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Finanzwissen

Wie Jack Bogle die Wall Street aufmischte

Jack Bogle war überzeugt, dass kostengünstige Indexfonds sich für Anlegerinnen und Anleger eher auszahlen als aktives Management. Schon zu Lebzeiten bestätigte sich seine These - und bis heute gilt er als Anlageguru.

Datum
Autor
Wendy Cooper, Gastautorin
Lesezeit
6 Minuten

Ein hochbetagter Geschäftsmann sitzt an einem Schreibtisch, umgeben von Büchern, Papieren, Bildern und einem Bildschirm.
Das Vermächtnis des 2019 verstorbenen Jack Bogle spiegelt sich in den Abermillionen von Kleinanlegerinnen und Kleinanlegern wider, die von seinen Ratschlägen finanziell profitiert haben. © Sally Montana/Redux/laif

Warren Buffet ist der Meinung, dass man Jack Bogle ein Denkmal errichten sollte.

"Jack hat mehr für die amerikanischen Anlegerinnen und Anleger getan als jeder andere Mensch, den ich kenne," sagte das Orakel von Omaha zu den Aktionären, als er einen sichtlich bewegten Jack Bogle auf der Jahreshauptversammlung von Berkshire Hathaway im Jahr 2017 vorstellte. "An der Wall Street geht es oft darum, viel Geld für nichts zu verlangen", erklärte Buffett. "Er verlangte nichts und leistete Grosses...Er ist ein echter Held."

Ein grosses Lob. Soviel Anerkennung wurde Bogle allerdings lange nicht zuteil.

"Bogle's Verrücktheit" - an der Wall Street oft verspottet

Ein älterer Herr im Anzug stützt seinen Kopf nachdenklich mit der Hand ab.
Für Warren Buffett ist Bogle "ein echter Held". © Jim Ruymen/UPI/laif

Bogle stand öfter im Kreuzfeuer der Kritik, da er einen Anlageansatz propagierte, der die traditionelle Gebührenstruktur der Anlageverwaltung bedrohte. Als er vor bald einem halben Jahrhundert einen kostengünstigen Indexfonds für Privatanlegerinnen und -anleger lancierte, erhielt dieser an der Wall Street schon bald den Spitznamen "Bogle’s Folly" ("Bogles Irrsinn"). 

Aber, wie Bogle einst selbst bemerkte, ist "der Mut, trotz allem weiterzumachen, die wichtigste Eigenschaft eines erfolgreichen Investors". Und er machte weiter. Bei seinem Tod im Jahr 2019 hatte Bogle die Anlageverwaltung revolutioniert und zugleich Millionen einfacher Anlegerinnen und Anleger zu finanziellem Wohlstand verholfen.

Heute bildet rund ein Drittel der in US-amerikanischen offenen Anlagefonds und Exchange-Traded Funds (ETFs) angelegten Mittel einen Index ab. Einige der grossen und bekannten Vermögensverwalter der Welt verdanken ihr Renommee hauptsächlich ihren kostengünstigen Indexfonds.

Geprägt von der Grossen Depression der 1930er-Jahre

John Clifton "Jack" Bogle kam 1929 - sozusagen am Vorabend der Weltwirtschaftskrise - in Montclair, New Jersey, zur Welt. Seine mathematische Begabung und eine Reihe von Stipendien ermöglichten es ihm, trotz einer schwierigen Kindheit einen Studienplatz an der Princeton University zu erlangen und sich dort dem Studium der Wirtschaftswissenschaften sowie von Investments und Anlagefonds zu widmen.

Im Jahr 1951, kurz nachdem er sein Studium mit Auszeichnung (Magna-cum-laude) abgeschlossen hatte, wurde ihm von Walter L. Morgan, dem Gründer des Wellington Fund (des ersten ausgewogener/balanced Fonds der USA) eine Stelle angeboten, weil Morgan, so wird berichtet, von Bogles Erkenntnissen, die er in seiner 130-seitigen Abschlussarbeit über die wirtschaftliche Rolle von Anlagegesellschaften dargelegt hatte, sehr beeindruckt war.

Bei Wellington machte der junge Mann rasch Karriere. Schon 1955 wurde er zum stellvertretenden Geschäftsführer und genoss ein so hohes Ansehen, dass er das Unternehmen davon überzeugen konnte, die traditionelle Ausrichtung auf Einzelfonds zugunsten eines stärker diversifizierten Ansatzes aufzugeben.

1970 löste Bogle Morgan als Vorstandsvorsitzenden ab - nur um kurz darauf entlassen zu werden, weil er einer "äusserst unklugen" Fusion zugestimmt hatte, was er später auf "Unreife und die Tatsache zurückführte, dass sein Selbstbewusstsein weit darüber hinaus ging, was die Fakten rechtfertigten".

Ein Mann, der aus seinen Fehlern lernte

Auf einem gelben A4-Blatt sind die Optionen einer Organisationsstruktur handschriftlich skizziert.
Im Jahr 1974 nahm Vanguard seine Tätigkeit als Investmentfonds auf und folgte dabei einer Unternehmensstruktur, die Jack Bogle zuvor in handschriftlichen Notizen skizziert hatte. © The Vanguard Group, Inc., used with permission

Sein ganzes Leben lang stufte Bogle diese Fusion als "unentschuldbar" und als grössten Fehler seiner Karriere ein, aber eines steht fest: Er hatte aus diesem Fehler gelernt.

Da es ihm verboten wurde, Mittel im Namen von Kundinnen und Kunden direkt zu verwalten, kreierte er einen Indexfonds, den er nicht persönlich betreute, sondern der einen von S&P zusammengestellten Index replizierte. Dies sollte sich als Wendepunkt für Bogle und die gesamte Fondsbranche erweisen. 

Die Idee, passiv in einen Fonds anzulegen, der den gesamten Aktienmarkt abbildet, war kein Novum. Wissenschaftler an der Universität von Chicago hatten schon lange argumentiert, dass es praktisch unmöglich sei, systematisch Gewinneraktien auszuwählen, die eine überdurchschnittliche Performance erzielen, und dass Transaktions- und Verwaltungskosten die langfristigen Renditen erheblich schmälern würden. Dass diese Überlegungen jedoch populär wurden, gilt hauptsächlich als Bogles Verdienst. Im Jahr 1974 gründete er die Vanguard Group, einen Anlagefonds im Besitz der Anlegerinnen und Anleger, der heute der grösste Anbieter offener Anlagefonds ist. Im Jahr 1976 folgte der berühmte "Bogle Irrsinn": der First Index Investment Trust, einem Vorläufer des Vanguard 500 Index Fund, der damals einer der ersten öffentlichen Indexfonds war.

Gesunder Menschenverstand als Anlagephilosophie

Trotz anfänglicher Skepsis in der Branche war der Erfolg von Bogles Innovationen kaum zu übersehen. 1999 kürte ihn das Fortune-Magazin zu einem der vier Investmentgiganten des 20. Jahrhunderts. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson, dessen Ideen Bogle inspiriert hatten, ging sogar noch einen Schritt weiter. Im Jahr 2005 verglich er Bogles Idee eines kostengünstigen Indexfonds mit der "Erfindung des Rades, des Alphabets und des Buchdrucks durch Gutenberg". 

Historisches Foto von sechs Herren mit Krawatte und Schutzhelm, die eine Baustelle besichtigen
Bogle gründete die Vanguard Group als einen Anlagefonds im Besitz der Anlegerinnen und Anleger. Heute ist Vanguard der grösste Anbieter offener Anlagefonds. © The Vanguard Group, Inc., used with permission

Trotz aller Auszeichnungen basierte Bogles grundlegende Anlagephilosophie auf gesundem Menschenverstand. Er argumentierte, dass der eigentliche Marktwahnsinn darin bestehe, aktiv verwaltete Investmentfonds auszuwählen und zu erwarten, dass deren Wertentwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg die eines kostengünstigen Indexfonds übertreffen würde, insbesondere nach Berücksichtigung der Gebühren für das aktive Management.

Stattdessen plädierte er dafür, kostengünstige, breit aufgestellte Indexfonds zu kaufen und diese ein Leben lang zu halten. Sein 1999 veröffentlichtes Buch "Common Sense on Mutual Funds: New Imperatives for the Intelligent Investor" erwies sich als Bestseller und gilt heute als Klassiker der Investmentliteratur. In diesem Werk formuliert Bogle acht grundlegende Anlageprinzipien:

  1. Wählen Sie kostengünstige Fonds.
  2. Analysieren Sie die zusätzlichen Beratungskosten sorgfältig.
  3. Achten Sie darauf, die historische Fondsperformance nicht überzubewerten.
  4. Nutzen Sie die historischen Performancedaten, um ihre Beständigkeit und die eingegangenen Risiken zu analysieren
  5. Hüten Sie sich vor Stars (d. h. Fondsmanagern mit Starcharakter).
  6. Vorsicht vor grossen Fondsvolumen.
  7. Beschränken Sie sich auf einige wenige Fonds.
  8. Stellen Sie Ihr eigenes Fondsportfolio zusammen - und halten Sie an ihm fest.

Kurzfristige Spekulationen? "Just say no." 

Ein Mann in Hemd, Krawatte und Baseballmütze, ein Notizbuch in der Hand
Die Bogle-Methode und seine Überzeugung, dass Anlagen grundsätzlich zu mindestens 20% aus Anleihen bestehen sollten, hat sich für Bogle und seine Anhänger während der Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre bewährt. © Tim Dirven/Reporters/laif

Bogle war sich stets der Bedeutung der allgemeinen Marktbewertung bewusst und entwickelte eine Methode zur Vorhersage dessen, was er "angemessene Renditen" nannte, was seine kategorische Ablehnung kurzfristiger spekulativer Investitionen unterstrich.

Die Bogle-Methode beurteilt den Wert eines Unternehmens, indem sie die bestehende Dividendenrendite zum erwarteten Ertragswachstum addiert, an die Bewertung des Gesamtmarkts - gemessen anhand des Kurs/Gewinn-Verhältnisses (P/E Ratio) - anpasst und anschliessend um die Inflation korrigiert. Dieser Ansatz und seine Überzeugung, dass Anlagen grundsätzlich zu mindestens 20% aus Anleihen bestehen sollten und diese Positionen in überbewerteten Märkten aufgestockt werden sollten, hat sich für ihn und seine Anhänger bewährt. Während der Dotcom-Blase in den späten 1990er-Jahren verkaufte Bogle einen Grossteil seiner Aktien da er zu Recht davon ausging, dass Anleihen in den nächsten zehn Jahren besser abschneiden würden.

Seine kategorische Ablehnung der Exchange-Traded Funds (ETFs), die er als "absolute Spekulation" bezeichnete, erwies sich allerdings als weniger vorausschauend. ETFs gehören inzwischen zu den erfolgreichsten Finanzprodukten der letzten Jahrzehnte. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die von Bogle gegründete Vanguard heute zu den grössten ETF-Anbietern zählt (Platz 2 der Weltrangliste). 

Ein weltweit respektiertes Vermächtnis

Eine kleine Plastikfigur mit der Aufschrift "Bogleheader" steht auf einem Buch von Jack Bogle.
Die "Bogleheads" halten den Investmentansatz von Bogle bis heute hoch. © boglecenter.net

Dennoch ist Bogles Vermächtnis nach wie vor grundlegend solide. Dies gilt ganz besonders für die Millionen und Abermillionen Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, die finanziell von seinem Rat profitierten.

Seine Überzeugung, dass durchschnittliche Anlegerinnen und Anleger gut daran tun, ihre Engagements im Markt zu diversifizieren und ihre Gewinne nicht in Form von Gebühren zu verschwenden, hat sich bewährt. Das Bogleheads Forum mit seinen Dutzenden von Sektionen in den USA und im Ausland sowie verschiedenen Online-Quellen vertreten heute den Anlageansatz, für den sich Bogle immer stark gemacht hat. Und das John C. Bogle Center for Financial Literacy verfolgt nach wie vor die Mission, "eine Welt von gut informierten, fähigen und mündigen Anlegerinnen und Anlegern zu schaffen".

Aus gesundheitlichen Gründen zog sich Bogle 1999 in den Ruhestand zurück. Als er 20 Jahre später starb, wurde sein Nettovermögen, ein Tribut an seine auf Geduld und Selbstdisziplin beruhende Anlagephilosophie, die bis heute in Erinnerung bleibt, auf rund 80 Millionen US-Dollar geschätzt - ein Bruchteil dessen, was die meisten seiner Branchenkollegen angehäuft hatten. 

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