The Strategist

Positive Aspekte eines schwächeren US-Arbeitsmarktes

Nach einem unruhigen April, in dem an den Finanzmärkten zunehmend die Sorge über ein Szenario "höherer Zinsen für viel längere Zeit" aufkamen, sorgte der "Goldilocks"-Arbeitsmarktbericht aus den USA am vergangenen Freitag für eine willkommene Erleichterung. Während die monatliche Arbeitsmarktstatistik hinter den Erwartungen zurückblieb - damit aber die Zinssorgen etwas dämpfte und zu einer Rallye an den Aktien- und Anleihemärkten führte - lieferte der Bericht selbst solide Ergebnisse, die eine schwächere, aber dennoch robuste Beschäftigungsdynamik und damit eine solide private Nachfrage in der weltgrössten Volkswirtschaft widerspiegelten. 

Datum
Autor
Tina Jessop, Senior Economist, LGT Private Banking
Lesezeit
10 Minuten

US Arbeitsmarktbericht
© Shutterstock

US-Arbeitsmarktbericht für April: schwächer, aber nicht schwach

Die US-Wirtschaft hat im April 175’000 neue Arbeitsplätze ausserhalb der Landwirtschaft geschaffen. Dies lag klar unter den Konsenserwartungen von 240’000 und spiegelt eine Verlangsamung gegenüber dem durchschnittlichen monatlichen Tempo von 250’000 neu geschaffenen Jobs in den vergangenen zwölf Monaten wider. Anzeichen für eine Abkühlung zeigten sich auch in der Arbeitslosenquote, die von 3.8% auf 3.9% anstieg, sowie im Rückgang der pro Woche geleisteten Arbeitsstunden. Neben den Lohn- und Gehaltszahlen für April zeichnen auch andere Beschäftigungsdaten ein ähnliches Bild: Die Zahl der offenen Stellen ist rückläufig, während jene der Menschen, die freiwillig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, sinkt; die Teilzeitbeschäftigung nimmt zu; die Einstellungsabsichten der Unternehmen lassen nach und die meisten Indikatoren zeigen ein geringeres Lohnwachstum. 

Auch wenn sich die Gesamtzahlen abgeschwächt haben, ist das Beschäftigungswachstum in den USA in absoluten Zahlen nach wie vor gut. So wurden 40 Monate in Folge Arbeitsplätze geschaffen, und die Zahl der neu geschaffenen Stellen liegt deutlich über den 75’000 bis 100’000, die erforderlich sind, um mit dem Wachstum der Arbeitskräfte Schritt zu halten. Alles in allem deutet die Beschäftigungslage auf eine ausgewogenere Wirtschaft hin, kommend von überdurchschnittlichen BIP-Wachstumsraten und einer äusserst angespannten Arbeitsmarktlage.

Der Arbeitsmarkt im Kontext des letzten Zinsentscheids der Fed 

Vor dem Hintergrund des starken Anstiegs der Zinssätze in den letzten zwei Jahren ist die Widerstandsfähigkeit des US-Arbeitsmarktes bemerkenswert. Es sollte aber nicht überraschen, dass die Dynamik des Arbeitsmarktes endlich nachlässt. Diese Trendwende trägt dazu bei, die eher "dovishe" Haltung der US-Notenbank anlässlich der letzten Sitzung des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) in der vergangenen Woche zu erklären. Die Verlangsamung des Wachstums und die nachlassende Dynamik am Arbeitsmarkt erlauben es der Fed, sich stärker auf ihr zweites Mandat zu konzentrieren: Vollbeschäftigung.

Die Fed beliess den Leitzins unverändert in einer Spanne von 5.25-5.5% und der Notenbankvorsitzende Jerome Powell schloss zugleich die Möglichkeit von Zinserhöhungen aus, indem er betonte, dass die derzeitigen politischen Bedingungen restriktiv genug sind, um die Inflation wieder auf das angestrebte Ziel zu bringen. Dies gilt trotz des jüngsten Aufflackerns der Inflationsdynamik im Laufe des ersten Quartals 2024. 

Die volatile Phase der Normalisierung nach der Corona-Pandemie macht Prognosen und politische Entscheidungen äusserst schwierig. Im aktuellen Umfeld ist die Fed ebenso abhängig von Konjunkturdaten wie von der breiteren Markteinschätzung. Dies erklärt die starken Schwankungen in den Marktpreisen hinsichtlich des künftigen Leitzinspfads der Fed. Wir gehen davon aus, dass diese Volatilität auch in den kommenden Wochen hoch bleiben wird. 

Die LGT-Perspektive

Wir starteten mit einer eher "hawkishen" Haltung ins neue Jahr. Im Januar, als der Markt sechs bis sieben Zinssenkungen im Laufe des Jahres 2024 einpreiste, rechneten wir mit drei bis vier Senkungen. In den letzten Wochen schwankten die Markterwartungen zwischen einer und zwei Zinssenkungen, je nach den zuletzt veröffentlichten Daten. 

Die schwächeren Arbeitsmarktzahlen stellten eine willkommene Atempause von den zunehmenden Inflationssorgen dar. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Kerninflation (d.h. ohne Energie- und Lebensmittelpreise) von ihrem derzeitigen Niveau aus nach unten tendieren wird, allerdings in einem langsamen und ungleichmässigen Tempo, da das Lohnwachstum nachlässt und der Beitrag der so genannten "Shelter Inflation" (Inflation der Wohnkosten die sowohl die Miet- und Nebenkosten für Mieter als auch die geschätzten Mietkosten für vergleichbare Häuser für Eigenheimbesitzer umfasst) abnimmt. Dabei stellen steigende Rohstoffpreise und eine verfrühte Lockerung der finanziellen Rahmenbedingungen für unseren Ausblick ein Risiko dar.

Bis zum Zinsentscheid der Fed am 31. Juli werden noch drei weitere Inflations- und zwei Arbeitsmarktberichte vorliegen, die mehr Aufschluss über die Tiefe und den Umfang der Abschwächung am amerikanischen Arbeitsmarkt geben werden. Bis wir mehr Klarheit über diese Faktoren haben, halten wir an unserer Prognose von zwei bis drei Zinssenkungen bis Ende 2024 fest, wobei die Risiken in Richtung zwei Zinssenkungen tendieren.

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