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Nachhaltigkeit

South Pole CEO Renat Heuberger über nachhaltige Start-ups: "Eine Innovationswelle ist im Anrollen"

Lässt sich die Klimakrise marktwirtschaftlich lösen? Renat Heuberger, CEO von South Pole, erklärt, wie seine Firma Rendite und Nachhaltigkeit vereint und was Start-ups davon lernen können.

Datum
Autor
Bettina Schulz, Gastautorin
Lesezeit
10 Minuten

Renat Heuberger

Lässt sich die globale Klimakrise tatsächlich marktwirtschaftlich lösen? Und können wirtschaftliche Unternehmensziele mit einer effizienten Nachhaltigkeitsstrategie verbunden werden? 

South Pole versucht genau das: Fünf Jungunternehmer gründeten die Firma vor 15 Jahren mit dem Ziel, wirtschaftlichen Nutzen mit klimafreundlichem Wachstum zu verknüpfen und zugleich Investitionen für Projekte im Klimaschutz zu mobilisieren. Das Konzept erwies sich als erfolgreich: Heute beschäftigt South Pole rund 500 interdisziplinäre Mitarbeiter aus 30 Nationen auf allen Kontinenten. Mit ihren Klimaschutzprojekten in Schwellen- und Entwicklungsländern zeigen sie Unternehmen Möglichkeiten zur sinnvollen CO2-Kompensation auf und erarbeiten für sie zugleich ganzheitliche Umweltstrategien. 

Von CEO Renat Heuberger wollten wir mehr darüber erfahren, wie gerade Start-ups Nachhaltigkeit für sich nutzen können.  

Inwieweit ist das Umweltthema bereits bei etablierten Unternehmen verankert?
Es hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel verändert. Ich habe Klimawissenschaft studiert, und sie war ja schon in den 90er Jahren sehr klar in ihren Prognosen – es hat nur niemanden interessiert. Heute jedoch werben bereits grosse Konzerne mit ihrem B-Corp-Zertifikat, für das Nachhaltigkeitsziele in den Unternehmensstatuten verankert sein und den gleichen Stellenwert wie Profitziele einnehmen müssen. Das sind interessante Entwicklungen. Im Übrigen hat die Friday for Future-Bewegung hier einen unglaublichen Beitrag geleistet.

Fridays for Future
Laut Heuberger leistet die Fridays for Future-Bewegung auch für nachhaltige Firmen einen grossen Beitrag. Das TIME Magazine ernannte Greta Thunberg 2019 zur "Person of the Year". © Keystone / EPA / Evgenia  Arebugaeva

In den Anfangsjahren ging es also vor allem darum, die Leute zu sensibilisieren? 
Ja, wir haben uns lange gefragt, wie wir diese Message ins Volk bringen können und mit myclimate im Jahr 2006 eine Lösung geschaffen, die das Problem für jedermann verständlich machte. Aber den richtigen Durchbruch hat es erst jetzt mit Greta Thunberg gegeben, die das Thema in den Mainstream brachte. Und die Covid-Krise hat erstaunlicherweise das Interesse sogar noch erhöht: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist durch sie gewachsen und immer mehr Firmen bekannten sich im vergangenen Jahr zu Netto-Null-Zielen. 

Sie sind auch Mitglied des Innovation Council der Schweizer Regierung, der sich der Förderung von Start-ups verschrieben hat. Wie sieht es derzeit bei den Jungunternehmen aus?
Zum einen gibt es generell viel mehr Start-ups als noch vor zehn Jahren. Zum anderen bekommen wir jeden Monat viele Proposals von Unternehmern auf den Tisch, die explizit neue Produkte im Umweltbereich lancieren wollen. Sie haben verstanden, dass Klimalösungen notwendig sind und richten daher ihre gesamte Firma danach aus. Dies passiert in unterschiedlichen Marktsegmenten – von effizienten Baumaterialien über Recyclingkonzepte bis hin zu neuen Solarpanels. Es ist eine riesige Innovationwelle im Anrollen. 

Renat Heuberger: Pionier und Unternehmer

Renat Heuberger agiert seit 1999 als Pionier und sozial engagierter Unternehmer in den Bereichen Nachhaltigkeit, Klimawandel und erneuerbare Energien. 2002 gründete er zusammen mit Kollegen myclimate; 2006 folgte die Gründung von South Pole gemeinsam mit vier Wissenschaftlern. Das LGT Schwesterunternehmen, die Impact Investing Plattform Lightrock, hat sich an South Pole beteiligt.

Wie ist es mit Start-ups, die sich nicht explizit mit Klimalösungen beschäftigen – ist bei ihnen das Thema Nachhaltigkeit im Workflow oder bei der Auswahl von Werkstoffen schon selbstverständlich?
Das ist ganz klar so. Wenn Sie heute mit einem neuen Unternehmen in einen Investor-Pitch gehen, müssen natürlich nach wie vor Marktpotentiale und Zielgruppen aufgezeigt werden. Wenn man darüber hinaus aber noch belegen kann, dass man sich von der Konkurrenz durch einen nachhaltigen Ansatz unterscheidet, gewinnt man wichtige Punkte. Wenn Sie das nicht vorweisen, können Sie davon ausgehen, dass ein anderer Pitch, der die Nachhaltigkeit berücksichtigt, bevorzugt wird. 

Welche Empfehlungen können Sie Start-ups hinsichtlich Umweltstrategie mit auf den Weg geben?
Versuch dich von Beginn an als Climate Leader zu positionieren. Wenn du heute als Start-up das Klima als wichtiges Thema verinnerlichst, dann hast du einen Vorsprung gegenüber jenen Start-ups, die vielleicht vor fünf Jahren gegründet wurden und das nicht gesehen haben. Eine klimaneutrale Ausrichtung bringt per se Pluspunkte – warum sie also nicht aufgreifen und im Investor-Pitch damit brillieren, dass man diese Flanke sauber abgedeckt hat? Das gilt für alle Branchen: Mache alles richtig und sei ausserdem ein Umweltvorreiter. Damit bist du besser als die Konkurrenz und kannst nur gewinnen.  

Fridays for Future
"Wenn ein Arbeitgeber heute 10 Prozent mehr Lohn bezahlt, sich aber kein bisschen für das Klima interessiert, wird er keine jungen Leute finden." © Shutterstock / Alexandros Michailidis

Welchen Benefit haben Unternehmen noch, wenn sie Klimaziele im Auge behalten?
Da wäre zum Beispiel das Thema Mitarbeiter-Recruiting: Selbst wenn ein Arbeitgeber heute 10 Prozent mehr Lohn bezahlt, sich aber kein bisschen für das Klima interessiert, wird er keine jungen Leute finden. Anders gesagt, kann eine Firma sogar Lohnkosten sparen, weil junge Jobsuchende mehr Wert auf Nachhaltigkeit als auf den Lohn legen… 

Gilt dasselbe für Kunden?
Ja, auch Kunden nehmen heute höhere Preise durchaus in Kauf, wenn eine Umweltstrategie sichtbar ist. Zudem reagiert man als nachhaltiges Unternehmen vorausschauend auf eine Gesetzgebung – wie die CO2-Bepreisung –, die ohnehin kommen wird. Damit ist man vielleicht der Konkurrenz einen Schritt voraus. Und zu guter Letzt gibt es immer mehr Aktionärsverbindungen, die gemeinsam die CEOs auffordern, sich zu Netto-Null zu bekennen. Der Druck kommt also jetzt schon aus dem Aktionariat heraus. Das alles verdeutlicht, dass sich ein echtes, fundamentales Umdenken lohnt. Kein Greenwashing, sondern echte Antworten auf die Frage, wie CO2 Ausstosse vermieden und der unvermeidliche Teil kompensiert werden kann. 

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"Das Umweltthema ist auch ein soziales Thema."

Sie sprachen die Aktionäre an: Ist es bereits so, dass Umweltschutz als echter Wert und gutes Investment gewertet wird? Gerade beteiligte sich ja S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein mit Lightrock an South Pole.
Ja, und das finde ich unglaublich spannend und wegweisend: Das Fürstenhaus hat natürlich nichts mit der Friday for Future Bewegung zu tun, aber Lightrock investierte schon immer in soziale Unternehmen – und das Umweltthema ist auch ein soziales Thema. 

Wie meinen Sie das? 
Die sozialen Fortschritte in vielen Ländern könnten durch die Klimakrise komplett zunichtegemacht werden – wenn es in Nordafrika im Sommer künftig 70 Grad heiss sein wird, nützt auch der Brunnenbau nichts mehr. 

Was verbindet Sie mit Lightrock?
South Pole benötigt unbedingt Kapital, um dem rasant wachsenden Markt gerecht zu werden – die Anforderungen an uns werden immer grösser. Allerdings wollten wir nie Geld von irgendjemandem aufnehmen, sondern einen Investor, der die gleichen langfristigen Ziele vertritt wie wir. Somit passt die Kooperation mit Lightrock sehr gut.  

Sehen Sie generell optimistisch in die Zukunft?
Ja. Wir haben schlichtweg keine Zeit für Pessimismus – wirklich nicht. Wir müssen beim Klima um jedes Milligrad kämpfen. 2 Grad sind besser als 2,1 Grad sind besser als 2,2 Grad. Das ist kein K.o.-Sieg, das ist ein Punktesieg, den wir erringen müssen. Und das geht nur, wenn wir optimistisch in die Welt schauen. 

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