Abonnieren Sie unseren Insights Newsletter

Unsere Insights liefern informative, inspirierende, ueberraschende und unterhaltsame Einsichten hinter die Kulissen von Finanz und Wirtschaft, aber auch von Gesellschaft oder Kunst. Mit dem monatlichen Newsletter bleiben Sie stets informiert.

Anlagestrategien

Die Zukunft hat verschiedene Ausprägungen In turbulenten Zeiten kann Szenarioplanung die Entscheidungsfindung verbessern

Selbst Nostradamus würde sich in der heutigen Welt, die von dramatischen Umbrüchen geprägt ist, wohl kaum trauen, Vorhersagen über die Zukunft zu treffen.

Datum
Autor
Sebastian Petric, LGT Senior FX Strategist
Lesezeit
4 Minuten
Nahaufnahme eines Mannes, Kinn auf Hand, dessen Computerbildschirm sich in seiner Brille spiegelt.
Wenn wir zwischen Wahrheit und Nutzen unterscheiden und unvoreingenommen an die Formulierung von Szenarien herangehen, fällt es uns leichter, mit Ambiguität umzugehen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen - für Anlegerinnen und Anleger unerlässlich. © istock/pixdeluxe

Das Klima, die Geopolitik, die Technologie, die Märkte, die demografische Entwicklung - alles ist in Bewegung. Und die sich ständig verändernden Dynamiken verändern die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, in einem nie dagewesenen Tempo und Ausmass. Es ist eine grosse Herausforderung, unter den gegebenen Umständen eine effektive Investitionsstrategie zu bestimmen.

Hier setzt die Szenarioplanung an - eine strategische Methode, die für Zeiten wie diese massgeschneidert ist. 

Die Szenarioplanung ist kein Prognoseinstrument. Sie konzentriert sich auf plausible, nicht zwingend auf wahrscheinliche Szenarien. Und sie erhebt schon gar nicht den Anspruch, Ihre Anlagen zukunftssicher zu machen. Doch weil sich dieses Instrument mit der Identifikation von Möglichkeiten befasst und nicht versucht Antworten zu liefern, können diese iterativen Prozesse Ihre Entscheidungsfähigkeit verbessern und Ihnen dazu verhelfen, sich heute auf mannigfaltige Zukunftsszenarien vorzubereiten. 

Zukunftsstorys entwickeln

Eine Person trägt eine Virtual-Reality-Brille vor einem rosa beleuchteten Hintergrund.
Die Szenarioplanung hat dazu beigetragen, die Denkweise zu durchbrechen, dass die Zukunft im Grossen und Ganzen eine Fortsetzung der Gegenwart ist. © Getty Images/Kilito Chan

Szenarioplanung ist nichts Neues. Die meisten Fachleute verweisen auf den legendären Zukunftsforscher Herman Kahn als Erfinder der Szenarioplanung, da er während seiner Tätigkeit als Militäranalyst bei der RAND Corporation in den 1950er-Jahren eine Technik entwickelte, um die Zukunft in Form von Geschichten (von ihm als «Szenarien» bezeichnet) zu beschreiben.

Schwarzweissfoto eines Mannes mit Brille und Anzug.
Der Zukunftsforscher Herman Kahn gilt als Erfinder der Szenarioplanung. © Keystone/World History Archive

Andere schreiben die Idee französischen Wissenschaftlern zu, die im selben Zeitraum wie Kahn, aber auf der anderen Seite des Atlantiks an Zukunftsszenarien arbeiteten, die als Orientierungshilfe für die Formulierung öffentlicher Politik dienen sollten. Fest steht, dass Szenarioplanungen ab 1970 von verschiedenen Grossunternehmen im Zuge ihrer Strategieentwicklung gezielt eingesetzt wurden, allen voran von Royal Dutch Shell. 

Die Methode ermutigt Entscheidungsträgerinnen und -träger, sämtliche Szenarien, die nicht mit logischen Argumenten wiederlegt werden können, in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. So trug sie dazu bei, die in den meisten Unternehmensstrategien fest verankerte Denkweise zu durchbrechen, dass die Zukunft im Grossen und Ganzen eine Fortsetzung der Gegenwart darstellen werde. 

Seither haben sich verschiedene Ansätze für die Szenarioplanung entwickelt, da Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen versuchen sich vorzustellen, wie sie am besten auf allfällige zukünftige Entwicklungen reagieren können.

Navigation durch eine TUNA-Welt

Einer der renommiertesten Ansätze wurde an der Said Business School der Universität Oxford in Grossbritannien entwickelt. Er arbeitet mit dem Akronym TUNA, das von Turbulenzen, Ungewissheit, Neuerungen und Ambiguität geprägte Zeiten beschreibt, und ist darauf ausgelegt, Menschen, die sich in solchen Zeiten zurechtfinden müssen, anzuregen, ihre Wahrnehmungen und Annahmen zu hinterfragen und zu überdenken. 

Ein Mann sitzt nach einem Erdbeben in den Trümmern eines Hauses.
Wenn es Erdbeben gibt, wie 2023 in der Türkei, kann es dann auch Mondbeben geben? Die Szenarienplanung lässt der Vorstellungskraft freien Lauf. © David Lombeida/Redux/laif

Bei Szenarien handelt es sich um nicht bedrohliche, plausible Geschichten, die den betreffenden Personen oder Unternehmen einen sicheren Rahmen bieten, um sich mit Ungewissheiten auseinanderzusetzen. Sie ermutigen somit möglicherweise auch Sie, sich mit zuvor unvorstellbaren oder nicht erkennbaren Entwicklungen zu befassen, beispielsweise mit explodierenden Energiepreisen. Oder mit der künftigen Verfügbarkeit einer noch revolutionäreren Technologie als KI, die unsere Annahmen über eine Reihe von Branchen auf den Kopf stellen würde.

Da Szenarioplanungen kontextspezifisch sind, eignen sie sich immer nur für eine Nutzerin oder einen Nutzer und einen einzigen Zweck. Wenn Sie eine oder mehrere Variablen verändern und Ihrer Vorstellungskraft freien Lauf lassen - etwa, indem Sie von Mondbeben anstatt Erdbeben ausgehen -, können Sie Ihre Hypothesen herausarbeiten und testen und somit intelligentere Strategien entwerfen.

Szenarien, Optionen und Strategien

Im Bereich der Szenarioplanung ist es wichtig, zunächst eine klare Unterscheidung zwischen einigen zentralen Begriffen vorzunehmen:

  • Szenarien beschreiben, was in einem spezifischen Kontext geschehen könnte, d. h. sie stellen verschiedene mögliche Versionen der Zukunft dar.
  • Optionen beschreiben, was wir als Reaktion auf diese Szenarien tun könnten. 
  • Was wir dann letztendlich tun, wird als Strategie bezeichnet.
In einer grossen Gruppe von Vögeln auf einer Freileitung sitzt ein einzelner Vogel getrennt von der Gruppe.
Szenarioplanung stellt Verhaltensweisen wie Tunnelblick, Gruppendenken und blindes Vertrauen in Frage. © Shutterstock/OgnjenO

Zur Entwicklung von Szenarien müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, Systeme abbilden und verschiedene zukünftige Möglichkeiten gegeneinander abwägen und miteinander vergleichen. Beim Einsatz von Szenarien geht es darum, die verschiedenen Stakeholder einzubinden, Überwachungssysteme einzurichten und die Strategien laufend an neue Informationen und Frühwarnungen anzupassen.

Szenarioplanung hilft, fundiertere und realistischere Entscheidungen zu treffen.

Beispielhaft liesse sich etwa im Zusammenhang mit Risiken in einem Wirtschaftssystem ein Szenario skizzieren, in dem sich die - inklusive, diverse, nachhaltige und sozial verantwortungsbewusste - Kultur einer idealen Arbeitgeberin bzw. eines idealen Arbeitgebers schlagartig verändert. Ein weiteres potenzielles Szenario könnte darin bestehen, dass eine seit Langem existierende Sicherheitsbedrohung einer Finanzanlage weniger bedrohlich wird oder gar entfällt, weil die zuvor erbitterten Feinde plötzlich Gespräche aufnehmen.

Je umfangreicher und eingehender Ihr Verständnis für potenzielle Kontexte und verfügbare Optionen ist, desto informierter und realistischer fallen Ihre Entscheidungen aus.

Blasen platzen lassen

Ein Mann in Anzug und Krawatte lächelt freundlich in die Kamera
Sebastian Petric, Senior Investment Strategist/Fixed Income and FX bei LGT

Bei Szenarien handelt es sich nicht um Prognosen, Vorhersagen oder reine Präferenzen. Szenarien sind strukturierte Narrative, die auch dazu dienen können, die "Blasen" anzustechen, die uns alle tendenziell umhüllen. Unser Tunnelblick, unser Gruppendenken, unser blindes Vertrauen - alle unsere Verhaltensweisen werden in solchen Szenarien infrage gestellt.

Die betreffenden Narrative sind zielgerichtet, plausibel und auf spezifische Bedürfnisse und verschiedene Zukunftsprojektionen ausgelegt. Durch iterative Zyklen Umformulierung und Neuinterpretation fördert die Szenarioplanung eine dynamische Auseinandersetzung mit unserem strategischen Umfeld und ermutigt uns, unsere strategischen Perspektiven sorgfältig auszuarbeiten, zu erforschen und zu verfeinern.

Wenn wir zwischen Wahrheit und Nutzen unterscheiden und die Formulierung von Szenarien vorurteilsfrei angehen, fällt es uns leichter, mit Ambiguität umzugehen und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Dies bedeutet auch, dass Szenarioplanung für Anlegerinnen und Anleger ein unverzichtbares Instrument darstellt.

Marktinformationen unserer Research-Experten

So sehen wir die Märkte

Die LGT Experten analysieren laufend die globale Markt- und Wirtschaftsentwicklung. Mit unseren Research-Publikationen zu den internationalen Finanzmärkten, Branchen und Unternehmen treffen Sie fundierte Anlageentscheide.

Auch interessant

Eine Person steht auf einem Berg und blickt bei Sonnenuntergang in die Ferne.
Anlagestrategien

Jenseits des Horizonts: ein Fünfjahresausblick für die Kapitalmärkte?

Selbst langfristig ausgerichtete Investorinnen und Investoren konzentrieren sich mitunter zu sehr auf die Gegenwart und verpassen so Anlagechancen, die sich erst im Laufe der Zeit entwickeln. In Zeiten wie diesen ist es besonders schwer, sich in die Zukunft zu orientieren. Gleichwohl können wir...
Mann mit Kugelschreiber und Notizblock im Gespräch mit zwei Personen in einer Büroumgebung
Finanzmärkte

Die Bedeutung des Konjunkturzyklus aus Anlegersicht

Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe entwickeln sich je nach Konjunkturphase unterschiedlich. Dabei liefern einige regionale Konjunkturzyklen bessere Erklärungen für die Performance der verschiedenen Anlageklassen als andere. Diese Erkenntnis kann für Anlegerinnen und Anleger...
Viele verschiedenfarbige Container in einem Containerhafen, aus der Vogelperspektive sieht es wie ein Mosaik aus.
Finanzmärkte

Die aktuelle Top-Priorität: Wirtschafts- und Versorgungssicherheit

Unternehmen investieren massiv in die Sicherung der internationalen Lieferketten, während in Regierungskreisen die Neigung zu Handelsprotektionismus zunimmt. Wer anlegt, ist daher mit neuen wirtschaftlichen Risiken konfrontiert - hat aber auch grosse Chancen.
Kontakt aufnehmen