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Unternehmertum

Exit: Wann soll ich mein Startup verkaufen?

Der Ausstieg aus ihrem Unternehmen fällt Startup-Gründerinnen und -Gründern nicht immer leicht. Um den optimalen Exit-Zeitpunkt zu bestimmen, bedarf es einer strategischen Herangehensweise.

Datum
Autor
Sidi Staub, LGT
Lesezeit
10 Minuten

Exit-Zeichen in Pfeilform
Der Exit eines Startups erfordert sorgfältige Planung und strategisches Denken. Der richtige Zeitpunkt hängt von zahlreichen Faktoren ab; der ganze Verkaufsprozess kann äusserst komplex sein. Hier geben wir eine Übersicht der wichtigsten Fragen und Antworten. © istock/martinwimmer

Das Klischee geht ungefähr so: Nach jahrelanger Aufbauarbeit mit vielen Rückschlägen schafft das Startup dreier findiger Informatikstudenten den Marktdurchbruch und wird in Rekordzeit zum hochbewerteten Unicorn. Die bis vor kurzem noch mittellosen Studienabbrecher bringen ihr Unternehmen schnellentschlossen an die Börse und werden so zu Multi-Millionären und begehrten Mitgliedern des Jetsets.

Die Realität ist meist nüchterner: Nur ein kleiner Bruchteil aller Startups erreicht den Unicorn-Status, also eine Bewertung von über einer Milliarde US-Dollars, und noch weniger schaffen es an die Börse. Der Grossteil scheitert entweder ganz oder stagniert irgendwann. Vielleicht wird das Startup zwar übernommen, aber ohne auch nur annähernd zum Einhorn geworden zu sein.

Moderne Büroflächen, junge Menschen arbeiten
Spezialistinnen und Spezialisten raten, sich zum Thema Exit unbedingt mit anderen Entrepreneurs auszutauschen, die bereits einmal durch den ganzen Prozess gegangen sind und mögliche Schwierigkeiten und Fallstricke kennen. © istock/skynesher

Das führt zur Frage: Wenn die Chancen auf den ganz grossen Coup so minim sind und stets die Möglichkeit des vorzeitigen Scheiterns besteht, gibt es für Gründerinnen und Gründer einen idealen Zeitpunkt für den Exit?

Einfache Antworten gibt es keine. Beim Entscheid spielen finanzielle und persönliche Überlegungen eine Rolle, und auch die Absichten allfälliger Kapitalgeber müssen berücksichtigt werden. Aber schön der Reihe nach. 


Der ideale Zeitpunkt für den Startup-Exit

Unter rein finanziellen Gesichtspunkten wird man sein Unternehmen wahrscheinlich dann verkaufen wollen, wenn der erzielbare Preis am höchsten liegt. Das ist einfacher gesagt als getan, weil es von mehreren Faktoren abhängt:

1. Marktbedingungen: 
Der Markt für Startups muss reif sein für einen Exit. Ein günstiges makroökonomisches Umfeld, ein starker IPO-Markt oder eine hohe M&A-Aktivität können Indikatoren für einen guten Exit-Zeitpunkt sein. Als grobe Faustregel lässt sich festhalten, dass man sein Unternehmen gegen Ende einer Aufschwungphase verkaufen soll. Dann sind die Preise hoch und die Finanzierung von Transaktionen ist einfacher. 

2. Lebens- und Innovationszyklus:
Ein typisches Startup möchte schnell wachsen und expandieren. Die Phasen nach der ersten Seed-Finanzierung werden aber zunehmend kapitalintensiver und das Risiko besteht, dass ein kapitalbedürftiges Unternehmen keine neuen Investorinnen und Investoren findet. Viele Startups scheitern an dieser Hürde. Jacob Orosz, Gründer einer M&A-Boutique und Autor von "The Art of the Exit", empfiehlt deshalb: "Wenn Gründerinnen oder Gründer glauben, dass sie keine weitere Finanzierungsrunde aufbringen können, sollten sie verkaufen, bevor ihnen das Geld ausgeht." Auch der Innovationszyklus des Unternehmens ist wichtig: Steht ein Unternehmen kurz vor einer bahnbrechenden Innovation, könnte es sich lohnen, mit dem Verkauf noch zuzuwarten, um den maximalen Wert zu realisieren.

3. Unternehmensfitness: 
Um für einen potenzielle Käufer attraktiv zu sein, sollte ein Unternehmen fit und für den Exit bereit sein. Gemäss Orosz umfasst dies u.a. eine breite Kundenbasis, robuste Systeme und eine ausgezeichnete finanzielle Performance. Das Startup sollte eine stabile Umsatzentwicklung und eine klare Wachstumsstrategie vorweisen können. 

Thomas Kristensen
Laut LGT Capital Partners Investment Manager Thomas Kirstensen sei es in Ordnung, wenn Entrepreneure nach einer langen Durststrecke einen Teil ihrer Aktien verkaufen - solange es nicht zu viel sei. © LGT Capital Partners

4. Starkes Managementteam: 
Teil der Unternehmensfitness ist ein starkes Management-Team, das Vertrauen und Glaubwürdigkeit ausstrahlt und für Stabilität und Kontinuität auch nach einem Exit bürgt. Hierzu sagt beispielsweise Reid Hoffman, einst Mitbegründer von LinkedIn und heute Partner beim Risikokapitalunternehmen Greylock Partners: "Ein starkes und kohärentes Führungsteam ist entscheidend. Investoren schauen nicht nur auf Zahlen, sondern auch auf das Team, das die Vision umsetzt."

5. Opportunitätskosten: 
Wer aussteigt und Kasse macht, wird den Verkaufserlös in der Regel wieder investieren wollen. Fehlen attraktive Reinvestitionsmöglichkeiten und ist man davon überzeugt, bei Verbleib im Startup dessen Wert weiter steigern zu können, lohnt es sich vielleicht, den Exit zu verschieben. Thomas Kristensen, Partner und Investment Manager bei der auf alternative Anlagen spezialisierten LGT Capital Partners, empfiehlt, sich die folgenden Fragen zu stellen: "Zu welchem Preis kann ich mein Startup aktuell verkaufen? Was wird es in fünf Jahren wert sein, wenn ich mit dem Verkauf noch zuwarte? Und was sind die Risiken und Chancen beider Optionen?"

Das persönliche Timing

Nebst den strategischen und grundsätzlichen finanziellen Überlegungen beeinflussen auch persönliche Faktoren die Entscheidung über den Zeitpunkt und die Art des Exits.

1. Familie und soziales Umfeld:
Der Druck und die Anforderungen, die mit dem Aufbau eines Startups verbunden sind, haben erhebliche Auswirkungen auf das Familienleben und das soziale Umfeld der Unternehmerinnen und Unternehmer. Ein hoher Stresspegel und lange Arbeitszeiten führen oft zu gesundheitlichen Problemen. Deshalb ist wichtig, dass sie ihre körperliche und mentale Gesundheit im Blick behalten. "Ein Exit sollte nicht nur aus finanzieller Sicht betrachtet werden, sondern auch aus der Perspektive, wie er das persönliche Leben des Gründers beeinflusst", betont Nadine Kammerlander, Professorin für Familienunternehmen an der WHU Otto Beisheim School of Management. Eine ausgewogene Work-Life-Balance und die Unterstützung durch die Familie können entscheidende Faktoren für das Timing eines Exits sein.

2. Persönliche Finanzsituation: 
Der Aufbau eines Startups ist für viele erstmalige Gründerinnen und Gründer mit einer längeren finanziellen Durststrecke verbunden, da in der Regel noch keine Gewinne anfallen und sie sich nur tiefe oder gar keine Löhne auszahlen können. Oft fällt zusätzlich die Familiengründung in diese Phase, was den finanziellen Stress nochmals erhöht. Ein Verkauf eines Teils der Aktien im Rahmen einer Finanzierungsrunde kann die Lage entschärfen. Für Kristensen ist ein solcher Teilausstieg auch aus Investorensicht sinnvoll: "Wir möchten, dass Gründerinnen und Gründer motiviert sind. Eine Entspannung bei den persönlichen Finanzen kann dazu beitragen, dass sie sich voll auf ihr Startup konzentrieren können." Deshalb sei es ok, wenn Entrepreneure nach einer langen Durststrecke einen Teil ihrer Aktien verkaufen - solange es nicht zu viel sei. 

Unicorn startup
Nur ein kleiner Bruchteil aller Startups erreicht den Unicorn-Status, erhält also eine Bewertung von über einer Milliarde US-Dollars. © unsplash/Claudio Schwarz

3.Skills und Motivation: 
Die Fähigkeiten für den erfolgreichen Aufbau eines Unternehmens - beispielsweise Risikobereitschaft, innovatives Denken oder Ausdauer - sind nicht unbedingt die gleichen, die jemand für das Management eines bereits etablierten Unternehmens mitbringen muss. Je fortgeschrittener aber das Startup in seinem Lebenszyklus ist, desto mehr wird die Führung zur Managementaufgabe. Hinzu kommt, dass die Leidenschaft einer Gründerin oder eines Gründers für den Erfolg wichtig sind. So meint etwa der John Warrilow, Autor von "Built to Sell" und Gründer-CEO von "The Value System", dass der grösste Fehler, den er bei Startup-Exits beobachte, zu langes Zuwarten sei: "Die meisten Gründerinnen und Gründer schöpfen in den ersten fünf Jahren ihres Unternehmens am meisten Wert. Nach diesem Zeitpunkt besteht zunehmend die Gefahr, dass sie an Energie verlieren und sich langweilen."
 

Kapitalgeber wollen mitreden

Die bisherigen Überlegungen vernachlässigen, dass nur die wenigsten Gründerinnen und Gründer autonom über ihren Exit entscheiden können. Völlig unabhängig ist eigentlich nur die kleine Minderheit der sogenannten Bootstrapper, die ihr Startup grösstenteils oder sogar gänzlich ohne Fremdkapital aufbauen. Sobald externe Investorinnen und Investoren an Bord sind, werden diese massgeblich über den Exit-Zeitpunkt und die Modalitäten mitentscheiden wollen. Und häufig werden sie andere Vorstellungen als die Gründerinnen und Gründer haben. 

Lisa Pallweber und Hansi Hansmann
"Investoren wollen in Gründer investieren, die langfristig denken und die mehr antreibt als nur der wirtschaftliche Erfolg - es geht ihnen um die sogenannte intrinsische Motivation", erklärt Lisa Pallweber, Managing Partner bei der österreichischen Hans(wo)men Group, hier zusammen mit Hansi Hansmann. © Marcella Ruiz Cruz

Lisa Pallweber, Geschäftsführerin bei der auf Angel Investments spezialisierten österreichischen Hans(wo)men Group, nennt das fiktive Beispiel einer Gründerin, die ihr Startup über Jahre mit grossem Einsatz aufgebaut hat, bis jetzt aber noch keine Früchte ihrer harten Arbeit gesehen und ihr ganzes Vermögen im Unternehmen gebunden hat: "Wenn jetzt ein aus ihrer Sicht attraktives Angebot auf dem Tisch liegt, kann der Incentive stark sein, dieses anzunehmen und so das persönliche Risiko runterzufahren." Ein Investor habe aber möglicherweise eine ganz andere Perspektive: "Wenn dieser erst vor kurzem zu einem relativ hohen Preis eingestiegen ist, wird er das Angebot als weniger attraktiv als die Gründerin beurteilen und mit einem Verkauf solange zuwarten wollen, bis seine Renditeerwartungen erfüllt sind." Umgekehrt könne es aber auch vorkommen, dass ein Investor, beispielsweise ein Venture-Capital-Fund gegen Ende der Laufzeit, bereits den Exit sucht, während die Gründer noch nicht verkaufen und das Unternehmen weiter aufbauen möchten. 

Gegenseitige Vorstellungen klären

Wichtig zu wissen: Investoren haben unterschiedliche Motive und Ziele. Beispielsweise möchten Angel- oder -Seedinvestorinnen und -investoren ein Startup langfristig begleiten und haben meistens keinen fest definierten Zeithorizont. Hingegen haben in späteren Finanzierungsrunden eingestiegene Investorinnen und Investoren in der Regel einen klar definierten Zeithorizont und aufgrund der höheren Einstiegspreise auch anspruchsvollere Preisvorstellungen. Gemäss Kristensen sollten deshalb Gründerinnen und Gründer das Investitionsmotiv eines neuen Finanzierungspartners möglichst gut verstehen: "Ist es ein Seed- oder ein Wachstumsinvestor? Was ist sein Zeithorizont und welche Rendite erwartet er?"  

John Warrillow
John Warrillow - Autor, CEO und Gründer - warnt beim Exit vor zu langem Zuwarten. © The Value Builder System

Oft bestehen Investoren auch auf Vertrags-Klauseln, die sie bei einem Exit bevorteilen und die Optionen der Gründerinnen und Gründer beschränken. Christoph Grobbel, Mit-Gründer des Klimaschutz-Unternehmens South Pole und mittlerweile auch Angel-Investor, empfiehlt deshalb, sich genau zu überlegen, warum man Investoren an Bord hole. Ebenso sei wichtig, die Konsequenzen allfälliger Klauseln zu bedenken und sich vor der Vertragsunterschrift von Experten beraten zu lassen. Bevor man die Kapital- und Stimmmehrheit abgebe, solle man zudem die Möglichkeit eines Teil-Exit prüfen: "Für Gründer ohne Mehrheitsbeteiligung wird es möglicherweise schwierig, später überhaupt noch ans Geld zu kommen. Zwar wird die Karotte immer grösser, man kommt dieser aber nie näher."

Grundsätzlich ist es für Gründerinnen und Gründer ratsam, mit ihren Finanzierungpartnern klare Exit-Strategien und Zeitpläne zu vereinbaren. Pallweber empfiehlt aber, dies erst im Rahmen einer zweiten oder dritten Finanzierungsrunde zu tun. Auf jeden Fall sollten Gründerinnen und Gründer den Eindruck vermeiden, dass sie möglichst rasch Kasse machen wollen: "Investoren wollen in Gründer investieren, die langfristig denken und die mehr treibt, als nur der wirtschaftliche Erfolg - es geht ihnen um die sogenannte intrinsische Motivation."
 

Fazit: Beim Zeitpunkt des Startup-Exits zählen Strategie und Know-how

Der Exit eines Startups erfordert sorgfältige Planung und strategisches Denken. Der richtige Zeitpunkt hängt von zahlreichen Faktoren ab und der ganze Verkaufsprozess kann äusserst komplex sein. Grobbel empfiehlt deshalb, nebst externen Beratern auch eine Vertrauensperson als Coach an Bord zu holen, welche die unternehmerische und finanzielle Seite der Startup-Welt im Detail kennt und versteht. Dies könne beispielsweise ein Business-Angel-Investor sein, der im Verwaltungsrat Einsitz nimmt. Pallweber rät zudem, sich zum Thema Exit unbedingt auch mit anderen Entrepreneurs auszutauschen, die bereits einmal durch den ganzen Prozess gegangen sind und mögliche Schwierigkeiten und Fallstricke kennen. 

Für Gründerinnen und Gründer ist es entscheidend, sowohl die eigenen Ziele als auch die Erwartungen der Investoren zu verstehen und eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Über die finanziellen Aspekte hinaus sollten persönliche Faktoren wie Familie, Gesundheit und Motivation in die Entscheidung einfliessen. 

Nicht nur unsere drei Informatikstudenten, sondern auch andere Gründerinnen und Gründer können mit einer gut durchdachten Exit-Strategie den Wert ihres Unternehmens maximieren und so den erfolgreichen Übergang in die nächste Phase ihrer unternehmerischen Reise sicherstellen.
 

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