der Covid-Krise besonders betroffene Reisebranche geht Dr. Dumrese davon aus, dass "die Reiselust nach wie vor anhält und auch in Zukunft für Nachfrage sorgen dürfte. Damit sind die langfristigen Aussichten für diese Branche unverändert gut."
Betreutes Wohnen als Wachstumsbranche
Anlegerinnen und Anleger sollten sich auch bewusst sein, dass der Bedarf an finanziellen Lösungen zur Vorbereitung eines möglicherweise 25 bis 30 Jahre währenden Ruhestands und allenfalls auch der Pflege am Lebensende zunimmt. Unternehmen, die Renten- und Lebensversicherungsprodukte anbieten, dürften vom höheren Sicherheitsbedarf im Alter profitieren. Da nicht alle Länder über moderne Sozialversicherungssysteme verfügen, gehört die Nachfrage nach privaten Rentenlösungen zu den Wachstumstreibern in der Finanzdienstleistungsindustrie.
Die Wohnbedürfnisse älterer Menschen unterscheiden sich von denjenigen Studierender oder junger Familien. In den USA und Grossbritannien richten sich bereits einige Immobilienunternehmen auf den Sektor "Betreutes Wohnen" aus. Ihre Kundinnen und Kunden finanzieren sich zum grössten Teil selbst. Die Trägerunternehmen schaffen Gemeinschaften, die eine durchgehende Betreuung bieten, angefangen bei selbstständig lebenden "jungen Alten" ab 55 Jahren über ambulante medizinische Betreuung bis hin zur Pflege und Betreuung am Lebensende. So können auch ältere Paare mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen weiterhin zusammenleben. Andere Unternehmen richten sich auf spezifische Segmente aus, etwa in den Bereichen des betreuten Wohnens, der Hospizbetreuung oder der Pflege.
Langfristig goldene Aussichten für die "Silver Society"
Ob im Gesundheitswesen, der Automatisierung, dem Wellness-Sektor, der Reisebranche, dem Finanzdienstleistungssektor oder dem Immobilienwesen - die "Silver Ager" sind finanzkräftig. Wer diesen Aspekt beim Anlegen vernachlässigt, tut es auf eigene Gefahr. Denn Trends, die vom demographischen Wandel getrieben werden, dürften noch Jahrzehnte Bestand haben.
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