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Unternehmertum

Pittsburgh: Hochbetrieb in der Roboterschmiede

Dank renommierter Universitäten und vielen Fachkräften hat sich Pittsburgh zu einem globalen Innovationszentrum für Robotik und Automatisierung entwickelt. Das Einzige, was sich Start-ups und etablierte Akteure wünschen, ist mehr Risikokapital zur Finanzierung ihrer Ideen.
 

Datum
Autor
Steffan Heuer, Gastautor
Lesezeit
15 Minuten

Das Innere des National Robotics Engineering Centers
Das National Robotics Engineering Center, das zum Pittsburgher Carnegie Mellon's Robotics Institute gehört. © Carnegie Mellon University, National Robotics Engineering Center

Wenn der Name Pittsburgh Bilder von rauchenden Schornsteinen, Stahlwerken und “Raubrittern” wie J.P. Morgan und Andrew Carnegie heraufbeschwört, dann ist es Zeit für ein Update. Die Stadt beherbergt an der Carnegie Mellon University (CMU) das älteste und grösste Robotikinstitut der Welt und den landesweit renommiertesten Studiengang für künstliche Intelligenz. In Pittsburgh hat die weltweit beliebteste Sprachlern-App Duolingo ihren Hauptsitz, und hier haben sich Unternehmen von Bosch und Ford über Honeywell bis hin zu Google niedergelassen, um in Sachen Automatisierung neue Wege zu beschreiten, insbesondere bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Und als ob das noch nicht genug wäre, plant ein in Pittsburgh ansässiges Startup namens Astrobotic Technology, noch in diesem Jahr als erstes Unternehmen einen kommerzielle Mondlander ins All zu schiessen.

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Prototyp des von Astrobotic Technology entwickelten Polaris-Mondroboters. © Mark Peterson/Redux/laif

Die Stadt mit ihren rund 300'000 Einwohnern ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie urbaner Umbau funktionieren kann, wenn Hochschulen in einem bahnbrechenden Bereich kontinuierlich die Saat für neue Unternehmen ausstreuen. Dank des steten Nachschubs an frisch ausgebildeten Programmierern und anderen Experten, die von der Carnegie Mellon University und der nur einen Kilometer entfernten University of Pittsburgh abgehen, hat sich die Stadt zu einer Hochburg der Robotikforschung und ihren kommerziellen Anwendungen entwickelt. Dabei kommen ihr auch einige ihrer alten Stärken als Industriestandort zugute. Das macht Pittsburgh zu einem Beispiel dafür, wie Städte auch abseits des Silicon Valley eine Nische in Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts besetzen können. 

Skyline von Pittsburgh am Fluss
Pittsburgh - Blick auf eine aufstrebende Stadt, die sich neu erfindet. © istock/Pawel Gaul

Pittsburgh hat heute mehr als 100 Unternehmen im Bereich Robotik und Automatisierung, von kleinen Start-ups bis hin zu etablierten Firmen, die Software und Hardware der nächsten Generation für die autonomen Traktoren, Drohnen und Fahrzeuge von morgen entwickeln.

"Der Sektor beschäftigt rund 14'000 Menschen und wächst weiter. Er berührt alle Bereiche von der Landwirtschaft über das Baugewerbe bis hin zu Logistik und Fertigung", sagt Joel Reed, ein ehemaliger Tech-Unternehmer, der bis Mai das Pittsburgh Robotics Network leitete. Reed beschreibt das Ziel des Verbandes, der neuerdings auch Mitglieder aus der ganzen Welt aufnimmt, als "den Versuch, eine neue Wirtschaft rund um die Universitäten aufzubauen. Wir nehmen bahnbrechende Technologien und setzen sie in etwas Nützliches und wirtschaftlich Tragfähiges um". Um dem Vorhaben mehr Tempo zu verleihen, hat die Organisation jüngst eine spezielle Start-up-Schmiede namens “Robotics Factory” ins Leben gerufen.

Blick auf die Carnegie Mellon University
Eine so traditionsreiche wie innovative Ausbildungsstätte: die Carnegie Mellon Universität. © Carnegie Mellon University

Das unbestrittene Zentrum dieses Netzwerks ist die Carnegie Mellon University, die vor mehr als einem Jahrhundert dank des Vermögens der beiden gleichnamigen Industriellenfamilien entstand. Die private Universität zieht Talente aus der ganzen Welt an und hat zwischen 2019 und 2022 an die 13 000 Studentinnen und Studenten ausgebildet. Viele von ihnen arbeiten anschließend entweder für lokale Technologieunternehmen oder gründen ihre eigenen Firmen.

Eines der Kronjuwelen der CMU ist das Robotics Institute mit insgesamt fast 1000 Mitarbeitern, Lehrkräften und Studenten, das jährlich rund 120 Millionen US-Dollar an Fördermitteln aus der Wirtschaft anlockt. “Es begann in den späten 1970er Jahren als Zufluchtsort für eine Gruppe von Forschern, die an Robotern arbeiteten und kein anderes Zuhause hatten. Wir sind inzwischen zu einer reifen Disziplin geworden, die ins Zentrum der Informatik gerückt ist", sagt Matthew Johnson-Roberson, der Direktor des Instituts.

M. Johnson-Roberson smiling
Matthew Johnson-Roberson, der Direktor des Robotics Institute. © M. Johnson-Roberson

Laut Johnson-Roberson hat das Robotics Institute in den vergangenen 25 Jahren rund 80 Unternehmen ausgegründet, und die Geschwindigkeit der erfolgreichen Kommerzialisierung nehme zu. Das liegt an den Netzwerkeffekten einer relativ kleinen Stadt, in der Absolventen und Gründer buchstäblich nur wenige Gehminuten voneinander entfernt sind.

Das Start-up Gather AI ist ein gutes Beispiel. Seine cloudbasierte Plattform erlaubt den Betrieb autonomer Inspektionsdrohnen in großen Lagerhäusern und Vertriebszentren. Die drei Gründer von Gather haben alle an der CMU studiert, ihre Idee dort ausgebrütet und erste Unterstützung von der Universität erhalten. "Wir konnten auf andere Robotik- und Autonomieunternehmen zurückgreifen, die ähnliche Probleme in den Bereichen Hardware und Software lösen, und die beiden Schulen hier lehren genau die Fähigkeiten, die wir brauchen", sagt Mitgründer und CEO Sankalp Arora. 

Gather hat bisher 17 Millionen US-Dollar Kapital eingesammelt und sein System zur Bestandsverwaltung in 17 Lagerhäusern in den USA installiert. Die Software ermöglicht es Drohnen, durch Hochregale mit Tausenden von Paletten zu navigieren und das Inventar bis zu 15-mal schneller zu inspizieren, als es Menschen mit einem Gabelstapler tun könnten. "Wofür manche Unternehmen 90 Tage brauchten, schaffen wir jetzt in zweieinhalb Tagen. Das macht manchmal den Unterschied, um den Verfall von Artikeln und erhebliche finanzielle Einbussen zu vermeiden", sagt Arora. Als Nächstes hat das Unternehmen Inspektionen im Freien wie etwa in Hafenanlagen ins Auge gefasst.

Xunjie Zhang ist ein weiterer an der CMU ausgebildeter Robotikexperte, der ebenfalls seine akademischen Verbindungen genutzt hat, um ein Start-up zu gründen. Seine Firma Shift Robotics hat so genannte “Moonwalkers” von der Idee bis zur Marktreife entwickelt. Die elektrischen Rollerblades passen unter jeden Schuh und lassen Fussgänger mit dem Zwei- bis Dreifachen ihrer normalen Gehgeschwindigkeit über Bürgersteige gleiten. 
 

Xunjie Zhang in Pittsburgh
Die Idee zu den "Moonwakers" kam Xunjie Zhang, CEO und Gründer von Shift Robotics, als er auf dem Weg zur Arbeit fast von seinem Elektroroller gestossen wurde. © The Guardian/eyevine/laif

"Es ist so einfach wie Joggen, sicherer als ein e-Roller und löst viele Probleme auf der letzten Meile", sagt Zhang, dessen Unternehmen über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter für die ersten 350 Paare fast 330'000 US-Dollar eingesammelt hat. Sobald die Produktion angelaufen ist, will er monatlich 500 Paare seiner „Moonwalkers“ ausliefern. Zudem sei man bereits in Gesprächen mit Unternehmen, die die Gleitschuhe en masse kaufen wollten, damit ihre Belegschaft in grossen Gebäuden wie Lagerhallen oder auf einem ausladenden Campus schneller unterwegs mobil sein können.

Auch für Zhang war Pittsburgh die logische Wahl, dort ein Unternehmen zu gründen, wo er zuvor promoviert hatte. "Wir waren drei Monate im Silicon Valley, um mit Investoren zu sprechen und um zu networken. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt. Aber wenn man sich die Lebenshaltungskosten und die Löhne für Fachkräfte ansieht, ist diese Stadt perfekt für die Phase, in dem sich unser Unternehmen gerade befindet." Der Standort Pennsylvania habe ihn obendrein nicht daran gehindert, Kapital von Investoren an der Westküste zu erhalten.

Wenn es an einem mangelt, dann ist es der Zugang zu vermögenden Investoren, sind sich die meisten örtlichen Unternehmer und Technikexperten einig. Zwischen 2017 und 2021 konnten Unternehmen, die in Pittsburgh an Robotik und autonomen Systemen arbeiten, ca. 4,3 Milliarden US-Dollar an Unternehmens- und Venture-Capital-Investitionen einsammeln. (Zum Vergleich: An Tech-Firmen im Silicon Valley und in San Francisco flossen allein im Jahr 2022 rund 48 Milliarden Dollar).

“Uns fehlen immer noch grössere Exits, die genügend Kapital an genügend unterschiedliche Leute ausschütten, damit diese anfangen, ihre eigenen Wetten abzuschliessen", sagt CMU-Professor Johnson-Roberson. "Anders als in der Bay Area, wo Milliarden an die Mitarbeiter zurückfliessen, die sie in die nächste Generation von Unternehmen investieren können.”  Eine gut gefüllte Finanzierungspipeline ist ein Teil der Maschine, die noch fein eingestellt werden muss, bevor sie so reibungslos läuft wie in anderen Tech-Hubs.

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