LGT Private Banking House View

April 2023

Die US-Notenbank erwägt ein Ende des geldpolitischen Straffungszyklus, hat aber nicht die Absicht, die Zinsen zu senken - Die Märkte sehen das anders. Aktienanleger werden in Europa derzeit besser entschädigt als in den USA, daher stufen wir europäische Aktien auf «neutral» hoch. Das Bankenbeben hat für heftige Verwerfungen an den Kreditmärkten gesorgt und wird zur Bewährungsprobe für nachrangige Bankanleihen.

Datum
Autor
Thomas Wille
Lesezeit
7 Minuten

US-Notenbank
© shutterstock

Im März haben wir im wahrsten Sinne des Wortes ein Bankenbeben erlebt. In den USA gerieten mehrere Finanzinstitute in Schieflage. Die renommierte Regionalbank Silicon Valley Bank musste sogar ihren Betrieb einstellen und die Frist Republic Bank befindet sich nach wie vor in Zahlungsschwierigkeiten. Mit der Schweizer Bank Credit Suisse (CS) hat es sogar eine der dreissig systemrelevanten Banken erwischt. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde die Grossbank mit Hilfe der Schweizer Regierung, der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Aufsichtsbehörde (Finma) in eine Zwangsheirat mit der grössten Schweizer Bank UBS gedrängt. Aus eigener Kraft hat es die CS nicht mehr geschafft.

Lehrbuchmässig würde man als Anleger erwarten, dass die Zentralbanken die Geldpolitik nicht weiter straffen. Doch die SNB (+50 Basispunkte), die US-Notenbank (Fed, +25 Basispunkte) und die Europäische Zentralbank (EZB, +50 Basispunkte) haben die Leitzinsen trotz der angespannten Lage erneut erhöht. Die SNB und die EZB haben zudem weitere Zinsschritte angekündigt. Der Kampf gegen die Inflation, die sich als sehr hartnäckig erweist, bleibt für die Währungshüter damit die oberste Priorität.

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Fed-Chef Jerome Powell hat dagegen von einem baldigen Ende des Zinserhöhungszyklus gesprochen und erklärt, die US-Notenbank werde eine Pause einlegen. Eine Pause bedeutet aber keine Wende. Powell hat klar kommuniziert, dass das Fed die Zinsen vorerst nicht senken will. Die Kapitalmärkte sehen das deutlich anders. Sie preisen Zinssenkungen von knapp 100 Basispunkten im Jahr 2023 ein und rechnen mit einer Lockerung von weiteren 100 Basispunkten im Folgejahr. Wir erwarten keine unmittelbaren Leitzinssenkungen, es sei denn, die USA fallen in der zweiten Jahreshälfte rasch in eine Rezession.

Aus unserer Sicht bleibt die grosse Unbekannte in den nächsten Wochen, wie viele Banken ein Missverhältnis zwischen Vermögenswerten und Verpflichtungen in ihren Bilanzen aufweisen. Die Zentralbanken, allen voran die US-Notenbank, agieren äusserst entschlossen und stellen den Finanzinstituten sehr viel Liquidität zur Verfügung, was zu einer weiteren Ausdehnung der Bilanzen geführt hat. In dieser Situation sollten Anleger genau wissen, welche Risiken sie im Portfolio haben. Das Beispiel der AT1-Bonds der Credit Suisse zeigt eindrücklich, wie entscheidend es in diesen Tagen ist, die Risiken im Portfolio nicht nur zu kennen, sondern auch aktiv zu bewirtschaften. Die Selektion ist in allen Anlagekategorien zentral und gilt nicht nur für die Aktienauswahl, sondern auch für die Kreditauswahl in einem Obligationenportfolio.

Anlagestrategie

Das Makro-Umfeld dürfte im zweiten Quartal schwierig bleiben. Die Wachstumsdynamik wird sich voraussichtlich weiter abschwächen und die Rezessionswahrscheinlichkeit ist in den wichtigsten Industrieländern gestiegen. Eine tiefe Rezession in der westlichen Welt ist aber nicht unser Hauptszenario. Gleichzeitig dürfte die Kerninflation länger hoch bleiben. Daher erwarten wir weiterhin eine straffe Geldpolitik der Zentralbanken, insbesondere des Fed und der EZB. Wir halten an unserer defensiven Anlagestrategie fest und bevorzugen Anleihen und alternative Anlagen. Liquidität gewichten wir neutral. Wir bestätigen zudem das Untergewicht in Aktien, da die Gewinnrenditen und Risikoprämien derzeit zu wenig attraktiv sind, insbesondere im Vergleich zu kurzfristigen Anleihen.

Aktienstrategie

Die Gewinnrevisionen beginnen sich zu stabilisieren, die Gefahr einer Gewinnrezession in der zweiten Jahreshälfte ist aber noch nicht gebannt. Aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsniveaus auf Regionen- und Sektorebene dürfte die Selektion an Bedeutung gewinnen. Wir stufen Europa auf «neutral» hoch und akzentuieren damit die Präferenz für den «Rest der Welt» gegenüber den USA. Auf Sektorebene stufen wir Nicht-Basiskonsumgüter auf «neutral» hoch und bewerten Energie neu mit «übergewichten». Zudem bestätigen wir das Untergewicht in Technologie und das Übergewicht im Gesundheitssektor.

Anleihenstrategie

Trotz leicht gesunkener Zinsen am langen Ende erachten wir den Rentenbereich als attraktiv. Vor allem das kurzfristige Segment bietet weiterhin Renditepotenzial. Auf Portfoliobasis empfehlen wir eine neutrale Duration gegenüber der Benchmark. Das Makroumfeld spricht im Kreditbereich weiterhin für eine Präferenz von Investment-Grade-Bonds gegenüber Hochzinsanleihen.

Alternative Anlagen

Wir halten Gold nicht nur langfristig für einen wichtigen Portfoliobaustein, sondern haben auch in der taktischen Vermögensallokation ein Übergewicht. Ebenso haben wir eine Präferenz für Hedgefonds. Bei versicherungsbasierten Anlagen erhöhen wir unsere Einschätzung auf «neutral».

Währungsstrategie

Der US-Dollar dürfte nicht zuletzt wegen der Kaufkraftparität (KKP) im vergangenen Herbst ein Höchst erreicht haben – der US-Dollar ist sehr teuer gegenüber dem Euro. Auf dem jetzigen Niveau sprechen zwar die KKP und das «Carry»-Differenzial gegen einen Anstieg des US-Dollars, in Krisensituationen gilt die Valuta jedoch als sicherer Hafen. In den kommenden Monaten erwarten wir aufgrund der erhöhten Unsicherheit, die auch wegen des Bankenbebens zugenommen hat, einen Anstieg der Volatilität.
 

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