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Market View & Insights
"Nifty" – dieser englische Begriff für raffiniert, geschickt oder berüchtigt steht für einen langfristigen Anlagetrend der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. An dessen Höhepunkt dominierte eine Gruppe von rund 50 Wachstumsaktien die US-Märkte.
Geschichtliche Hintergründe förderten, wie bei vielen Investmenttrends, die Entstehung des Booms um die sogenannten Nifty Fifty. Infolge des Vietnamkriegs sorgte die hohe Staatsverschuldung der USA Mitte/Ende der 1960er Jahre für grosse Sorgen bei den Anlegern. Viele fürchteten deshalb eine Inflation und fokussierten sich deshalb auf Investments, die eine Sicherung der Kaufkraft versprachen.
Staatsanleihen hingegen wurden von den Anlegern aufgrund der Schuldenthematik mit Skepsis betrachtet; obwohl die absoluten Renditen hier bei rund fünf Prozent lagen. Gold fiel als Alternative ganz aus, denn der private Besitz war in den USA bis Dezember 1974 verboten.
Gegenüber dem Aktienmarkt waren die Anleger zu dieser Zeit aber aufgeschlossen. Auf der Suche nach Vermögenssicherung und positiver realer Rendite meinten viele, hier lohnenswerte Investments zu finden. Um Sicherheit und Rendite möglichst gut zu vereinen, setzten im Lauf der Zeit immer mehr Anleger auf die Aktien großer Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung, die gleichzeitig hohe Wachstumsraten aufwiesen. Darunter waren Titel wie Coca-Cola, IBM, Johnson & Johnson, McDonald's und Walt Disney.
Die Liste der damals populären Nifty-Fifty-Aktien unterscheidet sich je nach Quelle. Es gibt aber eine Übereinstimmung von 24 Titeln (siehe Tabelle unten).
Nicht verwechselt werden sollte der Begriff der Nifty Fifty mit dem heutigen indischen Leitindex NIFTY 50.
Die Nifty Fifty waren in ihrer Branche etablierte Unternehmen. Sie verfügten über starke Bilanzen, hohe Gewinne und attraktive Wachstumsraten. Zudem hatten sie häufig ihre Dividenden bereits seit Ende des zweiten Weltkriegs erhöht. Vor diesem Hintergrund nannte man diese Titel auch "One Decision Stocks": Einmal kaufen und nie verkaufen.
Tatsächlich waren viele Analysten der Meinung, dass die Aussichten für diese Aktien so gut seien, dass die Kurse nur steigen könnten. Das Credo, das den Trend am Laufen hielt: Die Höhe der Kurse spielt praktisch keine Rolle, weil das hohe Wachstum früher oder später jede Bewertung rechtfertigt. Dieser Konsens war so bestimmend, dass selbst defensive Fondsmanager Schwierigkeiten bekamen, sich zu rechtfertigen, wenn sie nicht (mehr) in diesen Titeln investiert waren.
Die Nifty-Fifty-Aktien wurden immer beliebter. Aus dem einst fundamental gerechtfertigten Anlagetrend der 1960er Jahre entwickelte sich überschwängliche Euphorie: Am Hoch des Bullenmarktes im Dezember 1972 erreichte das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) des Nifty Fifty nach Daten von Jeremy Siegel einen Wert von 41,9. Der Vergleich der Bewertung mit dem KGV des marktbreiten S&P 500 in Höhe von 18,9 zeigt: Die Nifty Fifty hatten ungeahnte Höhen erklommen.
Dass der Fokus auf diese Aktien gefährlich sein könnte, legt auch folgende Quelle nahe: Autor Andrew Tobias berichtet in seinem Buch "The Only Investment Guide You’ll Ever Need" von einem Gespräch mit einem hochrangigen Bankmanager, das er damals führte: „[Er] sagte mir, dass es eine Richtlinie seiner Bank sei, nur in Unternehmen zu investieren, deren erwartetes Gewinnwachstum überdurchschnittlich stark ist. Und was ist mit all den übrigen Unternehmen? Nein, sagte er, die Aktien solcher Unternehmen werden nicht gekauft. Unabhängig von Preis? Ja, unabhängig vom Preis.“
In den Jahren 1973/74 setzte dann aber der Bärenmarkt ein. Große Teile der Kursgewinne wurden zunichtegemacht. Der Glaube daran, dass Growth-Aktien ihr überdurchschnittliches Ertragswachstum nahezu unbegrenzt fortsetzen könnten, schien erloschen. Die Ereignisse um die Nifty Fifty wurden später zur Bewertungsblase uminterpretiert – als Beispiel dafür, welches Ende Spekulationen auf Basis von übertriebenem Optimismus nehmen können.
Doch wie ging es mit den Unternehmen weiter? Jeff Fesenmaier und Gary Smith zeigen in ihrer Studie „The Nifty-Fifty Re-Revisited“, dass sich diese später sehr unterschiedlich entwickelten. Einige Aktien konnten selbst die höchsten Erwartungen des Boom-Jahres 1972 übertreffen. Andere enttäuschten, zwei Unternehmen gingen sogar pleite.
Positiv überraschen konnte der Einzelhändler Walmart. Die Aktie des Unternehmens erzielte in den 29 Jahren bis 2001 eine jährliche Rendite von knapp 27 Prozent. Enttäuscht wurden Anleger dagegen von IBM, dem über viele Jahre hinweg, nach Marktkapitalisierung, größten US-Unternehmen. Es schnitt in dieser Zeit deutlich schlechter ab als der Gesamtmarkt. Am tiefsten fiel jedoch die Aktie von Polaroid. Zu Boom-Zeiten mit dem mehr als 90-fachen KGV bewertetet, ging das Unternehmen im Jahr 2001 Pleite.
Jeremy Siegel kam in seinem 1998 veröffentlichten Paper "Valuing Growth Stocks: Revisiting the Nifty Fifty" zu einem überraschenden Schluss. Selbst auf dem Höhepunkt des Bullenmarktes anfangs der 1970er wären die Nifty Fifty – rückblickend betrachtet – beinahe ihren Preis Wert gewesen. Seinen Berechnungen zufolge erzielten die 50 Aktien von Dezember 1972 bis August 1998 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 12,2 Prozent (S&P 500: 12,7 Prozent). Demnach hätten sich die hohen Wachstumserwartungen im Wesentlichen erfüllt, während Aktien wie Philip Morris, Coca-Cola oder Merck damals sogar unterbewertet gewesen wären.
Verfolgt man ihre Entwicklung über Jahrzehnte hinweg, so können Wachstumsaktien durchaus ihren hohen Preis wert sein – allerdings nicht jeden Preis: Siegel zufolge erzielten die per 1972 am höchsten bewerteten 25 Aktien bis 1998 nur etwa die Hälfte der Rendite der 25 am niedrigsten bewerteten Titel. Ähnlich fällt das Urteil in der Studie von Fesenmeier und Smith aus. Die Autoren verwenden eine andere Zusammensetzung für den Nifty Fifty mit höherer mittlerer Aktienbewertung. Ihr Ergebnis: Ein um zehn Punkte höheres KGV geht mit einer um zwei Prozent niedrigeren Rendite einher.
Diese Untersuchungen zeigen, dass Anleger vor allem mit den "Value-Aktien" unter den Nifty Fifty gut gefahren wären. Am meisten profitieren konnte aber, wer erst nach dem Crash kaufte, in den mittleren bis späten 1970er Jahren: Zu diesem Zeitpunkt waren diese Aktien weitaus niedriger bewertet als noch 1972 und konnten den Gesamtmarkt in den folgenden Jahrzehnten klar übertreffen.
Blicken wir auf die Entwicklungen rund um die Nifty Fifty zurück, so sehen wir, dass ein grossartiges Unternehmen nicht zu jedem Zeitpunkt auch ein grossartiges Aktieninvestment sein muss. Entscheidend bleibt vielmehr die Bewertung. Zwar können sich, so die genannten Studien, moderat überbewertete Aktien durchaus weiter besser als der Markt entwickeln; doch bei den am höchsten bewerteten Aktien steigt die Wahrscheinlichkeit, sich überzogene Wachstumserwartungen einzukaufen, die später enttäuscht werden.
Die Befürchtungen einer hohen Inflation, die den Trend der Nifty Fifty mitverursachte, bestätigte sich übrigens erst nach dem Boom. Auch das ist rückblickend aufschlussreich: Erwartungen können eine treibende Kraft an den Märkten sein und Anlagetrends selbst dann stützen, wenn sie sich nicht zeitnah bewahrheiten.
Photo in Header © Robert Knapp, Alamy.
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