- Home
-
Private Banking
-
Market View & Insights
Höhere Leitzinsen, ein Ausdruck der restriktiven Geldpolitik, dürften die Wirtschaft und die Finanzmärkte jahrelang prägen. Sie werden das Wachstum bremsen und die Beschäftigung beeinträchtigen. Zuversichtlich stimmt jedoch, dass Unternehmen weiterhin zu Krediten kommen, obwohl die Refinanzierung teurer geworden ist.
Obwohl die Inflation noch längst nicht im Griff ist, dürfte ein Grossteil der Leitzinserhöhungen hinter uns liegen. Nachdem die grossen Notenbanken restriktiver geworden sind, müssen sich Anlegerinnen und Anleger an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Man kann von einer tektonischen Plattenverschiebung an den Märkten sprechen: Anleihen und Barmittel sind plötzlich attraktiv, während hohe Verschuldung und kurzfristiger Refinanzierungsbedarf, was vor wenigen Quartalen noch niemanden kümmerte, ein ernsthaftes Problem werden.
Märkte schwanken zwischen Hoffen und Bangen
Vorläufig schwanken die Märkte angesichts der neuen Chancen und Gefahren in diesem veränderten Wirtschaftsumfeld zwischen Hoffen und Bangen. Dabei geht zuweilen vergessen, dass die restriktive Geldpolitik sich langfristig auf das Wachstum und die Inflation auswirken und so die Weltwirtschaft und die weltweiten Finanzmärkte jahrelang prägen dürfte.
Notenbanken müssen zuweilen die Zügel anziehen, um die Preisstabilität zu sichern. Konkret erhöhen sie die Refinanzierungssätze für die Geschäftsbanken, was wiederum das wirtschaftliche Verhalten der Finanzinstitute, der öffentlichen Hand, der Unternehmen sowie der Konsumentinnen und Konsumenten beeinflusst.
In den vergangenen 15 Monaten haben wir einen der aggressivsten geldpolitischen Straffungszyklen der letzten 40 Jahre erlebt – kaum eine Notenbank verzichtete auf Leitzinserhöhungen (oder liess zumindest Renditeanstiege zu). Während sich die Bedingungen für Kreditvergaben gegenüber den extrem niedrigen Niveaus seit Ende 2021 in den USA und seit Anfang 2022 in der Eurozone drastisch verschärft haben, hält sich der negative Effekt in Grenzen. Die Unternehmen haben derzeit nicht zwingend mehr Mühe, zu Krediten zu kommen, obwohl Refinanzierungen deutlich teurer geworden sind und diese Entwicklung anhalten dürfte.
Auf Veränderung der Geldpolitik reagiert das Wirtschaftswachstum immer mit beträchtlicher Verzögerung – dies hat sich in den letzten Quartalen exemplarisch gezeigt. Die jüngsten Wachstumsraten waren zwar gering, aber positiv, und die rekordverdächtige Straffung der Geldpolitik hat die Wirtschaftstätigkeit bis jetzt noch nicht übermässig beeinträchtigt. Der kaum zu vermeidende wachstumsdämpfende Effekt dürfte aber verzögert eintreten.
Die Zinssätze und Finanzierungskosten – gewichtet nach dem Bruttoinlandprodukt (BIP) der wichtigsten Volkswirtschaften – sind heftig gestiegen. Ähnlich scharf war der Anstieg der Finanzierungskosten nur während der Ölkrisen der 1970er-Jahre. Insgesamt ist der Kreditvergabeprozess jedoch von Verwerfungen verschont geblieben. Dies gibt uns Hoffnung, dass das globale Finanzsystem dem "Leitzins-Tsunami" widerstehen kann, obwohl einige kleinere Banken, die das Durationsmanagement ihrer Bilanzen nicht im Griff hatten, untergegangen sind. Doch man darf sich keiner Illusion hingeben: Die explodierenden Finanzierungskosten werden sich auf die Konsum- und Investitionspläne von Unternehmen und Privatpersonen und somit auch auf das Wirtschaftswachstum auswirken.
Die Hürden für Kreditnehmer sind zwar höher, aber nicht unüberwindbar geworden. Eine Analyse der tatsächlichen Kosten von Bankfinanzierungen zeigt jedoch, dass die Kapitalkosten explodiert sind, die Profitabilitätsschwelle für die Unternehmen und Projekte entsprechend höher liegt und fremdfinanzierte Konsumausgaben ins Wanken geraten.
Unser Fazit lautet, dass die jüngsten dramatischen Leitzinserhöhungen sich im Zeitverlauf wohl eher als allmähliche Belastungen der Wirtschaftstätigkeit denn als heftige Blitzrezession entpuppen dürften. Für den Rest des laufenden Jahres gehen wir von US-Wachstumsraten im Nullbereich aus.