"Bond Proxies" - nach wie vor ein attraktives Anlageinstrument?
Aktien mit anleihenartigen Eigenschaften, die sogenannten Bond Proxies, sind nach wie vor eine interessante Anlage - auch in einem Umfeld mit längerfristig höheren Zinsen. Bei einem Zinsrückgang könnten sie sogar noch beliebter werden.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Zinsen und Aktien? Ja - und zwar einen engen und wichtigen. Je niedriger die Zinsen, desto günstiger ist es für Unternehmen, Mittel aufzunehmen. Zudem fördern niedrige Zinsen das Konsumverhalten und haben das Potenzial, den Wert von Vermögenswerten zu erhöhen. Hohe Zinsen treiben den Diskontsatz in die Höhe, was den Barwert der zukünftigen Mittelflüsse von Unternehmen belastet. Ob steigend oder fallend, die Zinsentwicklung schlägt sich in der Profitabilität der Unternehmen nieder und beeinflusst somit auch die Aktienkurse.
Die Zinserhöhungen des letzten Jahres - die stärksten seit einem halben Jahrhundert - haben die Kreditkosten der Unternehmen in die Höhe getrieben und die Aktienbewertungen nach unten gedrückt. Vor allem zyklische Titel und rasch wachsende Unternehmen in kapitalintensiven Branchen hatten massiv zu leiden. Defensive Aktien in stabileren Branchen kamen allerdings auch nicht ungeschoren davon, da die Attraktivität von Anleihenrenditen gegenüber Dividenden zulegte.
In diesem Jahr waren Zinssenkungen bisher das alles beherrschende Thema; entsprechende Massnahmen der Notenbanken lassen aber immer noch auf sich warten. Die Geldpolitik scheint weltweit unterschiedliche Wege einzuschlagen: Berichten zufolge liegt die Inflation in Europa näher an der Zielgrösse als in den USA. Allerdings scheinen weder die Europäische Zentralbank (EZB) noch die US Federal Reserve (Fed), den ersten Schritt tun zu wollen.
An ihrer Sitzung im April nahm die EZB keine Leitzinsänderungen vor, sondern beliess ihren Einlagensatz bei vier Prozent. Mit Verweis auf den starken Arbeitsmarkt in den USA gab der Präsident der Fed, Jerome Powell, zu verstehen, dass die US-Notenbank allenfalls länger an höheren Zinsen festhalten müsse, um ihr Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen.
Was bedeutet dies nun für Bond Proxies bzw. für Aktien deren regelmässigen Dividendenausschüttungen einen stetigen Ertragsstrom bieten (analog zu Anleihencoupons)? "Wenn die Zinsen letztendlich sinken werden, können diese Instrumente eine gute Investition sein", meint Chris Burger, Senior Equity Analyst bei der LGT Private Banking. Aber auch in der Zwischenzeit haben Bond Proxies durchaus etwas für sich, sagt er weiter. Dies sind die Gründe:
Volatile Märkte können Bond Proxies weniger anhaben als anderen Instrumenten
Jede Aktienanlage ist natürlich mit typischen Risiken behaftet, bei Bond Proxies handelt es sich aber grundsätzlich um defensive Titel mit einem geringen Beta d. h. einer vergleichsweise geringen Volatilität (bzw. einem vergleichsweise geringen Risiko) gegenüber dem Gesamtmarkt. Somit korreliert die Kursentwicklung bei diesen anleihenähnlichen Titeln weniger stark mit dem Gesamtmarkt, sodass volatile Märkte ihnen - genau wie Anleihen - weniger anhaben können.
Solche Aktien finden sich hauptsächlich in Sektoren wie Basiskonsumgütern, Versorgern, Pharmatiteln, Telekommunikation und - bis zu einem gewissen Grad - auch im Immobiliensektor. Bei diesen Sektoren handelt es sich um defensive Sektoren, zu denen Unternehmen gehören, die die Grundbedürfnisse der Verbraucher abdecken und in der Lage sind, auch in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs relativ stabile Gewinne zu erwirtschaften. Darüber hinaus handelt es sich bei Bond-Proxies in der Regel um Aktien etablierter Unternehmen mit stabilen Cashflows, was ihre Anfälligkeit für Konjunkturzyklen und Marktvolatilität weiter verringert.
Die regelmässigen Dividendenausschüttungen von Bond-Proxies sind ein weiterer Hinweis auf ihre Ähnlichkeit mit Anleihen. Wenn die Zinsen allerdings steigen, werden diese Dividenden wesentlich weniger attraktiv als (ebenfalls steigende) Anleihenrenditen, wie das Jahr 2023 einmal mehr gezeigt hat. Tatsächlich dürfte sich die Zinsentwicklung ganz besonders auf das Verhalten von Bond Proxies auswirken. Eine LGT Analyse der relativen Performance der Nahrungsmittelindustrie seit dem Jahr 2000 belegt die besonders enge Korrelation dieses besonders defensiven Sektors mit dem Zinsniveau: In Zeiten fallender Zinsen entwickelten sich die Nahrungsmittelaktien überdurchschnittlich gut im Vergleich zum Gesamtmarkt, in Zeiten steigender Zinsen dagegen unterdurchschnittlich.
Einstiegschancen für risikoaverse Anlegerinnen und Anleger
Bond Proxies sind nicht zwingend für alle Anlegerinnen und Anleger geeignet. "Als wachstumsorientierter Anleger interessiert man sich nicht wirklich für sie ", sagt Chris Burger. Wer aber rendite- und sicherheitsorientiert ist, eine dem Markt entsprechende Performance erzielen möchte und nach hohen Dividenden sucht, findet hier ein ansprechendes Anlageinstrument.
Selbst im aktuellen Umfeld mit längerfristig höheren Zinsen, in dem "der Bewertungsrückgang weitgehend abgeschlossen scheint ", bieten Bond Proxies laut Chris Burger "potenziell attraktive Einstiegschancen". Allerdings unterliegen Bond Proxies, die ja Aktien sind, dem gleichen Verlustrisiko wie jede andere Aktienanlage auch.
Bond Proxies sind beliebt, wenn eine Rezession und eine Lockerung der Geldpolitik erwartet wird.
Solange keine weiteren Zinserhöhungen anstehen, dürfte der aktuelle Druck auf Bond Proxies nachlassen. Ihr positives Ertragspotenzial unterstreicht ihre Attraktivität. Und in einem Umfeld mit rückläufigen Zinsen bietet die Erwartung stabiler Erträge Potenzial für Neubewertungen.
Zudem steigen mit dem Nachlassen der Inflationsgefahr auch die Aktienkurse, die künftige Cashflows diskontieren - ein Effekt, der sich bei Bond Proxies auch zeigen dürfte. Chris Burger unterstreicht zudem, dass "rückläufige Zinsen für Bond Proxies sogar Rückenwind bedeuten könnten, selbst wenn sich die Konjunkturaussichten noch weiter verschlechtern. "
Geldpolitische Lockerungen als Auftrieb für Bond Proxies
Bond Proxies sind immer dann populär, wenn die Marktteilnehmenden mit einer Rezession und einer Lockerung der Geldpolitik rechnen. Trotz der aktuell zögerlichen Haltung der Notenbanken gehen die meisten Marktbeobachtungen für den weiteren Verlauf des Jahres von Zinssenkungen aus. So rechnen die Ökonominnen und Ökonomen der LGT für 2024 mit Zinssenkungen im Gesamtumfang von 50 bis 75 Basispunkten bei der Fed und 75 bis 100 Basispunkten bei der EZB.
Gleichzeitig können Bond Proxies eher defensiv eingestellten Anlegerinnen und Anlegern nach wie vor wesentliche Vorteile bieten. Anleiheninvestorinnen und -investoren mögen sie meiden und von den Aktienfondsmanagerinnen und -managern, die sich in erster Linie auf das Ertragswachstum konzentrieren, werden sie oft übersehen. Aber wie jede Aktienanlage tragen sie das Finanzmarktrisiko mit. In einem inflationären Umfeld bieten sie als "Realanlagen" jedoch einen besseren Schutz als Anleihen, wie Chris Burger betont. Und da es sich um eine relativ heterogene Gruppe handelt, ist auch eine breite Diversifikation gegeben.
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