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Neue Kunstbörse Artex will Kunstmarkt demokratisieren

Artex, die weltweit erste Börse für Kunstanlagen, funktioniert wie eine klassische Börse - und ist auch reguliert. Neu daran: Sie will aus Kunstwerken liquide Aktien machen. Was heisst das für Anlegerinnen und Anleger? 

Datum
Autor
Stephan Lehmann-Maldonado, Gastautor
Lesezeit
6 Minuten

Beginn der Auktion von Warhols Marilyn Monroe Porträt
Nicht wie bei Christie's: Die neue Kunstbörse Artex will den Markt für Kunstinvestments demokratisieren. © EPA/Sarah Yenesel

Kunst werde durch Geld schön - so der Pop-Art-Guru Andy Warhol. Nach diesem Massstab müsste man seine Kunst geradezu als überirdisch bezeichnen: 195 Millionen Dollar hat ein Sammler für den Siebdruck "Shot Sage Blue Marilyn" im Frühling 2022 hingeblättert.

Ist der Kunstmarkt verrückt? Nicht aussergewöhnlich verrückt. Euphorische und pessimistische Phasen lösen sich wie an jedem anderen Markt ab. Insgesamt lässt sich aber seit mindestens 500 Jahren beobachten, wie Kunst und Geld Hand in Hand gehen. Lange bevor es Aktien gab, bewährten sich Kulturgüter als Mittel, mit dem die Wohlhabenden sich verwirklichen und Werte für nachkommende Generationen erhalten konnten. Dafür steht sinnbildlich die Stadt Florenz: Hier diente Kunst immer wieder der Inszenierung des Medici-Clans.

Ein Kameramann filmt ein Selbstporträt von Andy Warhol
Kunst wird durch Geld schön - sagte der Pop-Art-Guru Andy Warhol. Was gibt es Schöneres als rentable Kunstinvestments? © KEYSTONE/EPA/Felix Heyder

Kunst schlägt Gold

Laut dem siebten Deloitte Art & Finance Report 2021 beschert einem ein Investment in Kunst im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 7 Prozent - wenn man ein Werk 11 Jahre lang behält. Bei den Top-100-Kunststars liegt noch mehr drin. Von 2000 bis 2022 legte der Artprice 100-Index - darin sind die meistverkauften Künstlerinnen und Künstler enthalten - um 9.2 Prozent zu. Damit liess er Gold (plus 8.6 Prozent) und den globalen Aktienindex S&P 500 (plus 5.5 Prozent) eher alt aussehen. Besonders augenfällig: Ähnlich wie Gold bewegt sich Kunst oft konträr zu den Aktienbörsen. Eigenschaften, die ein Portfolio stabilisieren können.

Für Anlegerinnen und Anleger gibt es aber zwei Probleme: Erstens bleiben die millionenschweren Werke für Normalverdienende unerreichbar. Zweitens sind Kunstanlagen in der Regel nicht liquide; sie lassen sich nicht per Mausklick veräussern.

Beides will die neue Kunstbörse Artex ändern und den Markt für Kunstinvestments demokratisieren. Über Aktien sollen Anteile an Kunstwerken für ein breites Publikum erschwinglich werden. Eine monetäre Dividende werfen die Kunstaktien zwar nicht ab, dafür eine emotionale, die über Anlegerkreise hinausreicht. Vision der Artex ist nämlich, die Oeuvres in Museen auszustellen - statt sie in Privatgemächern und Zollfreilagern zu bunkern. Für die Zukunft träumt die Artex gar von eigenen Museen.

Börsenerstling: Triptychon von Francis Bacon

Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg. Das erste Kunstwerk bringt Artex im Frühherbst an die Börse: das 50 Jahre alte Triptychon "Three Studies for a Portrait of George Dyer" von Francis Bacon. Geschätzter Wert: USD 55 Millionen. Dabei stellt das düstere Gemälde die seelischen Qualen von George Dyer dar. Er war ein depressiver Kleinkrimineller, Muse und Partner von Francis Bacon - bis er sich 1971 das Leben nahm.

Die drei Bilder "Three Studies for a Portrait of George Dyer" von Francis Bacon
Seelische Qualen für USD 55 Millionen: Francis Bacons "Three Studies for a Portrait of George Dyer" war das erste Kunstwerk, das Artex an die Börse brachte. © Artex

Eine diametral andere, nämlich zuversichtliche, Stimmung verbreitet Artex-CEO Yassir Benjelloun-Touimi. Der Ex-Investmentbanker treibt das ambitionierte Projekt seit bald drei Jahren voran, flankiert von Verwaltungsratspräsident Prinz Wenzeslaus von und zu Liechtenstein. Läuft alles nach Plan, können Interessierte Aktien à je 100 Euro zeichnen. Die Artex setzt für den Handel nicht auf digitale Wertzertifikate (Tokens). Vielmehr gründet sie für jedes Kunstwerk eine Aktiengesellschaft. Für die Abwicklung der Transaktionen spannt sie mit Partnern wie der Schweizer Börse SIX und Banken zusammen.

Wo liegen die Risiken?

Doch hat nicht auch die Kryptobörse FTX wundersam abgehoben, um bald darauf mit einem Totalschaden abzustürzen? Der Vergleich hinkt. Im Gegensatz zu FTX erfüllt die Artex die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MIFID II) und ist von der Finanzmarktaufsicht (FMA) in Liechtenstein zugelassen. "Wir unterstehen dem Regulator wie alle anderen Börsen auch und müssen die Eigenkapitalvorschriften erfüllen", betont Yassir Benjelloun-Touimi. Dagegen sammelte die FTX Kundengelder (was einer Börse streng untersagt ist), um mit Kryptowährungen zu handeln. Diese flossen hauptsächlich in eine Kryptowährung ohne jeglichen Gegenwert. Bei Artex investieren Anlegerinnen und Anleger hingegen in Sachwerte.

Die Kunstaktien soll man wie wie herkömmliche Aktien kaufen und verkaufen können. Anders als bei Letzteren ergibt sich aber kein Fundamentalwert aus den Geschäftszahlen. Der Wert liegt letztlich im Auge der Betrachtenden. Und diese lassen sich mitunter von Moden verführen. So notieren etwa die Gemälde von Pierre-Auguste Renoir (1841-1919) deutlich tiefer im Kurs als jene seines Zeitgenossen Vincent van Gogh (1853-1890). Ein weiteres Risiko stellen Fälschungen dar - die Artex prüft jedes Werk deshalb rigoros, bevor sie es erwirbt - und natürlich Beschädigungen und Diebstahl. Deshalb sind die Kunstwerke rundum versichert; die Kosten trägt die Artex. Den Aktienkurs beeinflussen sie nicht.

Kunstmarkt, Wachstumsmarkt

Die grosse Frage: Wird es der Artex gelingen, genügend hochwertige Kunstwerke an die Börse zu bringen? Darauf ist sie angewiesen, um ihre Existenz zu sichern. Denn wie jede Börse finanziert sie sich durch die Kommissionen auf den Transaktionen. "Börsen haben per Definition ein lukratives Geschäftsmodell", erklärt Benjelloun-Touimi. Und die Artex sei grundsolide aufgestellt. "Wir brauchen nur wenige Kunstwerke, um die Gewinnschwelle zu erreichen."

Die Chancen, dass die Artex für Kunstverkäuferinnen und -verkäufer zu einer wichtigen Adresse wird, stehen gut. Auktionshäuser wie Christie’s schlagen auf den Hammerpreis gut und gern rund 15 Prozent Käuferprovision hinzu. Und sie richten sich nur an einen exklusiven Zirkel. Die Artex beansprucht lediglich 3 Prozent des Erlöses, wenn sie ein Werk an die Börse bringt. "Und wir weiten den Käuferkreis aus. Normalerweise können nur äusserst vermögende Personen ein Werk wie das Triptychon von Bacon kaufen, das ist statistisch gesehen etwa eine Person in zwei Millionen. Wir erweitern den Kunstmarkt aufs breite Publikum. Allein das dürfte für ein höheres Preisniveau sorgen", sagt Benjelloun-Touimi.

Porträtfoto von Artex-CEO Yassir Benjelloun-Touimi und Wenzeslaus von und zu Liechtenstein
"Momentan geben Expertinnen und Experten im Markt den Ton an. Künftig entscheiden die Aktionärinnen und Aktionäre, welche Kunst im Trend ist - und welche nicht", sagt Artex-CEO Yassir Benjelloun-Touimi. S.D. Prinz Wenzeslaus von und zu Liechtenstein fungiert als Verwaltungsratspräsident. © Artex

Zumindest im Gleichschritt mit dem weltweiten Wohlstand müsste der Kunstmarkt wachsen. Derzeit umfasst er ein Volumen von 3,2 Billionen US-Dollars gemäss Deloitte. Benjelloun-Touimi will ihn aber nicht nur vergrössern, sondern auch revolutionieren: "Momentan geben Expertinnen und Experten im Markt den Ton an. Künftig entscheiden die Aktionärinnen und Aktionäre, welche Kunst im Trend ist – und welche nicht."

Wäre er noch unter uns, hätte Andy Warhol bestimmt Gefallen an der Idee gefunden. Im Sinn eines anderen seiner Bonmots: "Die Ästhetik unserer Tage heisst Erfolg."

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