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Market View & Insights
Die Mehrheit der Menschheit lebt in Städten. Deswegen müssen Ballungsgebiete innovative Wege gehen, um auf steigende Temperaturen und Wasserunsicherheit zu reagieren.
Die Verstädterung der Welt schreitet unaufhaltsam voran, und urbane Regionen geraten durch die Folgen des Klimawandels zunehmend in Bedrängnis. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird der in städtischen Gebieten lebende Anteil der Weltbevölkerung bis 2050 auf 68 % steigen, während es 1950 nur 30 % waren. Die Stadtbevölkerung in reichen wie armen Ländern sieht sich mit einer wachsenden Welle von Bedrohungen konfrontiert, die sich noch verschärfen werden - von ausgedehnten extremen Hitzeperioden bis zu Überschwemmungen, wenn Flüsse über die Ufer treten und niedrig gelegene Stadtviertel wegen des steigenden Meeresspiegels überflutet werden.
Als das World Resources Institute (WRI) kürzlich Szenarien für das städtische Leben bei ungebremstem Klimawandel modellierte, resultierte ein alarmierender Ausblick für fast 1000 der grössten Städte der Welt. Eine Erwärmung um 3 °C könnte im Durchschnitt zu 6.4 Hitzewellen pro Jahr führen, die länger als drei Wochen dauern. In einer von sechs Grossstädten könnten sogar Hitzewellen auftreten, die einen Monat oder länger anhalten. Ganz zu schweigen von den enormen ökologischen Auswirkungen auf Pflanzen und Tiere.
Vor diesem düsteren Hintergrund haben Städte auf der ganzen Welt grosse und kleine Projekte gestartet, um die Klimaresilienz in das urbane Leben zu integrieren. Sie bringen Akteure auf nationaler, kommunaler und lokaler Ebene zusammen, um Hunderttausende von Bäumen zu pflanzen, Systeme für den Hochwasserschutz zu schaffen, Parks wassersensibel zu gestalten und Flächen zu entsiegeln. Beim klimaresistenten Städtebau geht es darum, mutige Ideen auf höchster Ebene aufzugreifen und gleichzeitig an der Basis umzusetzen, wie die folgenden vier Beispiele aus Europa und Asien zeigen.
Patrick Bernard wurde 2017 aus einer Laune heraus ein "Freund der Nachbarschaft“, wie er sich selbst bezeichnet. Der ehemalige Journalist und Verlagsmanager aus dem 14. Pariser Arrondissement traf sich mit einer Handvoll Freunde, um ein Mikronetzwerk zur Verbesserung des urbanen Lebens zu gründen. Aus der spontanen Zusammenkunft entwickelte sich La République des Hyper Voisins, eine lokale Initiative, die sich an 15'000 Bewohnerinnen und Bewohner in einem 50 Strassen umfassenden Viertel richtet und weltweit Aufmerksamkeit gefunden hat.
Als sein Ziel nennt Bernard die Schaffung eines "Drei-Minuten-Dorfes" innerhalb einer Metropole. Das soll den Menschen den einfacheren Zugang zu wichtigen Einrichtungen und Dienstleistungen ermöglichen, ohne dass sie auf das Auto angewiesen sind. Vor allem aber animiert es Anwohnerinnen und Anwohner dazu, Kontakte zu ihren Mitmenschen zu knüpfen. Bernard selbst besucht jeden Tag eine lokale Brasserie, um für Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Mit persönlichen Ersparnissen sowie städtischen Zuschüssen hat er mehrere Projekte für einen nachhaltigeren Lebenswandel lanciert. Sie reichen von der Begrünung der Strassen, einem Kompostierungsprojekt zur Abfallvermeidung, einem Lastenfahrradprogramm oder kommunalen Ladestationen bis hin zu einer Initiative, von Autos abhängige Lieferdienste aus dem Viertel zu verbannen. Das wichtigste Ereignis des Jahres ist ein Open-Air-Festmahl namens Table d'Aude. Die Tafel nimmt eine ganze Strasse ein und lockt jeden September etwa 1500 Besucherinnen und Besucher an.
Die Stadt Paris, die 2018 einen Klima-Aktionsplan veröffentlicht hat, verfolgt das Projekt mit Interesse. Bernard berichtet, dass er mit Bürgermeisterin Anne Hidalgo sondiert, wie sich das Modell der Hyper Voisins ausweiten lässt, um bis 2040 rund 150 solcher "Drei-Minuten-Dörfer" in ganz Paris zu schaffen. "Wenn sich Menschen, die in derselben Gegend leben, besser kennen, steigert das auf ganz natürliche Weise ihre Fähigkeit, gemeinsam auf Herausforderungen zu reagieren, ob sie nun klimabedingt sind oder nicht", erklärt er. Für Bernard entsteht durch Nähe vor allem eines: mehr Vertrauen.
Wo andere nur einen Parkplatz sehen, wittern Bettina Walch und Isabella Sedivy die Chance, die Stadt Zürich ein bisschen grüner zu machen. Die Journalistin und die Biologin haben eine Grassroots-Kampagne gestartet, um die Bodenversiegelung in städtischen Gebieten in Fünf-Quadratmeter-Häppchen rückgängig zu machen. Ihr Projekt "Asphaltknackerinnen" hat in Zürich bisher mehr als 1000 Quadratmeter versiegelte Flächen aufgebrochen und soll nun auf andere Städte ausgeweitet werden.
Walch und Sedivy sind Mitbegründerinnen der Kommunikationsagentur Plan Biodivers, die öffentliche und private Einrichtungen bei ihren Bemühungen um mehr Klimaresilienz und Biodiversität unterstützt. Bei der Organisation von Workshops und Beratungen für ihre Kunden kam dem Duo eine Idee: Wie wäre es, wenn Stadtbewohner ein Mitspracherecht hätten und sich sogar an der Gestaltung klimabewussterer Strassenlandschaften beteiligen könnten?
"Oberflächenversiegelung wird aus guten Gründen gemacht, aber sie wird völlig übertrieben", erklärt Walch. "Daher haben wird im Oktober 2022 das Projekt Asphaltknackerinnen gestartet, um die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren." Nachdem ein erster Post mehr als zwei Millionen Menschen - in einem Land mit einer Bevölkerung von rund 9 Millionen - erreicht hatte, starteten die beiden Gründerinnen mit einem lokalen Pilotprojekt in Zürich. Einwohnerinnen und Einwohner, die sich online meldeten, wurden mit einer Baufirma verbunden, um einen Parkplatz aufzubrechen und den Schutt kostenlos zu entfernen. Die Stadt erklärte sich bereit, ein Drittel (und später die Hälfte) der Planungs- und Landschaftsbaukosten zu übernehmen, um das schwarze Rechteck in eine kleine grüne Oase zu verwandeln, die Regenwasser aufnehmen kann. Dies trägt dazu bei, Zürich in das zu verwandeln, was Stadtplaner eine "Schwammstadt" nennen.
Nach dem ersten Versuchsballon in Zürich, der auch in Deutschland und Österreich auf Interesse stiess, sind Walch und Sedivy nun damit beschäftigt, Verträge mit anderen Städten wie Winterthur oder dem Kanton Luzern sowie mit privaten Unternehmen wie etwa einem Schweizer Versicherer auszuarbeiten. "Die Asphaltknackerinnen starteten als kleines Hobby, aber für 2024 und 2025 wollen wir unsere Reichweite mit offiziellen Verträgen ausweiten und über die Schweiz hinausgehen, zum Beispiel nach Liechtenstein", sagt Walch, die sich auch an einem Pressluftbohrer versucht, wenn es dabei hilft, ihre Botschaft weiter zu tragen.
Das Ferghana-Tal in Zentralasien ist ein 22'000 Quadratkilometer grosses Stromgebiet, das von steilen Gebirgsketten umringt ist. Die Republiken Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan teilen sich das Teilgebiet, in dem ein Drittel der Bevölkerung der drei Staaten lebt. Die oft instabile Wassersituation im Tal besser in den Griff zu bekommen, ist eines der Ziele eines ehrgeizigen Projektpakets, welche das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) 2020 auf den Weg gebracht hat. Die von der EU finanzierte Initiative "Klimawandel und Resilienz in Zentralasien" läuft bis Ende 2025 und soll die Lebensbedingungen für urbane Zentren und agrarische Gemeinden verbessern.
"Das Tal ist ein so genannter Klima-Hotspot, in dem es zu Überschwemmungen, Sturzfluten und anderen schwerwiegenden Wettereinflüssen kommt und in dem die Gletscher schneller schmelzen als in einigen anderen Regionen der Welt. Wir arbeiten mit allen Beteiligten zusammen, um die Klima- und Katastrophenresilienz in allen drei Ländern zu stärken", erklärt Khusrav Shafirov, ein regionaler UNDP-Experte. Diesen Austausch erschweren jedoch die festgefahrenen Verhandlungen über umstrittene territoriale Grenzen und Wasserrechte zwischen den drei ehemaligen Sowjetrepubliken, die gelegentlich gar zu militärischen Konfrontationen führen.
Trotz dieses brisanten Hintergrunds ist es gelungen, elf hydrometeorologische Stationen zu installieren, die veraltete Ausrüstung aus Sowjetzeiten ersetzen. Die vollautomatischen Sensoren senden alle 15 Minuten Echtzeitdaten an das nationale usbekische Versorgungsunternehmen Uzhydromet, die teilweise auf einer Website veröffentlicht werden. Die Messwerte dienen als Frühwarnsystem für Grossstädte wie etwa Namangan, wo über eine Million Menschen leben, ebenso aber für ländliche Gemeinden.
Wer jedoch Zugang zu diesen wichtigen Daten erhält, ist nach wie vor umstritten. Da sich die Flüsse über die Grenzen hinweg schlängeln, sind Wasserstände ein heikles Thema, sagt Shafirov. Als ersten Schritt hat das UNDP jährliche Treffen zwischen den drei Republiken organisiert und arbeitet an der Einführung von Verfahren für den Datenaustausch und deren Interpretation.
Ziel ist es, rechtzeitig nützliche Informationen über den Anstieg des Wasserspiegels mit den Verantwortlichen in den Provinzen und Gemeinden sowie den einzelnen Bürgern zu teilen. "Wenn ich lese, dass es 50 oder 100 Millimeter Niederschlag geben wird, muss ich diese Information erst zu interpretieren lernen", sagt Isomiddin Akramov, ein regionaler Projektmanager mit Sitz in Taschkent. "Die Menschen wollen wissen, wie sich das konkret auf ihr Leben und ihren Lebensunterhalt auswirken könnte."
Eine tödliche Hitzewelle im Jahr 2010, die mehr als 1300 Menschenleben forderte, veranlasste den indischen Mahila Housing Trust (MHT) dazu, in der Neun-Millionen-Stadt Ahmedabad aktiv zu werden. Die 1994 gegründete Entwicklungsorganisation will Frauen befähigen, Städte nachhaltiger und geschlechtergerechter zu machen. MHT hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Auswirkungen des Klimawandels in den Slums der Stadt zu bekämpfen, allem voran die Folgen extremer Hitze. Dazu bildet der Trust einheimische Frauen aus, die in den ärmsten Vierteln von Tür zu Tür gehen, um Klima-Bewertungen und kostenlose Beratung anzubieten.
Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen gilt Biomasse als kohlenstoffneutral, da bei Die lokalen Botschafterinnen oder "Vikasinis" nutzen Spiele, Videos, Plakate und nehmen einfache Messungen in Haushalten vor, um andere Frauen davon zu überzeugen, ihre beengten Wohnungen klimaresilient nachzurüsten. "Bis heute haben wir knapp 15'000 Frauen als Botschafterinnen ausgebildet", berichtet MHT-Direktorin Bijal Brahmbhatt.
Das Programm hat zu mehreren greifbaren Verbesserungen geführt, zum Beispiel indem Tausende Familien mit weisser Farbe versorgt wurden, die das Sonnenlicht auf ihren Dächern reflektiert, oder mit Wasserauffangsystemen für Starkregen. Seit 2015 arbeitet MHT auch mit einem örtlichen Hersteller zusammen, um neue Dachmaterialien aus Bambus und modulare Dächer zu entwerfen, zu testen und zu installieren. Diese Verfahren sollen die Raumtemperatur um fünf bis sechs Grad senken. "Basierend auf dem Feedback der Frauen entwickelt sich unser Sortiment weiter und bietet immer mehr Optionen", berichtet Brahmbhatt und räumt zugleich ein, dass die Zielgruppe noch etwas zögerlich reagiert.
MHT hat seine Initiative bislang auf über hundert Slums in zehn Städten in Indien, Nepal und Bangladesch ausgeweitet. Der basis-orientierte Beitrag, das Leben von mehr als 125'000 Menschen erträglicher zu machen, kostet gerade einmal fünf Dollar pro Quadratmeter nachgerüstetem Dach.
Zukunftsorientiert denken ist in unserer Unternehmenskultur verankert
Nachhaltig denken, wirtschaften und investieren sind Kernelemente unserer DNA. Unsere Eigentümerin, die Fürstenfamilie von Liechtenstein, hat früh erkannt, wie wichtig Nachhaltigkeit für unsere Umwelt und Gesellschaft - und damit für unsere Zukunft - ist. Als familiengeführte Privatbank fühlen wir uns dem Pariser Klimaabkommen, den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und einem nachhaltigen Finanzsektor verpflichtet.
Steffan Heuer befasst sich seit mehr als drei Jahrzehnten mit der Schnittstelle von Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft. Er pendelt zwischen der amerikanischen Westküste und Berlin.