The Strategist

Reale Zentralbankzinsen

Das Thema Inflation und die Reaktion der Zentralbanken darauf ist in den letzten zwei Jahren hinreichend beleuchtet worden. Der Fokus richtet sich jedoch sehr oft nur auf die aktuelle Zahl und die Erwartungen der Marktteilnehmer für die nächsten Monate. Positiv zu vermerken ist, dass die langfristigen US-Inflationserwartungen der Investoren nach wie vor sehr fest verankert sind – nämlich immer zwischen 2.0% und 2.6% in den letzten 24 Monate. 

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Autor
Thomas Wille
Lesezeit
5 Minuten

Stapel von Münzen
© shutterstock

Im aktuellen Zinserhöhungszyklus dürfte sich das Federal Reserve (Fed) in der Nachspielzeit befinden. Nach einer Anhebung um fast 500 Basispunkte ist das Ziel nahe, was aus unserer Sicht eine Pause auf hohem Niveau und keine Umkehr bedeutet. Die Pause ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die realen US-Leitzinsen – d.h., bereinigt um die Inflation – inzwischen wieder im positiven Bereich liegen. Die nominalen Leitzinsen liegen zwischen 4.75% und 5.0%, und die von der US-Notenbank favorisierte Kerninflationsrate – die die volatilen Preise für Lebensmittel und Energie ausschliesst – liegt nun bei 4.6%. So hat die US-Notenbank mehr Flexibilität und kann nun abwarten und beobachten, wie sich die hohen Zinsen auf die Wirtschaft auswirken. Dennoch hat sie nicht die Möglichkeit, die Zinsen in grossem Stil zu senken. In den USA ist damit inzwischen die gesamte Zinskurve real im positiven Bereich, wovon die Eurozone noch meilenweit entfernt ist.

EZB – keine Pause in Sicht

In der Eurozone sieht es nicht so aus, als würde die Europäische Zentralbank (EZB) in den nächsten Wochen eine Pause einlegen. Die Kerninflationsrate steigt weiter an, auch wenn sich das Wachstum verlangsamt hat. Wir haben in der Eurozone immer noch reale Leitzinsen von rund -2%, wenn wir die Kernrate nehmen. Wenn wir stattdessen die tatsächliche Inflation verwenden würden, wäre die Situation noch dramatischer. Erwähnenswert ist auch, dass die Anleger in der Eurozone seit 2011 – also seit der Amtszeit des ehemaligen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet – mit negativen EZB-Realzinsen konfrontiert sind. Während Mario Draghi EZB-Chef war (2011 bis 2019), gab es also nur negative Realzinsen, im Durchschnitt -1%. Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen in den kommenden Monaten noch einmal um mindestens 50 bis 100 Basispunkte anheben muss. Der Preisdruck auf die Konsumenten in der Eurozone ist einfach zu hoch.

Gold als realer Vermögenswert

Die beiden wichtigsten Zentralbanken – das Fed und die EZB – werden weiterhin eine restriktive Geldpolitik verfolgen müssen, auch wenn sich die US-Notenbank wie beschrieben in der Nachspielzeit ihres Zinserhöhungszyklus befindet. Trotz des starken Anstiegs des Goldpreises im vergangenen Monat bleibt das gelbe Metall in unseren Portfolios übergewichtet. Wir bevorzugen Gold zum einen aufgrund seiner Eigenschaft als Sachwert, zum anderen als Versicherung gegen eine mögliche Rezession und die damit verbundene erhöhte Volatilität an den Aktienmärkten.

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