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Market View & Insights
Warum Women's Entrepreneurship auch für Investorinnen und Investoren Zukunftschancen birgt.
"Im Jahr 2024 präsentiert sich die Landschaft des Unternehmertums reif für eine Transformation, und Frauen stehen an der Schwelle nie da gewesener Möglichkeiten", so läutete das Forbes-Magazin vollmundig das vergangene Jahr ein. Nun, da bereits 2025 angebrochen ist, mag ein Blick zurück auf den Stand weiblichen Unternehmertums nicht nur im vergangenen Jahr angebracht sein.
Gut zu einem globalen, facettenreichen Überblick eignet sich der am 19. November 2024 publizierte "2023/24 Women's Entrepreneurship Report" des Konsortiums Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Seit seiner erstmaligen Erhebung wurden über vier Millionen Personen aus 120 Ländern befragt sowie die Inputs von 50'000 Experten beigezogen. Die neuste Ausgabe ist der zwölfte Report zum Thema im 25-jährigen Bestehen von GEM und umspannt wiederum verschiedenste Länder, Regionen und Volkswirtschaften bzw. Wirtschaftssektoren der Welt, in denen Frauen unternehmerisch tätig sind.
Diesem Wirken schreibt der GEM Report insgesamt ein positives Moment zu, auch wenn es sich nicht immer mit gleicher Elle messen lässt: Dass beispielsweise in Ecuador die gesamte unternehmerische Aktivität von Frauen jene von Männern übertrifft, ist äusserst vielversprechend, sollte aber als ein lokales oder regionales Phänomen gelesen werden. Auch wenn, wie der GEM Report ausweist, andere afrikanische, karibische und lateinamerikanische Länder ähnlich positive Tendenz aufweisen, fusst diese zumindest zum Teil auf Subsistenz-Unternehmertum. Derlei Daten aus Schwellenländern lassen keine Rückschlüsse auf die Situation im profitorientierten High-Tech-Unternehmenssektor von hochentwickelten Ökonomien zu.
Gleichwohl wartet GEMs Women's Entrepreneurship Report mit einigen eindrücklichen allgemeinen Facts & Figures auf. So ist die "Start-up-Aktivität" von Frauen in den letzten 20 Jahren von 6.1 auf 10.4 % geklettert. Das heisst, dass in den 30 untersuchten Ländern des Reports im Jahr 2023 eine von zehn Frauen ein Unternehmen gegründet hat, gegenüber jedem achten Mann, der den Schritt ins Unternehmertum macht.
Betrachtet man sogenannte Hochpotenzial-Unternehmen in 45 Ländern, so leiten Frauen mittlerweile jedes dritte Unternehmen mit aussergewöhnlich hohem Wachstum und zwei von fünf exportorientierten Start-ups. In denselben zwei Jahrzehnten stieg der Anteil der Frauen, die neues Geschäftspotenzial sahen, um 79 %, während der Anteil derjenigen Frauen, die angaben, dass sie die nötigen Skills für ein Start up mitbringen, um 27 % gestiegen ist.
Den positiven Trend bestätigte auch Asahi Pompey, Global Head of Corporate Engagement bei Goldman Sachs, am "Global Women's Summit" der Washington Post im vergangenen Oktober. Mit Bezug auf Schätzungen des Beratungsunternehmens McKinsey gleiche der Trend einer "Wohlstandswelle", sagte Pompey an der Konferenz. Aufgrund steigender Beteiligung von Frauen an Unternehmertum, Erwerbstätigkeit und höherer Gehälter erwarte sie, dass bereits im Jahr 2030 60 % der Vermögenswerte weltweit im Besitz von Frauen stehen werden. Women's Entrepreneurship, so der Tenor, ist eine logische Weiterentwicklung des globalen Kapitalismus zur höheren Wertschöpfung, von der alle profitieren, sowohl in wirtschaftlicher als auch in sozial gerechter qua feministischer Hinsicht. Die vielzitierte "Glass Ceiling" bekommt Risse. Dass sie bricht, ist - so kann man den GEM Report und die Ansichten von Frau Pompey lesen -, nur eine Frage der Zeit.
Komplett schattenfrei ist die Erfolgsgeschichte von unternehmerisch tätigen Frauen indes freilich (noch) nicht. Durch Gender-Stereotypen und strukturellen Bias gibt es nach wie vor Differenzen, Hürden und Herausforderungen - die von Forbes vollmundig verkündeten "noch nie da gewesenen Möglichkeiten" stehen immer noch in der Möglichkeitsform.
Als Chef-Autorin des GEM Reports und Forschungsbeauftragte am Babson College im US-amerikanischen Massachusetts leistet Amanda Elam hierzu Aufklärungsarbeit und liefert Kontext für eine Einordnung von Women's Entrepreneurship, die Vorurteile aufmerksam im Blick behält. In den beeindruckenden Zahlen zu Unternehmerinnen in Entwicklungs- und Schwellenländern sieht Elam beispielsweise auch die latente Gefahr eines negativen Stereotyps. Einerseits sei "weibliches Unternehmertum" hier beispielgebend und "das effizienteste Mittel, um Probleme wie Armut, (mangelnde) Gesundheit und Ausbildung in den marginalisiertesten und benachteiligten Schichten unserer Volkswirtschaften anzugehen". Women's Entrepreneurship, so Elam, ist mithin schlichtweg ein "Game Changer", dessen Effekt auch vor hochentwickelten Wirtschaften nicht Halt machen wird.
Andererseits, so gibt Elam zu bedenken, werde Women's Entrepreneurship auch oft auf den Kontext einer Subsistenzwirtschaft sowie auf "Notwendigkeits- und Gelegenheitsunternehmertum" reduziert und bleibe so in der allgemeinen Wahrnehmung einfacherer Unternehmensformen verhaftet. Ungeachtet der eminent positiven Auswirkungen von weiblichem Unternehmertum auf allgemeine Wohlfahrt, wirtschaftliche Prosperität, die Reintegration von geflüchteten, alleinstehenden oder sogar aus dem Strafvollzug entlassenen Frauen erhält Unternehmertum in Branchen wie Handwerk oder Dienstleistung, wie es häufig von Frauen in afrikanischen oder lateinamerikanischen Ländern gepflegt wird, so den allgemeinen Status von Unternehmertum zweiter Klasse. Setzt sich der Nimbus von allgemein geringeren Umsätzen, Margen und Wachstumschancen im wirtschaftlichen Wirken von Frauen global, also auch jenseits von Subsistenzwirtschaft, als Gemeinplatz fest, transformiert er sich in eine strukturelle Benachteiligung, den sogenannten Gender-Bias. Tiefere Wertschätzung und Vertrauen, dafür höhere Hürden bei der Kapitalbeschaffung, höhere Zinssätze oder Sicherheitsmittel sind die handfeste Folge dieses strukturellen Bias gegen Unternehmerinnen.
Richtet man indes den Blick auf die Leistungsbilanzen von weiblichen und männlichen Entrepreneuren in Branchen mit hohem Potenzial und hohem Wachstum in entwickelten Märkten, zeigt sich, dass derartige Vorurteile unhaltbar sind. Nicht nur haben Frauen gemäss einer Untersuchung des Cato Institute in technologienahen Branchen insbesondere in hochentwickelten Märkten den Gender-Gap de facto bereits weitgehend geschlossen. "Vergleichen wir Männer und Frauen in denselben Business-Sektoren", so Elam, "finden wir nur geringe Unterschiede - und einige davon fallen gar leicht zum Vorteil von Unternehmerinnen aus." Dazu gehörten insbesondere eine erhöhte Kapitaleffizienz, was den Return on Investment für Investoren erhöht. "Im Durchschnitt haben Frauen erheblich niedrigere Default-Raten, sind bessere und verantwortungsvollere Kreditnehmer", sagt Elam.
Das untermauert Asahi Pompey von Goldman Sachs: Demzufolge werden Darlehen derzeit von 97 % der Frauen zurückgezahlt, gegenüber nur 94 % der Männer. Insbesondere Investoren und Kreditgeber lassen solche Befunde mittlerweile aufhorchen - und ihnen beispielsweise mit segmentierten Strategien zu frauenspezifischen Produkten und Marketing Rechnung tragen.
Für die steigende Attraktivität von Women's Entrepreneurship für Investoren spricht schliesslich gemäss Amanda Elam noch ein weiterer Grund, den sie unter den Sammelbegriff "FemTech" stellt: Technologie von Frauen für eine weibliche Klientel, beispielsweise in Health-IT oder im Erziehungstechnologiesektor (EdTech). Zugespitzt darf man durchaus die These wagen, dass Women’s Entrepreneurship eine spezifisch weibliche Innovationskraft und damit das Potenzial zu ganz neuen Geschäftsfeldern in technologoschen Hochpotenzial-Sektoren innewohnt. Zwar zielten männliche Entrepreneurs (und eine Mehrheit von Venture-Kapitalisten) nach wie vor in höherem Mass als Unternehmerinnen auf grosse, hochentwickelte Märkte mit dementsprechend hohen Profitchancen, wie etwa derzeit Künstliche Intelligenz, ab. Wie Untersuchungen und Unterstützungsprogramme für Unternehmerinnen und Unternehmer- neben dem GEM Report etwa auch die der Cartier Women's Initiative - nahelegen, entwickelten Unternehmerinnen dagegen im sogenannten "Impact Entrepreneurship" neue Geschäftsideen in sozialeren und politisch gerechteren Wirtschaftsfeldern. Laut Elam und dem GEM Report zeige sich das insbesondere bei massiv höheren Zahlen an Hi-Tech-Startups, die Frauen in den Bereichen Gesundheit, Bildung/Erziehung, Sozialleistungen, Fürsorge/Care und Staatswesen bis hin zu Hotel- und Gastronomiebranche und Well-Being gründen.
"Soziale Unternehmerinnen gründen Firmen, die völlig grosse und komplexe Probleme in wirklich grossen Märkten angehen. Das mag die Timeline verlängern und den ROI etwas drücken - aber weibliche Unternehmerinnen lösen Probleme, die niemand anders löst." Damit, so ist Elam überzeugt, entstehen gänzlich neue und sozial gerechtere Zukunfts- und Wachstumsmärkte durch weibliche Unternehmerkraft.
Auch wenn die von der Cartier-Initiative Ausgezeichneten, etwa das in Tschechien domizilierte "Humans in the Loop", ein auf ethische KI fokussiertes Unternehmen, das die Digitalisierung von sozial engagierten Projekten in Konfliktgebieten vorantreibt, oder "Hexas" aus dem US-Gliedstaat Washington, eine Pionierin in der Entwicklung alternativer und nachhaltiger Rohmaterialien, die Holz und fossile Brennstoffe ersetzen) durchaus als Beispiele und Leuchttürme taugen.
Sie sind auch Beispiele für Resilienz, da sie mit strukturellen Nachteilen konfrontiert waren, die nun von Investoren aktiv angegangen werden. Das beginnt mit so einfachen Dingen wie der Aufnahme und Repräsentation von Unternehmerinnen in Werbe- und Marketingbemühungen von Investoren und Banken, gefolgt von der Entwicklung von Finanzprodukten, die in puncto Design, bei der Vermittlung von finanziellem Fachwissen oder in der praktischen Anwendung auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind.
Wie weit solche Bemühungen schon vorangeschritten sind, zeigen zum Beispiel die "Finance Awards" des SME Finance Forum. Diese von der International Finance Corporation (IFC) aus der Weltbankgruppe betriebene Plattform zur Förderung von kleinen und mittelgrossen Unternehmen weltweit hat im Rahmen ihrer alljährlichen Preisverleihung eigens die Kategorie "Best Financier for Women Entrepreneurs" eingeführt. Letztes Jahr wurden 14 Finanzinstitute aus Afrika, Lateinamerika/Karibik und Europa für ihre spezifisch auf Women Entrepreneurs zugeschnittenen Produkte ausgezeichnet - vom Fintech-Financier bis zu Mikro- und Entwicklungsbanken sowie Public Private Partnerships.
Fügen sich derlei neue Formen der institutionellen Finanzierung zum erwachenden Innovationsgeist weiblichen Unternehmertums - quer über alle Sektoren und weltweit -, stehen wir womöglich tatsächlich an einer spannenden Schwelle zu einem neuen, sozial gerechteren, vielfältigeren und impactvolleren Kapitel in der Geschichte des Unternehmertums. Dieser neue Typus Entrepreneurship mag vorderhand etwas weniger dynamisch sein. Dafür ist er global nachhaltiger. Mittel- und langfristig hat er das Zeug zum "Game Changer".