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Lifestyle

Schlaf und Performance: Der Rummel um die Ruhe

Früher war Schlafmangel ein Statussymbol. Heute ein Makel. Doch setzt der Fokus auf den Schlaf erschöpfte Überperformer nicht noch mehr unter Druck? Eine Analyse.

Datum
Autor
Peter Firth, Gastautor
Lesezeit
10 Minuten

Frau sitzt nachts auf Bett und schaut aus Fenster
Alles für ein langes Leben: Mehr und mehr Menschen treffen bewusste Entscheidungen für ihre Langlebigkeit. Der neue Fokus auf den Schlaf ist Teil dieses Trends. © Shutterstock/md.alaminrahman

Rund ein Drittel Ihres Lebens schlafen wir - oder versuchen es zumindest.

In den letzten zehn Jahren hat sich unsere Einstellung zu Schlaf dramatisch geändert. Früher brüsteten sich Führungskräfte damit, wie wenig sie schlafen; prahlten mit ihren Augenringen. Jetlags gab es nicht; nach dem Nachtflug ging es direkt ins nächste Meeting. Bis vor Kurzem war Schlafdefizit ein Statussymbol, der Beweis für ein intensives Leben. Ganz nach dem Motto: Schlafen kannst du, wenn du tot bist.

Unterschätzter Schlaf

Dabei wissen wir heute um die Korrelation zwischen schlechtem Schlaf und frühem Tod. Schlafmangel kann den Boden säen für Herz- und Nierenerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfälle, Depression. Ausserdem verunfallen unausgeschlafene Menschen häufiger, verletzen sich öfter, treffen schlechte Entscheidungen oder begehen Fehltritte. Eine Reihe kurzer Nächte erkennen wir immer mehr als Risiko, das es zu vermeiden gilt. Ein solider achtstündiger Schlaf hingegen hebt die Stimmung, verleiht mehr Energie, stärkt die Immunabwehr und steigert nachweislich die Kreativität.

Müder Mann reibt seine Augen während der Arbeit
Weniger als acht Stunden Schlaf senkt die Stimmung, entzieht Energie, schwächt Immunsystem und Kreativität. Das zu wissen, wird beim Einschlafen nicht helfen. © Shutterstock/PeopleImages.com - Yuri A

Unser Schlaf steht immer mehr im Fokus. Wie so oft gibt unser Kaufverhalten Aufschluss darüber, was uns wirklich beschäftigt. Die Schlafwirtschaft ist keine Ausnahme: Das Segment deckt eine breite Warenpalette ab, von Matratzen über Kopfkissen bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln und tragbaren Geräten. 2024 dürfte zu einem Rekordjahr für dieses Geschäft werden: Laut der Online-Statistikplattform Statista beläuft sich der Wert dieses Marktsegments im laufenden Jahr auf schätzungsweise USD 585 Milliarden.

Schlaf als Zauberformel

Die Forschung deutet darauf hin, dass Schlaf der direkte Weg zu einem besseren Ich ist. Die Psychologin und Schlafexpertin Theresa Schnorbach berät den Matratzenanbieter Emma und sagt: “Der Schlaf ist sozusagen eine Zauberformel, er beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit auf ganz grundsätzliche Weise - und zwar völlig natürlich und ohne negative Nebenwirkungen“, so Schnorbach. “Doch es gibt noch mehr Vorteile. Kreativität und Problemlösung, Lernfähigkeit und Erinnerung, Muskelaufbau, Reaktionszeit, Ausdauer, Selbstdisziplin, Gewichtssteuerung, Fokus, Aufmerksamkeitsspanne, rationales Denken und Gefühlsregulierung – das alles wird im Schlaf gestärkt. “

Leider hat ein grosser Teil der Weltbevölkerung keinen ausreichenden Zugang zu diesem Lebenselixier. Die Coronapandemie hat zu einer weltweiten Zunahme der Schlafprobleme geführt. Laut Schätzungen der Stiftung The Sleep Foundation leiden 35 Prozent aller Erwachsenen unter Schlafproblemen. Bedenklich ist auch, dass mehr und mehr Menschen zu Tabletten greifen, um ihre Schlafstörungen in den Griff zu kriegen. Besonders ausgeprägt scheint dieser Trend in den USA zu sein. Dort hat sich der Anteil der Bevölkerung, der Schlaftabletten konsumiert, laut offiziellen Statistiken zwischen 2010 und 2023 verdoppelt.

Pillen auf Nachttisch neben Wasserglas neben schlafender Person im Bett
In den USA hat sich der Anteil der Bevölkerung, der Schlaftabletten konsumiert, zwischen 2010 und 2023 verdoppelt. © Shutterstock/Stock-Asso

Schnorbach empfiehlt einen anderen Ansatz. Sie hält die kognitive Verhaltenstherapie für einen nachhaltigeren Weg zur Bekämpfung der Schlaflosigkeit. "Stress, unregelmässige Schlafzeiten und seelische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen sind häufige Ursachen für Schlaflosigkeit. Die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) gilt hierbei als nachhaltigste Lösung", so die Psychologin. "Es handelt sich um einen kurzfristigen, evidenzbasierten Ansatz zur Bearbeitung der Verbindung zwischen unseren Gedanken, unserem Verhalten und unserem Schlaf. Anders als Schlafmittel, welche die Schlafqualität verschlechtern und negative Nebenwirkungen verursachen können, verbessert KVT-I die Schlafqualität in 70 bis 80 Prozent der Fälle - und dies nicht nur kurz-, sondern langfristig.“

Führen ist Leistungssport

Welcher Druck auf Unternehmerinnen und Unternehmern und Executives lastet, ist gut dokumentiert. Es gibt reichlich Gründe, die ihnen nachts den Schlaf rauben. Anregungen aus dem Spitzensport können hier helfen. Dr. Lutz Graumann ist Gründer von Quaduma, einer Beratungsgesellschaft für Gesundheits- und Leistungsfragen. Das Unternehmen hat Erfahrungen mit Profisportlerinnen und -sportlern sowie Militärs gesammelt und nutzt die Erkenntnisse bei der Beratung von Firmenkunden, die sich mehr Leistung von ihren Teams erhoffen. Guter Schlaf ist dabei entscheidend.

Porträtbild von Lutz Graumann
Unternehmer und Schlafexperte Dr. Lutz Graumann: "Können unsere Kundinnen und Kunden nicht in einem Zug durchschlafen, fürchten sie um ihre Leistungsfähigkeit am nächsten Tag. Wir möchten ihnen diesen Druck nehmen." © Sebastian Schöffel

"Für Menschen, die Höchstleistung erbringen, ist Schlaf unverzichtbar", sagt Dr. Graumann. "Je nach Arbeitsbelastung müssen wir uns eine passende Erholungsstrategie zurechtlegen. Die meisten unserer Kundinnen und Kunden nehmen es einfach hin, dass sie sich beim morgendlichen Aufstehen nur selten erholt fühlen."

Dr. Graumann stellt ihnen zu Beginn der Beratung jeweils dieselbe Frage: Er vergleicht das eigene Energieniveau mit einer iPhone-Batterie und fragt die Teilnehmenden, wie gefüllt ihre Batterie zu Beginn eines durchschnittlichen Tages ist. In den letzten zwei Jahren lautete die häufigste Antwort: 60 Prozent.

Was den Schlaf der meisten vermindert: der abendliche Genuss von Kaffee oder Alkohol, oder belastende Online-Nachrichten kurz vor dem Zubettgehen. Das mag banal klingen. Gewohnheiten zu ändern, ist aber schwer.

"Unsere Kundinnen und Kunden wollen Topleistungen erbringen. Wenn sie mitten in der Nacht aufwachen, empfinden sie daher einen erheblichen Druck, wieder einschlafen zu müssen", sagt Dr. Graumann. "Können sie nicht in einem Zug durchschlafen, fürchten sie um ihre Leistungsfähigkeit am nächsten Tag. Das ist ein Teufelskreis. Wir möchten ihnen diesen Druck nehmen. Unsere Empfehlung lautet zum Beispiel, genug Schlaf einzuplanen. Wenn man dann einmal einen Schlafzyklus auslässt, führt dies nicht gleich zu einem Defizit."

Besser leben: Die Liechtenstein Academy

Dr. Lutz Graumann ist Dozent an der Liechtenstein Academy. Dort lernen LGT Mitarbeitende, wie sie ihre Resilienz steigern, und ihre psychische und körperliche Gesundheit fördern. Die Academy unterstützt so das persönliche und ganzheitliche Wachstum, steigert die individuelle Leistung und stärkt die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Liechtenstein Academy Programme stehen allen Mitarbeitenden auf der ganzen Welt offen.

Schlaf als Statussymbol

Unlängst messen und analysieren wir möglichst viele unserer persönlichen Daten - von unseren Workouts bis hin zu unseren Kalorien. Ähnlich empirisch gehen viele mit ihrem Schlaf um. Einmal mehr überschlagen sich die Technologieunternehmen mit Ideen zur Bewältigung unserer Neurosen: Sie alle scheinen das Schlafdilemma der Gesellschaft lösen zu wollen. So haben findige Unternehmerinnen und Unternehmer beispielsweise Bodytracker erfunden, die wie kleine Ringe aussehen können oder in andere Geräte eingebaut sind. Werden sie in der Nacht am Körper getragen, liefern sie Echtzeitdaten über die Schlafeffizienz. Und Begleitapps geben personalisierte Tipps zur Verbesserung der Nachtruhe. Ganz so, als trüge man ein ganzes Schlaflabor am Finger.

Mann reibt sich beim Aufstehen müde die Augen
Früher war Schlafmangel ein Statussymbol. Die Zeiten sind vorbei. © istock/DMP

Aber helfen uns Produkte wie smarte Matratzen und Geräte zur Analyse unserer REM-Schlafphasen wirklich, mehr und besser zu schlafen? Jessica Smith, die Gründerin der auf Wellness spezialisierten Beratungsfirma J. Renée, fragt sich, ob unsere Schlafbesessenheit gesund ist.

"Unsere Gesellschaft beschäftigt sich immer stärker mit dem Thema Langlebigkeit. Mehr und mehr Menschen treffen bewusste Entscheidungen, um länger zu leben. Der neue Fokus auf den Schlaf ist Teil dieses Trends", sagt sie. "Dieser Fokus entwickelt sich jedoch hin zu einer Glorifizierung des Schlafs als Instrument zur Kontrolle; als Mittel zum Zweck, um bei der Arbeit noch mehr Leistung zu erbringen, und im Leben noch erfolgreicher zu werden."  Der Schlaf ist selbst zum Leistungssport geworden.

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