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Finanzwissen ist genauso wichtig wie Lesen und Schreiben - sagt Annamaria Lusardi, die weltweit anerkannte "Finanzpädagogin", die unter anderem in Stanford lehrt. Ihr Rat: Eltern sollten mit ihren Kindern offen über Geld sprechen.
Wann haben Sie entdeckt, dass Investitionen spannend sein können?
Professorin Annamaria Lusardi: Meine Eltern haben uns drei Töchter immer in ihre finanziellen Entscheidungen miteinbezogen. Gespräche über Geld gehörten bei uns zum Alltag und waren uns vertraut. So haben wir schon als Kinder gelernt, dass Finanzen Chancen eröffnen. Als meine Eltern ein neues Haus kaufen wollten, war ich 10 Jahre alt und bot ihnen meine Ersparnisse als Darlehen an. Sie sagten mir, dass sie damit einen Teil des Gartens kaufen könnten. Das Haus gehört immer noch meiner Familie, und ich kümmere mich jeweils um den Garten, wenn ich den Sommer in Italien verbringe.
Laut einer Ihrer Studien verfügen weltweit nur sieben Prozent der 18- bis 25-Jährigen über eine ausreichende finanzielle Kompetenz. Wieso?
Das hat viele Ursachen. Die Finanzen sind meist weder in der Schule noch an der Hochschule ein Unterrichtsfach. Darum kommen viele junge Menschen nicht mit dem Thema in Berührung. Ausserdem haben sie meist noch nicht viele weitreichende finanzielle Entscheidungen getroffen - und somit kaum Erfahrung mit Finanzen.
Gibt es Anzeichen, dass sich die Finanzkompetenz der Jugendlichen verbessert?
Wir sehen keine grossen Fortschritte. Im Juli 2023 publizierte das von mir gegründete und von Cambridge University Press herausgegebene "Journal of Financial Literacy and Wellbeing" mehrere Studien, die einen länderübergreifenden Vergleich des Finanzwissens ermöglichen. In vielen Ländern mit gut entwickelten Finanzmärkten ist die Finanzkompetenz junger Menschen recht gering und liegt weit unter jener der Erwachsenen. In Entwicklungsländern wissen Jugendliche oft mehr als die ältere Bevölkerung. Dennoch bewegt sich ihr Wissensstand auf tiefem Niveau - und liegt unter dem Finanzwissen junger Menschen in Industrieländern. Wir müssen die finanzielle Allgemeinbildung unserer Jugend verbessern!
Wie schneiden die jungen Menschen in Ländern mit weltweit wichtigen Finanzplätzen punkto Finanzkompetenz ab?
Oft überdurchschnittlich gut. Aber es gibt noch viel Luft nach oben. Aus unseren Global-Financial-Literacy-Zahlen geht hervor, dass in Deutschland 72 Prozent der Menschen zwischen 15 und 34 Jahren über Finanzwissen verfügen. Das Vereinigte Königreich (66 Prozent) und Singapur (66 Prozent) stehen ebenfalls gut da. In den USA (57 Prozent), in Österreich und der Schweiz (bei 56 Prozent) sind etwas über die Hälfte der Jugendlichen auf einem ausreichenden Niveau. Zum Vergleich: In der wirtschaftlichen Grossmacht Indien trifft dies nur auf 27 Prozent zu.
Wo klaffen die grössten Wissenslücken bei jungen Menschen, wenn es ums Anlegen geht?
Grosse Wissensdefizite bestehen im Bereich Risiko und Risikomanagement. Dieses Konzept ist schwer zu verstehen. Wir stellen fest, dass sich damit nicht nur die Jugend schwertut, sondern die ganze Bevölkerung.
Welche Rolle spielen die Eltern bei der Vermittlung von Finanzwissen?
Eine sehr wichtige. Sie sollten mit ihren Kindern über Geld sprechen und ihre Neugierde wecken. Finanzen gelten als komplex und oft als Tabu. Wir müssen sie zu einem vertrauten, normalen Gesprächsthema machen. Viele Menschen, die im Finanzbereich sehr erfolgreich sind, haben mir von Eltern oder Verwandten erzählt, die sie ans Thema herangeführt haben.
Auch viele Eltern verfügen über wenig Finanzwissen.
Braucht unser Bildungssystem ein Update?
Ja. Wir müssen die Finanzbildung in der Schule ausbauen - von der Grundschule bis zur Universität und darüber hinaus. Ich sage immer: "Finanzwissen ist genauso wichtig wie Lesen und Schreiben." Es ist eine wichtige Fähigkeit, um an der Gesellschaft teilhaben zu können.
Wie können Eltern ihren Nachwuchs für die Bedeutung von Investitionen sensibilisieren?
Alle Eltern sollten dafür sorgen, dass ihre Sprösslinge wissen, wie sie ihr Vermögen verwalten und vermehren können. Dies ist in einem Umfeld mit hoher Inflation und einer alternden Bevölkerung umso wichtiger. Leider deuten unsere Daten darauf hin, dass auch viele Eltern kaum über finanzielle Kenntnisse verfügen. Deshalb halte ich es für wichtig, dass die Schulen finanzielles Grundwissen vermitteln.
Was sind die grössten Fehler, die Eltern in der Finanzerziehung machen können?
Der grösste Fehler ist, den Kindern keine finanzielle Bildung zu vermitteln oder ihnen den Zugang dazu zu erschweren. Dabei geht es nicht nur ums Anlegen. Von der Ausbildung bis zum Hauskauf, von Versicherungsfragen bis zur Zukunftsplanung müssen wir finanzielle Entscheidungen treffen. Finanzielle Bildung bedeutet, dass wir unsere Träume verwirklichen können - es geht um unser Glück.
Auch Influencer in den sozialen Medien geben Finanztipps. Was halten Sie davon?
Da ist Vorsicht angebracht. Bei Themen von grosser Tragweite sollen wir uns auf vertrauenswürdige Informationsquellen und auf Menschen verlassen, denen unser Wohl am Herzen liegt.
Gibt es Jugendliche, denen einfach das Finanz-Gen fehlt?
Ich bin mir nicht sicher, inwieweit Menschen mit einer Veranlagung für Finanzen geboren werden. Aber ich stelle fest, dass sich viele junge Menschen nicht von allein für Finanzen interessieren. In diesem Alter sind auch andere Themen wichtig. Und nicht jede, nicht jeder, ist zum Finanzexperten geboren. Aber wir alle müssen uns um unsere persönlichen Finanzen kümmern. Selbst wenn wir eine Beratungsperson engagieren, ist es unsere Aufgabe sicherzustellen, dass diese unsere Interessen vertritt.
Was raten Sie Eltern?
Der beste Weg, um sicherzustellen, dass die Nachkommen bald auf eigenen Beinen stehen können, ist, ihn in Sachen Finanzen fit zu trimmen.
Zur Person
Die Italienerin Annamaria Lusardi misst seit Jahren, wie es um unsere Finanzkompetenz bestellt ist. Das Ergebnis ist weltweit ernüchternd. Lusardi ist Senior Fellow am Stanford Institute for Economic Policy Research (SIEPR) und Direktorin der Initiative for Financial Decision-Making, einer Kooperation zwischen SIEPR, der Graduate School of Business (GSB) und der Stanford University. Ihr neues Finanzbuch “Il sapere che conta” ist im Mai 2024 bei Mondadori in Italien erschienen.
Dos:
Don'ts:
Die LGT Next Generation Academy (NGA) ist ein Forum, das junge Menschen darauf vorbereitet, Verantwortung für die Verwaltung von Vermögen zu übernehmen. Die NGA bietet jungen Menschen dafür exklusive Programme in einem attraktiven Lernumfeld: Die Themen sind zum Beispiel auf Mitglieder von Familien mit komplexen Vermögensstrukturen zugeschnitten und beleuchten die Grundlagen, damit junge Investorinnen und Investoren ihre ersten Schritte in der eigenständigen Verwaltung von Vermögen machen können. In den Trainingsforen wird ein besonderer Schwerpunkt auf nachhaltige und wirkungsorientierte Investments gelegt. Die Teilnehmenden können aber auch Kontakte zu anderen NextGens aus aller Welt knüpfen und pflegen, wofür die NGA eine aktive Alumni-Community unterhält.