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Market View & Insights
Steigende Besucherzahlen könnten wegen der negativen Auswirkungen auf die Umwelt die wirtschaftlichen Vorteile des Tourismus auf lange Sicht zunichtemachen. Um weiterhin für Touristinnen und Touristen attraktiv zu sein und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu schonen, müssen Politik und Branchenführerinnen und Branchenführer nachhaltige Alternativen aufzeigen.
Nach Erscheinen des Films "The Beach" mit Leonardo DiCaprio haben Besucherinnen und Besucher die idyllische Maya Bay in Thailand gestürmt und das Meeresleben mit seinen Korallenriffen und die beeindruckenden Kalksteinfelsen schwer geschädigt. Die zuständigen Tourismusbehörden sahen sich 2018 gezwungen, eines der beliebtesten Reiseziele des Landes zu schliessen. Es ist nur eines von vielen Beispielen, aber es zeigt deutlich, dass der Tourismus überdacht werden muss. Denn nur wenn die Branche dabei mithilft, die negativen Folgen für das Ökosystem so gering wie möglich zu halten, können ihre positiven Effekte erhalten bleiben.
Das wird gewiss nicht einfach sein. Laut dem Welttourismusbarometer der Vereinten Nationen verreisten in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 schätzungsweise 1.1 Milliarden Touristinnen und Touristen. Die gute Nachricht dabei: Die Branche hat sich von der Corona-Pandemie erholt. Dadurch sorgt der Tourismus wieder für Arbeitsplätze, unterstützt die lokale Infrastruktur, trägt zur Erhaltung von Kulturdenkmälern bei und fördert den kulturellen Austausch. Allerdings ist die Branche auch die Ursache gravierender Umweltbelastungen.
Flüge werden oft als Verursacher des Klimawandels genannt. Ihr Anteil an den weltweiten Gesamtemissionen liegt derzeit bei etwa 3 %. Wenn keine Massnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstosses ergriffen werden, könnte dieser nach Schätzungen der Energy Transitions Commission bis 2050 auf 22 % der weltweiten Emissionen ansteigen.
Die Kreuzfahrtindustrie hat einen noch grösseren CO2-Fussabdruck pro Person. Untersuchungen des International Council on Clean Transportation haben ergeben, dass jeder und jede Reisende etwa doppelt so viel Kohlendioxid verursacht wie jemand, der fliegt und für die gleiche Zeit ein Hotelzimmer mietet.
In einigen Teilen der Welt wächst der Tourismus schneller als in anderen. In Asien zum Beispiel expandiert die Branche besonders schnell. Da sich die immer wohlhabender werdenden Mittelschichten in China und Indien nun Reisen ins Ausland leisten können, hat dies globale Auswirkungen.
Ebenso besorgniserregend ist der Schaden, den der Massentourismus der Natur antun kann. Von den für Hotels und Resorts gerodeten Flächen über die Schäden an Korallenriffen durch Taucher bis hin zu den riesigen Wassermengen, die Golfplätze benötigen - man findet kaum eine Form des Tourismus, die keine Auswirkungen auf die Natur hat.
Als eine Folge der negativen Auswirkungen, die der Tourismus auf die Umwelt hat, leidet er selbst darunter. Steigende Temperaturen und extreme Wetterereignisse wie tropische Wirbelstürme machen ihrerseits der Branche zu schaffen.
Insgesamt ist die Tourismusbranche jedoch äusserst anfällig für Umweltprobleme. So hat eine Untersuchung der kanadischen University of Waterloo ergeben, dass sich der Klimawandel auf die Schneefälle auswirkt und die Skisaison künftig kürzer sein wird: Dies könnte in den USA zu wirtschaftlichen Einbussen von jährlich rund einer Milliarde CHF führen.
Für die Inselstaaten der Karibik wiederum, wo der Tourismus nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) bis zu 90 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) ausmacht, steigt das Risiko von Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen. Wenn die sogenannte Klimawandel-Vulnerabilität um 10 % zunimmt, gehen die Tourismuseinnahmen zurück. Nach Einschätzung des IWF wird dadurch der Anteil der Tourismuseinnahmen am BIP um 10 % sinken.
Einige Reiseziele werden von den Klima-Veränderungen profitieren. So macht wärmeres Wetter Reiseziele wie Alaska, Norwegen, Schweden und Schottland attraktiver, während das schmelzende Meereis neue Routen für Kreuzfahrtunternehmen eröffnen wird.
Wie viele andere Branchen muss sich auch der Tourismus an unmittelbare und unumkehrbare Umweltveränderungen anpassen. Das bedeutet, dass man sich an manchen Orten auf eine kürzere Tourismussaison einstellen oder touristische Einrichtungen wie Hotels und Resorts in Regionen mit kühleren Temperaturen oder trockenerem Wetter verlegen muss.
Einige Länder machen sich Anpassungsinvestitionen zunutze, um Reisende anzuziehen. Dies ist in den Niederlanden der Fall, wo Küstenschutzmassnahmen wie naturnah gestaltete Sanddünen neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere bieten und zu Touristenattraktionen werden.
Eine Studie des Internationalen Instituts für nachhaltige Entwicklung schätzt, dass die Tourismuseinnahmen durch die Hondsbossche Düne in den nächsten 50 Jahren fast 203 Millionen EUR betragen werden, während künstliche Bauten nur 103 Millionen EUR einbringen dürften.
Die Tourismusbranche wird sich wohl oder übel dem Klimawandel anpassen müssen. Gleichzeitig muss sie vermeiden, weiterhin Umweltschäden zu verursachen und so zu den globalen Nachhaltigkeitszielen beitragen. Angesichts ihrer Abhängigkeit von Wetter und Naturschönheiten liegt es im ureigenen Interesse der Branche, den Tourismus nachhaltiger zu gestalten.
Auf globaler Ebene werden bereits einige Anstrengungen unternommen, um den Umwelt-Fussabdruck des Tourismus zu verringern. So haben fast 900 Organisationen aus 90 Ländern die Glasgow Declaration on Climate Action in Tourism unterzeichnet und sich damit verpflichtet, Klimaschutzpläne zu erstellen und darüber Bericht zu erstatten. Diese Erklärung wurde 2021 auf der COP26 ins Leben gerufen, um den Klimaschutz im Tourismus zu beschleunigen.
Die politischen Entscheidungsträger können sich auch den Wunsch vieler Menschen zunutze machen, die ihren ökologischen Fussabdruck verringern möchten. So wird beispielsweise das Konzept des langsamen Tourismus immer attraktiver - viele Reisende wollen sich intensiver mit den von ihnen besuchten Zielen auseinandersetzen.
Neben längeren Aufenthalten zur Erkundung von Natur und Kultur, die weniger Kohlendioxidemissionen verursachen als häufige Kurztrips, fördert der sanfte Tourismus nachhaltigere Verkehrsmittel wie Züge und Fahrräder. Auch wer das Homeoffice nicht nur für ein paar Tage, sondern für einen längeren Aufenthalt ins Ausland verlegt, reduziert die CO2-Emissionen. Viele Länder haben darauf reagiert und bieten spezielle Visa für digitale Nomaden an.
Costa Rica hat gezeigt, dass Länder, die ihre wertvollen natürlichen Ressourcen bewahren können, diese auch für den Aufbau einer Ökotourismusindustrie nutzen können.
Im Gegenzug kann diese Art von Tourismus dazu beitragen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Indem man seinen Besucherinnen und Besuchern Wellness-Angebote macht, ihnen ermöglicht, sich in der Gemeinschaft zu engagieren und sie über die Rolle von intakten Meeren im Kampf gegen den Klimawandel aufklärt, stärkt man die Widerstandsfähigkeit einer Region und unterstützt die lokale Wirtschaft.
Gleichzeitig bietet der Agrotourismus den Landwirtinnen und Landwirten eine zusätzliche Einnahmequelle. Den Gästen wiederum werden Fitness- und Abenteuererlebnisse geboten. Sie können lokale Produkte essen und kaufen und an Aktivitäten teilnehmen, die sich mit nachhaltigen landwirtschaftlichen Praktiken befassen. Taiwan hat beispielsweise das Konzept der Freizeitfarmen entwickelt, wo Besucherinnen und Besucher in zertifizierten Agrotourismusbetrieben Aquakultur oder den Anbau von Produkten wie Zucker, Ananas und Tee erleben können.
Die Tourismusbranche befindet sich auf dem Kamm einer Nachfragewelle. Dadurch trägt die Branche allerdings stark zur Umweltverschmutzung bei und zerstört die Grundlage, die so viele Touristinnen und Touristen auf der Suche nach Naturschönheiten anzieht. Diese widerstreitenden Anforderungen haben dazu geführt, dass die Maya-Bucht in Thailand jetzt wieder geöffnet ist, aber die Zahl der Besucherinnen und Besucher und ihre Aufenthaltsdauer begrenzt sind. Auch der Zugang zu anderen potenziell gefährdeten Reisezielen wird auf vergleichbare Art eingeschränkt werden müssen.
Von den Menschen Opfer zu verlangen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist für Reto Knutti allerdings keine langfristige Lösung. Vielmehr müssten attraktivere und nachhaltigere Optionen angeboten werden, fordert der führende Klimawissenschaftler und Professor am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich. Und diese gibt es bereits, wie die Sanddünen in den Niederlanden, der Ökotourismus in Costa Rica oder die Freizeitfarmen in Taiwan zeigen.
"Es gibt immer mehr Beispiele dafür, dass etwas, das gestern noch wie ein Zugeständnis an den Klimawandel schien, in Zukunft nicht mehr als solches empfunden wird", sagt Knutti. "In gewissen Bereichen sind die Alternativen heute schon attraktiver."