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Die möglichen Auswirkungen von Bidens Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2024

Die erste Präsidentschaftsdebatte 2024 zwischen Joe Biden und Donald Trump war ein kritischer Punkt für Bidens Wiederwahlkampagne. Bidens Leistung während der Debatte war bemerkenswert schlecht; er wirkte zögerlich, seine Rede war manchmal undeutlich und seine Antworten konnten die Bedenken hinsichtlich seines Alters und seiner Fähigkeit, den Wahlkampf fortzusetzen, geschweige denn die grösste Volkswirtschaft und stärkste Militärmacht der Welt für weitere vier Jahre zu führen, nicht zerstreuen. Diese Schwächen waren offenkundig und verstärkten die Zweifel der Demokraten und der Wählerschaft. Auch wenn Trumps Auftritt nicht unproblematisch war, so waren Bidens Schwächen doch offensichtlich genug, um in seiner Partei für erhebliche Unruhe zu sorgen. Hinzu kommt, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Wahlerfolgs nach dem jüngsten Attentat auf Trump deutlich zugunsten der Republikanischen Partei verschoben hat. Historisch gesehen steigt die Zustimmung zu einem Präsidenten nach solchen Ereignissen, wie bei Reagan zu beobachten war, auch wenn Trump ein Kandidat und kein amtierender Präsident ist. Jede weitere Aktion gegen Trump wird die republikanische Basis nur noch mehr ermutigen. In den Umfragen in den Swing States führt Trump weiterhin, während Biden in Bedrängnis gerät.

Datum
Autor
Sebastian Petric, LGT Senior FX Strategist, Tina Jessop, Senior Economist, LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten
Wahlen in den USA
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Vor diesem Hintergrund häufen sich die Spekulationen über einen möglichen Rückzug Bidens aus dem Präsidentschaftsrennen. Sollte er sich zu einem Rückzug entschliessen, müsste dieser relativ schnell erfolgen, damit ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin genügend Zeit hat, einen effektiven Wahlkampf zu führen. Die einfachste und wahrscheinlichste Nachfolge wäre Vizepräsidentin Kamala Harris. Dies liegt sowohl an ihrer derzeitigen Position als Vizepräsidentin als auch an den rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine problemlose Übertragung der Wahlkampfgelder von Biden an Harris ermöglichen und einen nahtlosen Übergang der Wahlkampfressourcen und -prioritäten gewährleisten. Die bestehenden Gesetze zur Wahlkampffinanzierung erleichtern solche Transfers zwischen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten und -kandidatinnen innerhalb derselben Partei, was Harris zur geeignetsten Nachfolgerin macht. 

Mögliche Nachfolge

Neben Harris gibt es noch andere Kandidaten der Demokraten wie Pete Buttigieg, Gavin Newsom und Gretchen Whitmer, aber Harris' derzeitige Rolle und die relative Leichtigkeit, mit der sie Bidens Platz einnehmen könnte, machen sie zur logischsten Wahl, auch wenn ihre schlechten Umfragewerte Widerstand hervorrufen könnten. Der Übergang wäre rechtlich und logistisch relativ einfach und würde den Wahlkampf so wenig wie möglich stören.

Sollte Harris oder eine andere Demokratin die Nominierung gewinnen, dürfte sich an der politischen Ausrichtung der Partei kaum etwas ändern. Im Mittelpunkt des Programms der Demokraten stehen umfangreiche Sozialleistungsprogramme, die darauf abzielen, die Kosten für die Kinderbetreuung zu senken, die Erwerbsbeteiligung von Eltern zu erhöhen und massiv in Bildung, Gesundheit und Wohnungsbau zu investieren. Diese Initiativen zielen darauf ab, Familien zu unterstützen und die Erwerbsbeteiligung, insbesondere von Frauen, zu erhöhen. Die Steuerpolitik einer demokratischen Regierung würde wahrscheinlich höhere Steuern für Unternehmen und wohlhabende Einzelpersonen beinhalten, um diese Sozialprogramme zu finanzieren. Die Bekämpfung des Klimawandels und die Förderung der globalen Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Entschlossenheit gegenüber China würden im Hinblick auf die nationale Sicherheit der USA im Vordergrund stehen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und sozialer Gerechtigkeit herzustellen, Einkommensunterschiede zu beseitigen und gleichzeitig eine robuste, umweltfreundlichere Wirtschaft zu fördern.

Die Agenda der Demokraten sieht auch eine Stärkung der mittel- bis langfristigen Wirtschaftsaussichten vor, trotz eines möglichen anfänglichen Anstiegs der Inflation. Es wird erwartet, dass die auf Familienförderung und Einwanderung ausgerichtete Politik die Erwerbsbeteiligung erhöhen und das BIP steigern wird, ohne die langfristige Inflation wesentlich zu erhöhen. Diese Wirtschaftsstrategie unterstreicht das Engagement der Partei für ein sofortiges und nachhaltiges Wachstum.

Auswirkungen auf die Kapitalmärkte: Einheitsregierung oder gespaltener Kongress?

Die Auswirkungen auf die Kapitalmärkte werden davon abhängen, ob die Demokraten eine einheitliche Regierung bilden können oder mit einem gespaltenen Kongress konfrontiert werden. Im Falle eines Wahlsieges der Demokraten könnte die Umsetzung der gesamten Wirtschaftsagenda der Partei zu erheblichen Investitionen in Sozialprogramme und Infrastruktur führen, wovon Sektoren wie grüne Energie und Gesundheit aufgrund höherer Finanzmittel und unterstützender Massnahmen profitieren würden. Bleibt der Kongress hingegen gespalten, könnte die Blockade der Gesetzgebung den Spielraum für neue Massnahmen einschränken. Dennoch sind einige parteiübergreifende Vereinbarungen zu Schlüsselthemen wie Infrastruktur möglich, was die Marktvolatilität im Vorfeld der Wahlen dämpfen könnte. Die langfristigen Auswirkungen werden stark von der endgültigen Zusammensetzung des Kongresses und seiner Fähigkeit, wichtige Gesetze zu verabschieden, abhängen. Wir erwarten keine signifikante Reduzierung des Haushaltsdefizits.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein möglicher Rückzug Bidens aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur wahrscheinlich dazu führen würde, dass Kamala Harris als Kandidatin antritt und die Kontinuität des derzeitigen politischen Kurses gewahrt bleibt. Dazu gehört ein starker Fokus auf expansive Sozialleistungen und höhere Steuern für Unternehmen und Reiche. Der Wahlausgang wird darüber entscheiden, inwieweit diese Politik umgesetzt werden kann. Ein Sieg der Demokraten würde die vollständige Umsetzung ihrer Agenda ermöglichen, während ein geteilter Kongress einen moderateren legislativen Fortschritt erfordern würde, was für die US-Aktienmärkte tendenziell besser wäre.

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