- Home
-
Private Banking
-
Market View & Insights
Immer mehr Auktionen in Hongkong machen "Afrikanische Kunst" einem internationalen Publikum zugänglich. Viele begrüssen diese Entwicklung, während andere darauf hinweisen, dass die Reduzierung eines ganzen Kontinents auf eine einzige Ästhetik ihre eigenen Probleme mit sich bringt.
Es war 2019 in Paris, als Alan Lo ein Porträt des Ghanaers Amoako Boafo erblickte. "Mich zogen diese ganz eigene Ästhetik, Sprache und Sensibilität sofort in den Bann", erinnert sich der 44-jährige Unternehmer aus Hongkong. Seit diesem Schlüsselmoment auf der FIAC-Kunstmesse hat er mehr als drei Dutzend Afrikanische Werke gekauft. Heute sagt er: "Die leuchtenden Farben, die Gesten. Diese Kunst hat etwas so Echtes."
Lo könnte das Aushängeschild für asiatische Sammlerinnen und Sammler sein: Sie sind jung, wohlhabend, in Übersee ausgebildet und weit gereist (Lo hat in Princeton Architektur studiert und besucht jedes Jahr mehr als ein halbes Dutzend internationaler Kunstmessen), sind mit dem Kunstkanon vieler Kulturen vertraut, und kaufen im Gegensatz zur Generation ihrer Eltern auch Werke aufstrebender Künstlerinnen und Künstler.
"Ich bin überrascht ab diesen vielen Dreissigjährigen, die so aufstrebend und kunstbewandert sind", sagt Jean Butler, Direktorin der SMAC-Galerie in Kapstadt. Auf der Art Basel Hongkong im März verkaufte sie acht Werke aus dem Kontinent, darunter zwei Arbeiten des südafrikanischen Künstlers Simphiwe Buthelezi. Erworben wurden sie vom 30-jährigen Michael Xufu Huang für sein Privatmuseum in Peking.
Zeitgenössische "Afrikanische Kunst" wird immer beliebter und nimmt auf dem Markt immer mehr Raum ein. Und obwohl sich der Kunstmarkt in den letzten zwölf Monaten abgekühlt hat, erzielen die Werke etablierter Künstlerinnen und Künstler bei Auktionen noch immer Millionenpreise.
Die meisten Menschen verbinden mit "Afrikanischer Kunst" Bilder von Masken und Stammesskulpturen - ein Erbe der Kolonialzeit, als Europa den Kontinent zerstückelte und Hunderttausende von Artefakten plünderte. Diese Werke, von denen die meisten nie in die Heimat zurückgeführt wurden (das Britische Museum besitzt rund 60’000 Stücke, darunter die umstrittenen Benin-Bronzen), hatten einen starken Einfluss auf Künstler wie Matisse, Picasso und Modigliani, und prägen noch heute die Wahrnehmung des Kontinents.
Jedenfalls die Wahrnehmung Afrikas im Rest der Welt. Vor Ort sieht die Realität anders aus. Fragen Sie nur die in Marokko geborene Touria el-Glaoui. 2013 gründete sie in Marrakesch die Galerie 1-54, die Kunst aus den 54 Ländern Afrikas und seiner Diaspora präsentiert, um die afrikanische Kunst von einem "westlich orientierten Ansatz" zu befreien, wie sie es ausdrückt. 1-54 veranstaltet inzwischen jährliche Messen in New York und London, und betreibt ein erstes Pop-up während der Art Basel Hongkong.
"Wir unternehmen grosse Anstrengungen, um unsere Sichtbarkeit auf der Weltbühne zu erhöhen. Für uns sind Hongkong und China der zweitwichtigste Kunstmarkt", sagt sie. "Afrikanische Künstlerinnen und Künstler müssen auch hier Teil des Gesprächs werden."
Zeitgenössische "Afrikanische Kunst" wird heute als Sammelbegriff verwendet; darunter versteht man Werke aus dem gesamten Kontinent und seiner Diaspora. Am bekanntesten ist die Kunst wohl für schwarze Konturen, die vor Hintergründen mit warmen, grellen Farben gemalt werden. Dieser Stil wurde auch von führenden Afroamerikanischen Künstlern aufgegriffen, namentlich von Kehinde Wiley, der das Porträt von Barack Obama gemalt hat, und Kerry James Marshall, dessen Werk 2018 für USD 21.1 Millionen verkauft wurde. Beide Künstler erforschen sowohl das kulturelle Erbe als auch die zeitgenössischen Stile des Kontinents.
Die Popularität der figurativen Malerei hat jedoch die Tendenz, die Afrikanische Kunst in Sammlungen auf eine einzige Ästhetik zu reduzieren. "Wenn sie repräsentativ für einen ganzen Kontinent wird, wird das zum Problem", sagt Rakeb Sile, Gründer von Addis Fine Art in Addis Abeba. "Blackness ist kein Monolith."
Hochkarätige Galerien handeln schon seit Jahrzehnten mit Afroamerikanischer Kunst, haben aber erst vor kurzem damit begonnen, sich mit Afrikanischen Künstlerinnen und Künstlern des Kontinents zu beschäftigen. "Wir sind alle ein bisschen spät dran", sagte der Galerist David Zwirner letzten November in seiner Galerie in Hongkong. Zu seinem Netzwerk gehören der kenianische Maler Michael Armitage und die in Nigeria geborene Njideka Akunyili Crosby. "Aber einige sehr starke Stimmen aus Afrika werden immer besser zu hören."
Kunsthändlerin Pearl Lam, spezialisiert auf zeitgenössische chinesische Kunst, stimmt dem zu. Sie empfiehlt Sammlerinnen und Sammlern, die neu in die Afrikanische Kunst einsteigen, mit Werken auf der Leinwand zu beginnen. "Im Gegensatz zu abstrakter Kunst bilden figurative Gemälde eine Brücke zwischen dem kulturellen Hintergrund des Künstlers und dem Betrachter", sagt die Händlerin, die in ihren Galerien in Hongkong und Shanghai Afrikanische Werke ausstellt. "Das bedeutet, dass die Kunst leichter zugänglich wird."
Da die grossen Handelshäuser immer mehr etablierte Namen aus der Afrikanischen Diaspora aufkaufen, fällt die Verantwortung für die Arbeit mit aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern den lokalen Galerien zu. Da es vielen Afrikanischen Märkten an einer angemessenen Kunstinfrastruktur oder an einem grossen Netzwerk lokaler Sammlungen mangelt, ist es für sie unerlässlich, ihre Künstlerinnen und Künstler einem internationalen Publikum vorzustellen.
"Wir können nicht zu Hause sitzen und darauf warten, dass die Leute zu uns kommen", so Daudi Karungi, Gründer der Afriart Gallery in Kampala, Uganda, auf der Taipeh Dangdai Kunstmesse 2024. "Wenn wir nichts tun, werden Westliche Galerien kommen und uns die Künstler wegnehmen, für deren Entwicklung wir so hart arbeiten", warnt er.
Marwan Zakhem, Gründer der Galerie 1957 in Accra, stimmt dem zu. "Kunst ist in Afrika nicht die wichtigste Anlageklasse", sagt er. "Schicke Autos und Zweitwohnungen sind beliebter." Er schätzt, dass weniger als 5% der Afrikanischen Kunst auf dem Kontinent bleiben.
Viele zeitgenössische "Afrikanische Werke" stützen sich auf das reiche und vielfältige kulturelle Erbe des Kontinents, das Jahrhunderte zurückreicht, bevor der erste Europäer seinen Fuss auf den Kontinent setzte. Sie arbeiten mit Materialien, die von Kaffeebohnen über Plastiktüten bis hin zu Transistoren reichen, und gestalten so das Narrativ, die Geschichte und die Identität Afrikas neu.
Die LGT engagiert sich stark für die Förderung von Kunst und Kultur im Sinne ihrer Eigentümerfamilie. So sponsert sie beispielsweise die Fürstlichen Sammlungen und unterstützt zahlreiche Sonderausstellungen in aller Welt