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Unternehmertum

Laterales Denken: der Schlüssel zu geschäftlichem Wachstum

Laterales Denken bedeutet, Probleme aus neuen, ungewohnten Perspektiven anzugehen, sozusagen "um die Ecke zu denken". So lassen sich Innovationen wirksam fördern und Wachstumschancen erschliessen, die den Unternehmen ansonsten allenfalls entgangen wären.

Datum
Autor
Alastair Turner, CEO, Aspectus Group
Lesezeit
5 Minuten

Blick von unten auf eine kurvige, gewundene Treppe, die zwischen Hochhäusern in die Höhe führt.
Laterales Denken ermöglicht es Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen neu zu konzipieren oder auf Unternehmensebene umzustrukturieren, um ihre Innovationsfähigkeit zu verbessern. © istock/sebasian-julian

"Innovation ist das, was Anführer von Nachfolgern unterscheidet." Dieser Satz stammt von Steve Jobs. Seine nahezu fanatische Jagd nach kreativen Lösungen und seine Fähigkeit, Markttrends mithilfe von nicht-linearen Ansätzen vorherzusehen, haben die Technologie und das Konsumverhalten revolutioniert. 

Mann in schwarzem Rollkragenpullover und Jeans spricht gestikulierend vor Publikum, im Hintergrund zwei elektronische Geräte
Unter Steve Jobs brachte Apple 2007 das iPhone auf den Markt - und revolutionierte Technologie und Konsumverhalten weltweit. © Keystone/DPA/A9999 DB Christoph Dernbach

Unter der Leitung von Steve Jobs war Apple ein Wahrzeichen dafür, dass eine von Kreativität und Experimentierfreude geprägte Unternehmenskultur zu bahnbrechenden Innovationen und bedeutenden Wettbewerbsvorteilen führen kann.

In der heutigen, von raschen technologischen Umbrüchen, pandemiebedingten neuen Arbeitsweisen und konstant variierenden Konsumpräferenzen dominierten Geschäftswelt ist die Fähigkeit zu kritischem Denken wichtiger denn je. Traditionelle, lineare Problemlösungswege erbringen in einem derart dynamischen Umfeld oftmals nicht die gewünschten Ergebnisse. 

Unkonventionelle, laterale Denkweisen ermöglichen es zahlreichen Unternehmen, Herausforderungen in Chancen umzuwandeln, den Erfindergeist zu beflügeln und ein nachhaltiges Wachstum zu fördern. Wertschätzung für Kreativität und strategische Flexibilität kann für Unternehmen auf dem Weg zur Marktführerschaft einen nützlichen Kompass in den komplexen modernen Märkten darstellen.

Kreativ - und "um die Ecke" - denken

älterer Herr, Anzug und Krawatte, schaut in die Kamera
Management-Experte Edward de Bono wusste, wie man "um die Ecke denkt", um Probleme zu lösen. © Jon Enoch/eyevine/laif

Der Begriff "laterales Denken" stammt von Edward de Bono, einem Vordenker in geschäftlichen Fragestellungen und Managementmethoden. Laterales Denken ist ein Problemlösungsansatz, der Herausforderungen aus neuen und unkonventionellen Perspektiven betrachtet, anstatt Schritt für Schritt nach logischen Schlussfolgerungen zu suchen. Mit anderen Worten: Wer lateral denkt, denkt "um die Ecke".

Beim lateralen Denken steht die Kreativität im Fokus; man blickt über das Offensichtliche - den sprichwörtlichen Tellerrand - hinaus, um Lösungen zu finden, die nicht unmittelbar auf der Hand liegen. Das laterale Denken stellt Gegebenes infrage und fördert frische Ideen. So führt es zu bahnbrechenden Innovationen und neuen Perspektiven. Für Personen in Spitzenpositionen bedeutet dies, eine Kultur zu fördern, die kreatives Denken und Experimentierfreude priorisiert, um Hindernisse zu überwinden und neue Wachstumschancen zu erkennen.

Grenzen und Einschränkungen überwinden

Unternehmen, die sich das laterale Denken im Sport zum Vorbild nehmen, erkennen, dass einige der erfolgreichsten Sportlerinnen und Sportler eine Eigenschaft gemeinsam haben: die Fähigkeit, über konventionelle Grenzen hinaus zu denken und Sachverhalte wahrzunehmen, die sich anderen nicht erschliessen. 

Der australische Cricketspieler Ricky Pointing, einer der besten Schlagmänner und ein ausgezeichneter Captain, hat einmal gesagt: "Jeder Schlagmann nimmt vor dem Schlag das Feld ins Visier. Dabei prägen sich zumeist die Feldspieler  in sein Gehirn ein. Sie können sozusagen alle Feldspieler mit ihrem geistigen Auge wahrnehmen. Vor meinem geistigen Auge tauchen jedoch keine Feldspieler auf. Ich sehe nur die Zwischenräume!" Diese Einstellung ist ein Ausdruck lateralen Denkens, das sich auf Chancen anstatt auf Hindernisse fokussiert. 

Historisches Bild: Zwei Herren im Anzug. Einer hält Zeitung, auf Titelseite reisst ein Mann den Mund weit auf, so auch die zwei.
Muhammad Ali: "'Unmöglich' ist nichts als ein grosses Wort, das kleingeistige Menschen gerne im Munde führen." © Keystone/TT News Agency/Sven-Gösta Johansson/Scanpix

Muhammad Ali, der legendäre Boxer,  wirkte so, als ob er das konventionelle Denken laufend infrage stellte. Seine Mentalität war nicht auf Einschränkungen eingestellt. Er formulierte seine Haltung wie folgt: "’Unmöglich’" ist nichts als ein grosses Wort, das kleingeistige Menschen gerne im Munde führen. Ihnen fällt es nämlich leichter, in der Welt zu leben, in die sie hineingeboren wurden, anstatt herauszufinden, über welche Fähigkeiten sie verfügen, um diese Welt zu verändern. ‘Unmöglich’ bezeichnet keine Tatsachen. ‘Unmöglich’ ist eine Meinungsäusserung. ‘Unmöglich’ ist keine Zustandsbeschreibung. ‘Unmöglich’ ist eine Herausforderung. ‘Unmöglich’ steht für Potenzial. ‘Unmöglich’ ist eine vorübergehende Phase. ‘Unmöglich’ ist nichts - nichts ist unmöglich."

Chancen erkennen

Strategisches, laterales Denken ist kein Vorrecht von Sportlegenden, sondern eine Grundlage für Innovation und Wachstum in der Geschäftswelt.

Es gibt zahlreiche Beispiele für Unternehmen, die laterales Denken erfolgreich in ihre Geschäftsstrategien mit einfliessen lassen, um Produkte oder Dienstleistungen neu zu konzipieren oder zu vermarkten, oder die Neustrukturierungen auf Unternehmensebene vornehmen, um ihre Innovationsfähigkeit zu fördern. 

So sind beispielsweise die 3M Post-it® Notizzettel das Resultat eines misslungenen Versuchs, ein stark haftendes Klebemittel zu entwickeln. Anstatt das schwach haftende Mittel zu entsorgen, erkannte 3M eine andere Nutzungsmöglichkeit. So entstand eines der erfolgreichsten Produkte des Unternehmens, das inzwischen in über 150 Ländern vermarktet wird: Jährlich verkauft 3M über 50 Milliarden Notizzettel und erzielt damit - Analystenschätzungen zufolge - Erträge in Höhe von weit mehr als 1 Milliarde US-Dollar. 

Ein älterer Herr lehnt sich aus dem Fenster eines roten sehr kleinen Autos, während die Leute zuschauen und fotografieren.
Als sich der Uhrenhersteller Swatch mit Mercedes-Benz zusammentat, war das Ergebnis ein Novum im Bereich kompakter und effizienter Stadtfahrzeuge. © Keystine/Walter Bieri

Auch die Partnerschaft zwischen Swatch und Mercedes-Benz, aus der die Smart-Fahrzeuge hervorgegangen sind, ist ein Beleg für die Kraft und den Erfolg des lateralen Denkens. Smart ist bekannt für seine trendigen, gut gestalteten und erschwinglichen Uhren. Das Unternehmen tat sich mit Mercedes-Benz zusammen, um ein kompaktes und effizientes Stadtfahrzeug zu entwickeln. Die Expertise von Smart bezüglich Design und Kosteneffizienz führte in Kombination mit den Konstruktionskompetenzen von Mercedes-Benz zu einem bahnbrechenden Produkt, das einen neuen Markt schuf. Sein einzigartiges Design und die kosteneffiziente Bauweise machten den Smart zu einer Erfolgsgeschichte: Seit 1998 hat er Erträge von rund 4 Milliarden US-Dollar generiert. 

Innovation oder Untergang

Im Gegenzug können der Verzicht auf laterales Denken und die Unfähigkeit, neue Technologien zu übernehmen, dazu führen, dass Chancen verpasst werden und Unternehmen stagnieren. Ein klassisches Beispiel ist Blockbuster, die Videoverleih- und -verkaufskette: Das Unternehmen hatte die Entwicklung und zunehmende Popularität des digitalen Streamings völlig unterschätzt. Blockbuster hielt an seinem traditionellen Geschäftsmodell mit physischen Filialen und dem Verleih von physischen Videokassetten fest, während Netflix das Geschäft lateral anging und zunächst mittels DVD-Verleih per Post und anschliessend mittels neuer Technologien zur Nutzung von Streaming-Diensten den Markt revolutionierte. Blockbuster war zu schwerfällig, um sich dieser Trendwende anzupassen, und so ging das Unternehmen schliesslich unter.

Eine Ladenfront mit grossen Plakaten, die auf eine bevorstehende Schliessung aufmerksam machen.
Streaming vs. Videoverleih: Während Blockbuster an physischen Läden festhielt, haben Netflix und andere Streaming-Anbieter neue Technologien genutzt, um den Markt für Heimunterhaltung zu revolutionieren. © Theodore Wood/Polaris/laif

Interessanterweise hat die britische Untersuchung zur COVID-19-Pandemie gezeigt, welche Gefahren das sogenannte Gruppendenken für die Staatstätigkeit (Public Policy) mit sich bringt. Gruppendenken ist dadurch gekennzeichnet, dass das Streben nach Einmütigkeit Innovationsbestrebungen und kritische Analysen ausser Kraft setzt, insbesondere, wenn die Gruppenmitglieder die richtigen, angebrachten Fragen nicht stellen bzw. sich gegenüber Informationen verschliessen, die ihnen nicht passen, oder den Status quo nicht infrage stellen wollen. Es gibt zahlreiche bekannte Beispiele für Gruppendenken, etwa den Untergang der Swissair oder die Explosion der Raumfähre Challenger.   

Laterales Denken lässt sich als Gegenmittel gegen Gruppendenken einsetzen, da es eine Vielzahl von Betrachtungsweisen zulässt und unkonventionelle Problemlösungsansätze fördert. Unternehmen, die Annahmen infrage stellen und neue Ideen ausloten, tappen seltener in die Einmütigkeitsfalle und sind kompetenter im Umgang mit komplexen Krisen.

In Unternehmer- und Anlegerkreisen lassen sich mithilfe von lateralem Denken neue Chancen eröffnen, Innovationen vorantreiben und Wachstumspfade erschliessen, die traditionelle Ansätze nicht unbedingt zutage gefördert hätten.

Laterales Denken als Vorbedingung für den Erfolg

Einer Studie von McKinsey zufolge gehen 90 % der Führungskräfte davon aus, dass ihre Unternehmen bis 2025 signifikante Erschütterungen erfahren dürften, doch nur ganze 21 % sehen sich auch in der Lage, die neuen Wachstumschancen profitabel zu nutzen. Dies zeigt, welch wesentliche Rolle laterales Denken bei der Vorbereitung von Unternehmen auf künftige Herausforderungen und Chancen spielen kann.

Analysen des Design Management Institute besagen, dass designorientierte Unternehmen, bei denen laterales Denken an der Tagesordnung ist, auf zehn Jahre betrachtet den S&P 500 um 219 % überflügelt haben.

Zwei Männer in Anzügen betrachten gemeinsam einen Gegenstand, ein Herr spiegelt sich im Glas.
Laterales Denken als Wachstumstreiber: Einer Studie zufolge sieht sich die Mehrheit der Führungskräfte noch nicht in der Lage, neue Wachstumschancen zu nutzen. © GettyImages/Westend61

Wer als Unternehmen eine Kultur fördert, die Wert auf Kreativität, Experimentierfreude und strategische Flexibilität legt, ist in der Lage, sich in den komplexen modernen Märkten zu behaupten und neue Wachstums- und Innovationschancen zu ergreifen. Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigt, Überkommenes infrage zu stellen, neue Ideen zu testen und kalkulierte Risiken einzugehen, trägt dazu bei, dass Hindernisse überwunden und neue Erfolgspfade erkannt werden. So kann laterales Denken zu einem wirkungsstarken Werkzeug werden, mit dem sich ein nachhaltiges Geschäftswachstum und anhaltende Wettbewerbsvorteile erzielen lassen.

So schaffen Sie eine Kultur, in der laterales Denken gedeiht

Innovationen belohnen
Wissbegierde und der Mut, die Dinge zu hinterfragen, sind ausschlaggebende Faktoren. Unternehmen sollten diese Eigenschaften bei ihren Mitarbeitenden fördern und sie zu Fragen nach dem "Warum?" und "Was wäre, wenn ...?" ermutigen. Regelmässige Brainstorming-Sitzungen und Plattformen für den Ideenaustausch sind essenziell. Auch Anerkennungsprogramme und Anreize für innovative Denkansätze können die Kreativität deutlich beflügeln.

In (Weiter-)Bildung investieren
Schulungsprogramme mit Schwerpunkt laterales Denken vermitteln den Mitarbeitenden das Handwerkszeug für kreative Problemlösungen.

Diversität als Bereicherung einstufen
Divers besetzte Teams verfügen über die gewünschte Bandbreite von unterschiedlichen Perspektiven. Für laterales Denken sind diese Perspektiven unabdingbar. Die teamübergreifende Zusammenarbeit und eine inklusive Führung sind ebenfalls günstige Voraussetzungen für die Befeuerung von Innovationen. Wie zahlreiche Studien belegen, ist die Wahrscheinlichkeit in divers besetzten Teams höher, dass einzigartige Ideen und Ansätze entwickelt und umgesetzt werden.

Experimente als Weg zum Erfolg werten
Ein Arbeitsumfeld, das offen für Experimente ist und Misserfolge als "Learnings" und nicht als "Desaster" einstuft, ist eine zentrale Voraussetzung.

Eine offene Kommunikation fördern 
Ideen können frei fliessen, wenn die Kommunikationswege auf und zwischen allen Organisationsstufen offen sind. Regelmässige Town Hall Meetings, firmeninterne soziale Netze und teamübergreifende Projekte stärken die Zusammenarbeit und den Ideenaustausch.

Überkommenes infrage stellen
Etablierte Prozesse regelmässig zu hinterfragen und die Mitarbeitenden zu ermutigen, Probleme aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, kann dazu beitragen, überkommene Denkmuster aufzubrechen. Mithilfe von "Was wäre, wenn"-Szenarios lassen sich Alternativen aufzeigen.

Raum für Kreativität schaffen
Physische und mentale Freiräume zur Entfaltung der Kreativität ermöglichen im Zusammenspiel mit flexiblen Arbeitsbedingungen die Förderung neuer Denkansätze. "Innovationsfenster", in denen die Mitarbeitenden an "Herzensprojekten" arbeiten können, beflügeln eine kreative Unternehmenskultur.

Mit gutem Beispiel vorangehen
Führungskräfte sollten laterales Denken beispielhaft in ihre Entscheidungen mit einfliessen lassen und erfolgreiche innovative Lösungen unternehmensweit publik machen. Ihr "offenes Ohr" für unkonventionelle Ideen aus allen Geschäftsbereichen und Hierarchiestufen ist ebenfalls erfolgsentscheidend.

Über den Tellerrand hinaus blicken
Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu anregt, sich Inspirationen aus verschiedenen Quellen zu holen - etwa von Gastreferentinnen und Gastreferenten aus unterschiedlichen Branchen oder durch die Teilnahme an externen Konferenzen -, eröffnet dem Unternehmen neue Perspektiven und stimuliert das kreative Denken.

Probleme auf den Kopf stellen 
Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin schult, Probleme mithilfe von umgekehrten Denkprozessen und Analogien neu zu definieren, trägt dazu bei, dass sie Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und einzigartige Lösungen finden.

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