The Strategist

Chinas Schattenbankenwesen und Immobiliensektor unter der Lupe

In den letzten Monaten haben das Schattenbankensystem und der Immobiliensektor in China grosse Besorgnis an den Kapitalmärkten ausgelöst. Die Schuldenkrise bei Country Garden - Chinas grösster Baukonzern im Jahr 2022 - und ausbleibende Zahlungen bei Zhongrong International Trust, einer der grössten Schattenbanken Chinas, machten dies deutlich. Wie tiefgreifend ist das Problem? 

Datum
Autor
Dr. Felix Kapfhammer, Economist
Lesezeit
10 Minuten
China Schattenwirtschaft
© Shutterstock

Um die Diskussion anzustossen, sollten wir einen Schritt zurücktreten und uns die Bedeutung des Immobiliensektors in China vergegenwärtigen. Im Jahr 2022 machte er nur 6% des chinesischen Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. Jedoch hat der Immobiliensektor erhebliche Auswirkungen auf andere Sektoren wie das Baugewerbe (7% des chinesischen BIP), das verarbeitende Gewerbe (28%) und die Finanzbranche (8%). Berücksichtigen wir den direkten und indirekten Beitrag, so macht der Immobiliensektor etwa 20-30 % des chinesischen BIP aus.

Der Immobiliensektor war einst ein wichtiger Motor der chinesischen Wirtschaft, wurde aber in den letzten Jahren zunehmend zu einem strukturellen Problem, das die Wirtschaftsleistung ernsthaft beeinträchtigen könnte. Dieses Problem betrifft nicht nur den privaten Sektor, sondern auch die Kommunalverwaltungen, die ihre Ausgaben häufig durch den Verkauf von Grundstücken an Bauträger finanzieren. Die Probleme im chinesischen Immobiliensektor sind nicht neu, und dennoch wissen wir nur wenig über die Schwierigkeiten, mit denen der Sektor konfrontiert ist, da es quantitativ und qualitativ oft nur ungenügende Statistiken gibt. Der Mangel an verlässlichen Daten verringert die Transparenz drastisch und erhöht damit das Risiko für Investoren. 

Der Schattenbankensektor

Eine der Hauptauswirkungen des Immobilienabschwungs ist im Schattenbankensektor zu finden. Der Begriff Schattenbankwesen bezieht sich auf ein paralleles Finanzsystem, das ausserhalb des traditionellen Regulierungsrahmens operiert. Es besteht aus Vermögensverwaltungsprodukten, Treuhandprodukten, Unternehmenskredite (Entrusted Loans) und alternativen Finanzierungen und hat eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung alternativer Finanzierungskanäle für Immobilienentwickler und Investoren gespielt. Das von Banken dominierte Schattenbankensystem bietet Darlehen und Kredite für Teilnehmer des Immobilienmarktes an, die möglicherweise für eine traditionelle Bankfinanzierung nicht in Frage kommen. Diese Finanzinstrumente sind jedoch häufig teurer als die vom traditionellen Bankensektor angebotenen, was die höheren Risiken widerspiegelt.

Obwohl das Schattenbankenwesen zum schnellen Wachstum des chinesischen Immobilienmarktes beigetragen hat, birgt es auch Risiken. Eine grosse Sorge ist das Potenzial einer übermässigen Hebelwirkung und spekulatives Verhalten. Die Schätzungen über die Grösse des Schattenfinanzierungssystems variieren je nach Quelle, aber ein von der Reserve Bank of Australia veröffentlichter Bericht schätzt die Grösse des Schattenfinanzierungssystems in China auf ca. 40 % des chinesischen BIP im Jahr 2019. Während das Schattenbankenwesen bis 2016 nur sehr geringfügig reguliert war, haben die chinesischen Behörden seitdem verschiedene Vorschriften eingeführt, die darauf abzielen, die Schattenbankenaktivitäten im Immobiliensektor einzudämmen. Zu diesen Massnahmen gehören strengere Kreditvergabestandards, höhere Transparenzanforderungen und eine verstärkte Überwachung von ausserbilanziellen Transaktionen. Die verschärfte Regulierung schränkte die Finanzierungsmöglichkeiten im Immobiliensektor ein, was in den letzten Monaten zum Ausfall mehrerer Baukonzerne führte. Die Meinungen über das Ausmass der Immobilien- und Schattenbankenproblematik gehen unter Ökonomen auseinander. 

Ein Hemmschuh für Chinas Wachstum 

Wir halten die sich anbahnende chinesische Immobilienkrise für eine anhaltende Wachstumsbremse, die die in den letzten Monaten zutage getretenen Schwäche der chinesischen Wirtschaft zusätzlich verstärkt. Dabei handelt es sich um ein mageres Aussenhandelswachstum, den stagnierenden inländischen Konsum angesichts schwächelnder Arbeitsmärkte und einen Einbruch der Investitionstätigkeit der Unternehmen aufgrund der zunehmenden Unsicherheit hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung Chinas in den kommenden Quartalen.
 

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