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E-Mails, Videokonferenzen, Emojis: Kulturelle Unterschiede machen vor der virtuellen Kommunikation nicht Halt. Diese Punkte helfen, Missverständnissen entgegenzuwirken.
Wir vergessen es leicht, aber hinter jedem E-Mail und jeder Chatnachricht steckt ein Mensch. In einem interkulturellen Arbeitsumfeld sind die Menschen unterschiedlich sozialisiert und handeln, denken und kommunizieren deshalb in derselben Situation unterschiedlich. Das manifestiert sich in der kulturübergreifenden Zusammenarbeit - auch auf virtuellen Kanälen. In diesem Alltag eine zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen ist die grosse Herausforderung.
Kulturelle Unterschiede komplizieren den virtuellen Austausch. Missverständnisse können leichter entstehen. Dafür gibt es viele Gründe: Kommunikationsstile, d.h. die Art und Weise, wie die Botschaft vermittelt wird, unterscheiden sich von Kultur zu Kultur.
Was sollte man beachten, um Missverständnisse vorzubeugen? Eine allgemeinverbindliche Antwort gibt es nicht. Es kommt jedes Mal auf den Kontext an. Betrachten wir daher einige reale Beispiele genauer:
Die Situation: Ein Projektteam bestehend aus Mitgliedern aus der Schweiz, China und der UK trifft sich wöchentlich zu einer Videokonferenz. Es fällt auf, dass die chinesischen Arbeitskolleginnen und -kollegen die Kamera nie einschalten. Das stört die anderen.
Was passiert hier? Aus kultureller Sicht können hier unterschiedliche Aspekte eine Rolle spielen. Die UK und die Schweiz sind eher individualistische Kulturen und damit auch eher aufgabenorientiert. China ist tendenziell eine beziehungsorientierte Kultur, in der man zunächst Vertrauen und Beziehungen aufbaut. Wenn das Vertrauen noch fehlt, kann es sein, dass man die Kamera nicht einschaltet, weil es unangenehm ist, das Gesicht zu zeigen. Wichtig wäre auch die ganze Situation genauer anzuschauen: Wer hat welche Funktion und wie sehen die Hierarchiestufen aus? Ist es eine informelle oder eine formelle Sitzung? Sind die Teammitglieder im Büro oder im Home-Office? Wenn sie zu Hause sind, möchten sie vielleicht nicht, dass die Arbeitskolleginnen und -kollegen oder gar der Chef das private Umfeld sehen. Alle diese Aspekte beeinflussen das Verhalten.
Was tun? In einem ersten Schritt: Einfordern, die Kamera einzuschalten – oder als Projektteam gemeinsam Guidelines abmachen, wie man zusammenarbeiten möchte. Ob jemand die Kamera einschaltet oder nicht, hat nicht immer nur kulturelle Gründe. Auch persönliche Ursachen können eine Rolle spielen. Problematisch ist auch, allgemeingültige Schlüsse aufgrund der Nationalität einer Person zu ziehen, wie «Chinesen schalten die Kamera nie an». Solche Vorurteile und Bias hindern die Zusammenarbeit. Und schliesslich ist anzufügen, dass auch Menschen aus anderen Kulturen die Kamera nicht anknipsen – manchmal auch Teammitglieder aus der Schweiz oder aus England.
Die Situation: Der amerikanische Manager John Miller hat eine Assistentin aus Mexiko. Sie schreibt ihm aus seiner Sicht immer sehr lange E-Mails. Manchmal versteht er schlichtweg nicht, was sie meint. Er findet, er hätte keine Zeit Romane zu lesen. Er wolle effizient arbeiten. Sie solle ihm kurz und prägnant schreiben, was Sache sei. Kurz und gut, er überlege sich, sie zu entlassen.
Was passiert hier? Kommunikationsstile, d.h. die Art und Weise, wie die Botschaften vermittelt werden, variieren stark und sind Ausdruck der Werte jeder Kultur. Ein wichtiger Kommunikationsunterschied: «niedriger» versus «hoher Kontext». John kommt aus einer «niedrigen Kontext Kultur». Das heisst, er kommuniziert präzis, einfach, explizit und klar. Entscheidend ist, was gesagt wird. Er verlässt sich auf die Worte. In E-Mails schreibt er maximum fünf Zeilen und benutzt im Austausch mit seiner Assistentin auch keine Anrede. Für ihn ist der E-Mail-Austausch ein Dialog.
Demgegenüber kommuniziert seine Assistentin im «hohem Kontext». Sie äussert sich implizit und indirekt. Entscheidend ist bei ihrem Kommunikationsstil, wie Dinge ausgedrückt werden und nicht, was gesagt wird. Botschaften werden erst durch die nicht verbalisierten Informationen verständlich: Sie liegen im Kontext. Hier hilft es, zwischen den Zeilen zu lesen.
Für Menschen aus «hohen Kontext Kulturen» wie z.B. viele asiatische Kulturen können explizite Aussagen als respektlos oder gar rücksichtslos wahrgenommen werden. Umgekehrt vermissen Menschen aus «niedrigen Kontext Kulturen» Deutlichkeit.
Dieser kulturelle Unterschied in der Kommunikation führt immer wieder zu grossen Missverständnissen wie das Beispiel von John und seiner Assistentin zeigt. Interkulturell kompetenter kommunizieren kann, wer sich der unterschiedlichen Kommunikationsstile bewusst ist. Nach einer kulturellen Analyse der beschriebenen Situation hat John seine Assistentin nicht entlassen, sondern sie haben gemeinsam festgelegt, wie sie ihr E-Mail-Austausch aussehen sollte.
E-Mails sind ein Paradies für interkulturelle Missverständnisse. Die Quellen sind vielfältig:
Was tun? Kurz und gut, davon auszugehen, dass die eigene Botschaft ankommt, ist heikel. Wie ein E-Mail aufgefasst wird – ob freundlich, klar, höflich, aggressiv, respektlos, oder schockierend – liegt hauptsächlich im Auge des Betrachters. Man kann in bestmöglicher Absicht schreiben und es kann aufgrund der kulturellen Andersartigkeit absolut falsch verstanden werden.
Die Situation: Ein Team kommuniziert hauptsächlich über WhatsApp. Dazu gehören auch Emojis. Eines Tages postet ein griechisches Teammitglied einen wichtigen Hinweis. Die Schweizer Kollegin reagiert mit Daumen hoch. Der griechische Kollege erschrickt und versteht nicht, was ihm seine Kollegin mitteilen möchte. Denn in Griechenland wird dieses Symbol als anstössig und beleidigend verstanden.
Was passiert hier? Emojis werden mehr und mehr auch im Geschäftsalltag eingesetzt. Keine Frage, sie sind unterhaltend und geben der Nachricht einen emotionalen Kontext. Viele meinen, dass Emojis eine globale Ausdrucksform oder sogar eine Universalsprache seien. Doch Studien zeigen, dass Emojis kulturell unterschiedlich sind, wobei einige verständlicher sind als andere. Emojis, die sich auf universelle Basisemotionen wie Wut, Trauer, Freude, Überraschung oder Angst beziehen, werden tendenziell von allen ähnlich verstanden. Davon abgesehen haben Emojis je nach Kultur unterschiedliche Bedeutungen.
Was tun? Die Verwendung von Emojis im interkulturellen Kontext birgt die Gefahr, missverstanden zu werden oder gar als beleidigend zu gelten. Daher tut man gut daran, zweimal zu überlegen, bevor man ein Emoji verschickt.
👍 «Daumen hoch» ist in vielen westlichen Kulturen eine positive und bejahende Geste, die Einverständnis signalisiert. In einigen Kulturen des Nahen Ostens und Lateinamerikas wird es als unhöflich und beleidigend verstanden, ähnlich wie das Zeigen des Mittelfingers.
👏 «Klatschende Hände» drücken in vielen Kulturen Applaus oder Glückwünsche aus. In China kann es aber Liebe machen bedeuten.
🙏 «Gefaltete Hände oder High Five»? Dieses Emoji drückt in vielen Kulturen Dankbarkeit oder eine Bitte aus. In Brasilien und Teilen Europas können gefaltete Hände jedoch als Symbol des Bettelns interpretiert werden.
😂 «Weinendes und lachendes Smiley» wird häufig verwendet, um Lachen oder Humor zu zeigen. In China oder Japan kann es als Traurigkeit oder Enttäuschung gesehen werden, da Tränen mit negativen Emotionen verbunden sind.
👌 «Daumen auf Zeigefinger» signalisiert in vielen westlichen Kulturen Zustimmung. In Teilen Südamerikas wird die Geste jedoch als vulgär und beleidigend angesehen.
😳 «Smiley mit grossen Augen» drückt in vielen Kulturen Überraschung oder Ungläubigkeit aus. In einigen asiatischen Kulturen wird es auch verwendet, um Wut oder Frustration auszudrücken.
♥️ «Herz» zeigt oftmals Liebe oder Zuneigung. In einigen osteuropäischen Kulturen wird es mit starker Wut oder Hass assoziiert.
Seien wir ehrlich: Dass die Zusammenarbeit zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen gelingt, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn in unserem eigenen kulturellen Umfeld fühlt sich alles richtig an. Im Moment, in dem kulturelle Unterschiede aufeinandertreffen, werden wir gezwungen, aus unserer Komfortzone herauszutreten. Sich interkulturell im virtuellen Kontext zu bewegen, fügt weitere Ebenen hinzu, die alles noch komplexer machen. Das gilt es zu akzeptieren.
Wer bewusst kulturübergreifend virtuell arbeiten möchte, braucht interkulturelle Kompetenz.